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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 268. Köln, [10.] April 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 268. Köln, Dienstag, 10. April. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. - Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. - Nur frankirte Briefe werden angenommen. - Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Uebersicht.

Deutschland. Berlin. (Klatsch.) Breslau. (Stein im demokratischen Hauptverein. - Die Bourgeoisie und der Kaiser.) Prag. (Verhaftungen.) Eckernförde. (Die dänische Fregatte.) Flensburg. (Beginn der Feindseligkeiten.) Frankfurt. (Ritter Bunsen. - Camphausen nach Berlin) Bruchsaal. (Der Prozeß Bornstaedt) Aus dem Reich.

Ungarn. Oestreichisches Lamento.

Franz. Republik. Paris. (Die Contrerevolution im südlichen Frankreich. - Das Programm der Bergpartei. - Familie Barrot. - Bürger Bugeaud. - A. Gent. - Vermischtes. - National-Versammlung).

Italien. Genua. (Verhaftung des Stadtkommandanten und politische Lage von Genua). Livorno. (Kampf zwischen Volk und Militär in Genua). Rom. (Erneennung von Diktatoren). Neapel (Die letzten Vermittlungsversuche in Palermo).

Donaufürstenthümer. Jassy. (K. Nikolaus im Kirchengebet).

Deutschland.
* Berlin, 7. April.

Wir erfahren mit Bestimmtheit und aus sicherer Quelle, daß heute Vormittag in Charlottenburg ein Ministerrath statt fand, dem auch der Prinz von Preußen beiwohnte, in welchem man berieth, ob das Ministerium in seiner Gesammtheit zurücktreten solle oder ob es passender wäre die Auflösung der Kammer auszusprechen. Wir glauben indeß, daß man zu keinem Entschluß kommen konnte. Die Anarchie hat selbst im Kabinet Platz gefunden. Die Herren v. Manteuffel und Strotha befinden sich in offener Opposition gegen Brandenburg, Ladenberg und Arnim. Die ersteren Beiden z. B. hatten alles Mögliche angewendet, um dem König von einer Antwort an die Frankfurter Deputation abzurathen, welche alle Parteien gegen ihn aufregen mußte. Sie wurden im Kabinet überstimmt.

Man hatte viel darüber gefabelt, wer in Freienwalde die Rolle der Egeria gegen den modernen Ruma Pompilius spielte. Die besondern göttlichen Eingebungen, von denen Se. Majestät in der Antwort spricht, die das Herz frei und das Auge klar machen, erregten natürlich den Wahrheitsdurst gemüthloser Unterthanen. Aus sicherer Quelle erfahren wir nun, daß die außerordentlichen Gesandten, durch welche die göttliche Offenbarung mit dem Könige in Freienwalde verhandelte, Eichhorn und Thiele waren. Andere meinen freilich, Se. himmlische Majestät sei der irdischen, wie einst Moses im feurigen Busch erschienen.

Es verlautet, daß der Justizminister definitiv zurücktreten werde. Seinen vierteljährigen Gold ließ er sich freilich am 1. April prompt auszahlen. Man war mit Herrn Hassenpflug in Unterhandlung getreten, hat sich aber jetzt an den Abg. Wentzel (Ratibor) gewendet. Auch Graf Arnim soll beabsichtigen, auf seinen diplomatischen Lorbeeren auszuruhen. Wer aber seine glorreiche Stellung einnehmen soll, ist bis jetzt noch nicht bekannt.

Von dem berüchtigten Piersig ist jetzt der erste Band der "Mysterien der Demokratie" erschienen. Sie enthalten nichts, als die alten Erzählungen, durch die der geniale Hr. v. Mäusebach schon früher excellirte.

61 Breslau, 6. April.

Gestern wurde hier im demokratischen Hauptverein der Abgeordnete Stein empfangen.

Während die Verlesung einer Leipziger Adresse begonnen, tritt [unleserliches Material]als Stein herein; die Posaunen von Jericho werden beschämt, so stürmt es durch Hände, Kehlen und Biergläser, und nachdem offizielle Vorstellung und Verbeugung vorüber, beginnt Stein die Iliade der Spreeversammlung zu singen.

Der eilige Lorbeerpflücker sagte: "Wrangel hat uns noch nicht aufgelöst (Heiterkeit über den unglaublich-neuen Witz). Dies ist kein Scherz, meine Herrn! - - Gestern erlangten wir zuerst die Majorität (um sogleich davonzulaufen). Seit dem 26. Febr. (erst da!) habe ich die Ueberzeugung gewonnen (in der That germanisch-genial), daß das Ministerium sich an unser Mißtrauensvotum nicht stört." - Zum Stand der Parteien übergehend, bemerkt er: "Die Linke theilt sich in drei Fraktionen, die gemäßigtste wird von Kosch (als Linker ein sauberes Männlein) geleitet. In der Kaiser frage ist die früher schwarzweißeste Partei jetzt die deutschste, aber nicht aus Begeisterung für Deutschland, sondern allein für den König, geworden. - Die Linke, in der Höflichkeit immer vorangehend (ein naives Geständniß), hat die Frankfurter Kaiserdeputation unter der Bedingung, daß kein Jubel stattfinde, begrüßen wollen, aber die Rechte ist nicht darauf eingegangen (alle Rechten beantworten eure Höflichkeit mit Fußtritten, ihr lieben Hämmel). Der König war über den Kaiserantrag innerlich (Hr. Stein hat königliche Gemüthsstudien gemacht) sehr erfreut, die Antwort ist aus seiner Feder geflossen. Sie erbitterte die Rechte, wodurch Vinke's Adresse entstand. Seit 6 Wochen machen wir nun schon an der dritten Adresse, es ist unerhört. Aber daran ist die Geschäftsordnung schuld, die uns von der Rechten aufoctroyirt worden (hübsche Entschuldigung). - Schon freuten wir uns nun, daß der Konflikt unvermeidlich, da treten die Ferien ein, und Vinke bekommt über seinen Muth den Katzenjammer. Die Linke entschloß sich endlich zu einer motivirten Tagesordnung (Sie verräth den Muth des ehemaligen passiven Widerstandes), in welcher sowohl ein Mißtrauensvotum, als auch die Ansicht ausgesprochen ist, daß mit einer Adresse nichts genutzt werde. Man nahm aber weder die Adresse der Rechten, noch unsere Tagesordnung an, worauf immer ein Mitglied der Rechten und ein's der Linken abgereist ist; man nennt dies pauren. Die Kammer wird dadurch heute beschlußunfähig sein (ist überhaupt unfähig). Die Linke will die Einheit und Freiheit, nicht eine Deutschland von Rußland und Oestreich (warum sagt er nicht Preußen) aufoctroyirte Einheit ohne Freiheit. Die Dynastien wollen aus der Nationalversammlung wieder den alten Bundestag machen, um sich bei jeder knechtenden Maßregel wie früher damit entschuldigen zu können."

Auch die hiesige Bourgeoisie will, daß Kaiser-Homunkulus annehme, und entwirft zu dem Behufe eine Adresse. Die Bourgeoisie und der deutsch-verbourgeoisirte Feudalismus hören doch das ferne Kanonendröhnen, es wird ihnen unheimlich und sie werden sich darum in ihrer Angst an den apokalyptischen Kaiser-Homunkulus noch anklammern.

* Prag, 4. April.

Wir erwähnten kürzlich, daß gegen die Redakteure jener Journale, die den Aufruf des italienisch-slavischen Vereins in Turin mitgetheilt, der Kriminalprozeß eröffnet sei. Jetzt sind diese Redakteure, sogar verhaftet worden. Der Staatsanwalt hat auf Hochverrath geklagt und auf Grund seines Antrags sind heute früh die Redakteure der "Slovanska Lipa" des "Wecerni Lift," der "Concordia" und der "Const. Allgem. Ztg." ins Gefängniß gebracht und Einer von ihnen gegen Erlegung einer Caution wieder freigelassen worden.

105 Bruchsal, 5. April.

Die Sache Bornstedts und Ficklers soll endlich am 15. d. vor die Freiburger Bourgeois-Geschwornen gebracht werden, nachdem sich die Angeklagten bereits in zwölf monatlicher Untersuchungshaft (Bornstedt seit sieben Monaten in einsamem Zellengefängniß) befinden. Welche Gnade der liberalen Schurken in Karlsruhe und Frankfurt, welche vor einem Jahr noch in zweiten Kammern und auf Zweckfressen so liebevoll gegen die Immoralität der Präventivhaft und des langsamen Instruktionsverfahrens deklamirten! Die Gefangenen wurden während dieser ganzen Zeit auf das Bestialischste von ihren Kerkermeistern mißhandelt, so daß bei vorkommenden Streitigkeiten selbst die Soldaten der Gefängnißwache für sie in die Schranken traten. In den 200 Zellen, welche die politischen Opfer füllen, herrschen Brustkrankheit und Schwindsucht; vier der Gefangenen mußten auf ärztliche Erklärung entlassen werden; Egenter wurde nach 11 monatlicher Untersuchung als unschuldig in Freiheit gesetzt, und ist jetzt in Folge seiner Behandlung geistesschwach geworden; zwei andere sind im Kerker wahnsinnig geworden; einer (Jakob Kieß aus Weinheim) hat sich erhenkt, und doch, sollten Sie es glauben, zittern die Mörder noch vor diesem Prozeß! Nachdem die Geschworenen in Struve's Prozedur erklärt haben, daß der erste Freischaarenzug als Folge der ersten revolutionären Aufregung und demnach durch die Untersuchungshaft als bereits hinlänglich gebüßt anzusehen sei, glaubt man hier an vollständige Freisprechung. Zugleich aber heißt es, daß die Angeklagten in dem Prozeß wichtige Aufschlüsse geben würden, Fickler gegen den Polizisten Mathy, Bornstedt gegen einige Ex-Mitglieder der provisorischen Regierung Frankreichs wie gegen das "schwäbische Gelbveizlein," den elenden Herwegh der keinem einzigen der 350 Gefangenen der Pariser Legion, die Monate lang hier saßen, auch nur an eines Centimes Werth Unterstützung hat zukommen laßen. Ueber den Prozeß werde ich Ihnen s. Z. ausführlich berichten.

* Eckernforde, 5, April.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Flensburg, 5 April.

Unter diesem Datum melden schleswig-holsteinische Berichte, daß sich die Dänen von Gravenstein, wo sie etwa 7 Bataillone stark standen, nördlich zurückgezogen haben, nachdem sie zwischen Gravenstein und dem mehr östlich gelegenen Atzbull ein unbedeutendes Plänkelgefecht mit schleswig-holsteinischen Truppen eröffnet hatten. Von Apenrade und dem etwa eine Meile nordwestlich gelegenen Rothenkrug mußten sich dagegen die schleswig-holsteinischen Bataillone zurückziehen. "Dänische Patrouillen kamen in die Nähe der Stadt, und später setzten die Dänen Wachen in und bei Apenrade aus, ebneten eine kleine Schanze aus und pflanzten den Dannebrog auf. Später wurde das Feuer auf unsere Jäger gerichtet, welche weiter landeinwärts nach Süden zogen, und mehrere von ihnen verwundet. Aus Hadersleben und Apenrade und aus der Umgegend von Apenrade haben so starke Auswanderungen stattgefunden, daß es den Flüchtlingen fast schwer wird, hier ein Unterkommen zu finden. - Das Hauptquartier ist heute nördlich - wohl in die Gegend von Seegaard - verlegt."

(H. B. H.)
Frankfurt, 7. April.

Ritter Bunsen hat seine Stelle als Reichsgesandter in London niedergelegt.

* Frankfurt, 7. April.

Hr. Camphausen ist gestern Abend durch den Telegraphen nach Berlin beschieden worden, und heute Morgen dahin abgereist. Möge er berufen sein, um mit Herrn v. Vincke an die Spitze der preußischen Staatsgeschäfte zu treten, die in den Händen des jetzigen Ministeriums offenbar Deutschland's Wohlfahrt nicht zu fördern vermögen.

So schreibt die "Frankfurter D.-P.-A.-Z." Man sieht, der denkende Geschichtsfreund Camphausen kann den Moment nicht abwarten, von neuem "die Krone zu retten". Diesmal gedenkt er sich mit dem unbesiegbaren Finkenritter zu alliiren. Glück auf, "edler" v. Camphausen!

Die liberalen Blätter haben sich nie behaglicher gefühlt, als in diesem Augenblicke, wo sie ihr Polizistenhandwerk einen Augenblick in den Hintergrund treten lassen und sich wieder als Puritaner gebärden können.

20 Aus dem Reich.

Die Reichsbescheerung ist fertig bis auf's Ausputzen. Letzteres übernehmen unsre geliebten Landesväter gern. Am 21. März fiel ein dunkler Schlagschatten aus der Paulskirche und mißstimmte alle wahren Freunde der bis dahin so unvergleichlichen Reichs-Komik. Gerade mit des holden Lenzes astronomischem Anfang wandelte unsre Reichs-Froschmäusler die Laune an, uns den besten Frühlingsspaß zu verderben. Sie verwarfen nacheinander den Erbkaiser und den preußischen dazu, auch den 12-, 6-, 4-, 2-, 1jährigen etc. In der damaligen Stimmung hätten sie Alles verworfen: Pabst, Kaiser, König, Präsident etc., nur sich selbst nicht, da sie wohl wußten, wie verworfen sie seit lange waren. Glücklicherweise zerstreute sich bald der böse Märznobel, unter dessen Einfluß sie gestanden. Schon am 28. desselbigen Mondes setzten sie wieder die heitere Schellenkappe auf und verbreiteten neue Lust und neues Leben durch die Gauen des Reiches. Der Eckstein, den sie verworfen, wurde eiligst wieder hervorgesucht und dem großartigen Ban "teutscher Einheit und Machtfülle," wie er nur in den Tiefen solch' deutscher Männerbusen ersonnen werden kann, zum Grunde gelegt und von 290 schwarz-weiß angethanen Handlangern nach Kräften eingerammt. Ohne diesen Umschwung, ohne das rechtzeitige Besinnen und reuige Insichgehen der Paulskirchener Gesellschaft, war das Lustspiel wahrscheinlich verfehlt und der Geldbeutel der Reichskinder, auf dessen Kosten sich die Herren, vom "edlen" Gagern an bis zum unfundirten Beseler hinab, über 10 Monate lang bene thaten, hätte umsonst geblutet. Ja, es wäre die Möglichkeit vorhanden gewesen, daß die Froschteichler, freilich ohne ihre Schuld, noch einen Anschein von Ehre gerettet und mit diesem auseinander gegangen, oder gejagt worden wären. Es bedurfte durchaus der Kaiserfabrikation vom 28. März, um auch dem blödsichtigen Theile der Mit- und Nachwelt darüber Licht zu verschaffen, daß eine Lakaienschaar sich von Anfang bis Ende ihres Dienstes gleich bleibt. Das Sprichwort sagt: Ende gut, Alles gut! Demgemäß förderten die Reichs-Hebammen am 28 in der Person des hohenzollernschen "Gottbegnadeten" das Erbkaiserkindlein zur Welt und holten geschwind aus der wieder eröffneten Reichskleinodien-Kammer Krone, Scepter und Mantel hervor, die sie sorgfältig einpackten, mit "F. W. R. Potsdam, franco" signirten, und an den theuern Auserwählten abgehen ließen. Schachtel und Frachtbrief bekam Reichs-Kutscher Soiron zur Verwahrung. Damit nichts abhanden käme, suchte man 32 Biedermänner aus, die dem Reichs-Kutscher in etwaigen schwachen Augenblicken aufpassen hülfen, und hieß sie, vom rührendsten Segen aller Frankfurter Spießbürger und Judenmädel begleitet, sich aufmachen und hinziehen zum Schwager des heiligen Nikolaus und seinen ukermärkischen Granden.

Endlich gelangen sie nach Berlin. Den Unsinn mit dem Heraushängen deutscher Fahnen hatte sich Wrangel ernstlich verbeten. So was kann wohl zur Zeit eines Märzfiebers gestattet werden; da mag selbst der königliche Herr dreifarbigen Mummenschanz treiben, ohne im Geringsten in Belagerungs- oder einen andern Zustand erklärt zu werden. Aber im April 1849? Das wäre doch mehr als toll. Wrangel besitzt übrigens Lebensart und Bonhommie. Er ließ die Frankfurter herein, und das war gut.

Jetzt erhielten sie die Erlaubniß, sich zum königlichen Herrn zu begeben, was sie mit wahrem Reichsanstand thaten. Sie legten die deutsche Kaiserkrone nebst obligater Begleitungsrede zu den hohenzollernschen Füßen. Und der königliche Herr sah erbarmensvoll auf die armen Schächer vor sich herab, und erklärte ihnen, daß er in ihren Artikeln keine Geschäfte machen wolle, es sei denn, daß sie erst von den übrigen gottbegnadeten Herrn Vettern die Vertriebs- und Gewerbsscheine beibrachten. Er werde sich mit seinen Herrn Vettern ins Einvernehmen setzen, und wie diese wollten, so wolle auch Er; sie selbst könnten nun ruhig wieder nach Hause gehen.

Man sieht, der Mann war höflich: Er kann auch grob sein, wie das u. A. Bürgermeister Tschech empfunden. Wäre er diesmal grob gewesen, so hätte er den Froschteichlern direkt sagen müssen: "Wie, Ihre plebejischen Hände wagen mir eine Krone anzubieten, mit der Sie kurz zuvor auf's Abscheulichste umgegangen? Sie, die ich im Verein mit meinen Herrn Vettern von Anfang an nach der Pfeife "von Gottes Gnaden" habe tanzen lassen, Sie wollen jetzt als souveräne Fabrikanten und Verschenker von Kaiserkronen auftreten? Und Sie schwatzen vom Volk, in dessen Namen Sie kämen? A. d'autres! Machen Sie das Andern weiß, meine Herren!" Er war aber durch und durch höflich, und in gerechter Würdigung der schwachen Reichsseite dieser Herren Frankfurter, ließ er sie schließlich einladen und futterte sie aufs Beste ab, um nach dem Bibelspruch glühende Kohlen auf das Haupt seiner Feinde zu sammeln.

Wie Schulbuben, die für monatlange Dummheiten und Allotria endlich derbe Fingerklopfe vom gestrengen Magister erhalten haben:

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 268. Köln, Dienstag, 10. April. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Uebersicht.

Deutschland. Berlin. (Klatsch.) Breslau. (Stein im demokratischen Hauptverein. ‒ Die Bourgeoisie und der Kaiser.) Prag. (Verhaftungen.) Eckernförde. (Die dänische Fregatte.) Flensburg. (Beginn der Feindseligkeiten.) Frankfurt. (Ritter Bunsen. ‒ Camphausen nach Berlin) Bruchsaal. (Der Prozeß Bornstaedt) Aus dem Reich.

Ungarn. Oestreichisches Lamento.

Franz. Republik. Paris. (Die Contrerevolution im südlichen Frankreich. ‒ Das Programm der Bergpartei. ‒ Familie Barrot. ‒ Bürger Bugeaud. ‒ A. Gent. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung).

Italien. Genua. (Verhaftung des Stadtkommandanten und politische Lage von Genua). Livorno. (Kampf zwischen Volk und Militär in Genua). Rom. (Erneennung von Diktatoren). Neapel (Die letzten Vermittlungsversuche in Palermo).

Donaufürstenthümer. Jassy. (K. Nikolaus im Kirchengebet).

Deutschland.
* Berlin, 7. April.

Wir erfahren mit Bestimmtheit und aus sicherer Quelle, daß heute Vormittag in Charlottenburg ein Ministerrath statt fand, dem auch der Prinz von Preußen beiwohnte, in welchem man berieth, ob das Ministerium in seiner Gesammtheit zurücktreten solle oder ob es passender wäre die Auflösung der Kammer auszusprechen. Wir glauben indeß, daß man zu keinem Entschluß kommen konnte. Die Anarchie hat selbst im Kabinet Platz gefunden. Die Herren v. Manteuffel und Strotha befinden sich in offener Opposition gegen Brandenburg, Ladenberg und Arnim. Die ersteren Beiden z. B. hatten alles Mögliche angewendet, um dem König von einer Antwort an die Frankfurter Deputation abzurathen, welche alle Parteien gegen ihn aufregen mußte. Sie wurden im Kabinet überstimmt.

Man hatte viel darüber gefabelt, wer in Freienwalde die Rolle der Egeria gegen den modernen Ruma Pompilius spielte. Die besondern göttlichen Eingebungen, von denen Se. Majestät in der Antwort spricht, die das Herz frei und das Auge klar machen, erregten natürlich den Wahrheitsdurst gemüthloser Unterthanen. Aus sicherer Quelle erfahren wir nun, daß die außerordentlichen Gesandten, durch welche die göttliche Offenbarung mit dem Könige in Freienwalde verhandelte, Eichhorn und Thiele waren. Andere meinen freilich, Se. himmlische Majestät sei der irdischen, wie einst Moses im feurigen Busch erschienen.

Es verlautet, daß der Justizminister definitiv zurücktreten werde. Seinen vierteljährigen Gold ließ er sich freilich am 1. April prompt auszahlen. Man war mit Herrn Hassenpflug in Unterhandlung getreten, hat sich aber jetzt an den Abg. Wentzel (Ratibor) gewendet. Auch Graf Arnim soll beabsichtigen, auf seinen diplomatischen Lorbeeren auszuruhen. Wer aber seine glorreiche Stellung einnehmen soll, ist bis jetzt noch nicht bekannt.

Von dem berüchtigten Piersig ist jetzt der erste Band der „Mysterien der Demokratie“ erschienen. Sie enthalten nichts, als die alten Erzählungen, durch die der geniale Hr. v. Mäusebach schon früher excellirte.

61 Breslau, 6. April.

Gestern wurde hier im demokratischen Hauptverein der Abgeordnete Stein empfangen.

Während die Verlesung einer Leipziger Adresse begonnen, tritt [unleserliches Material]als Stein herein; die Posaunen von Jericho werden beschämt, so stürmt es durch Hände, Kehlen und Biergläser, und nachdem offizielle Vorstellung und Verbeugung vorüber, beginnt Stein die Iliade der Spreeversammlung zu singen.

Der eilige Lorbeerpflücker sagte: „Wrangel hat uns noch nicht aufgelöst (Heiterkeit über den unglaublich-neuen Witz). Dies ist kein Scherz, meine Herrn! ‒ ‒ Gestern erlangten wir zuerst die Majorität (um sogleich davonzulaufen). Seit dem 26. Febr. (erst da!) habe ich die Ueberzeugung gewonnen (in der That germanisch-genial), daß das Ministerium sich an unser Mißtrauensvotum nicht stört.“ ‒ Zum Stand der Parteien übergehend, bemerkt er: „Die Linke theilt sich in drei Fraktionen, die gemäßigtste wird von Kosch (als Linker ein sauberes Männlein) geleitet. In der Kaiser frage ist die früher schwarzweißeste Partei jetzt die deutschste, aber nicht aus Begeisterung für Deutschland, sondern allein für den König, geworden. ‒ Die Linke, in der Höflichkeit immer vorangehend (ein naives Geständniß), hat die Frankfurter Kaiserdeputation unter der Bedingung, daß kein Jubel stattfinde, begrüßen wollen, aber die Rechte ist nicht darauf eingegangen (alle Rechten beantworten eure Höflichkeit mit Fußtritten, ihr lieben Hämmel). Der König war über den Kaiserantrag innerlich (Hr. Stein hat königliche Gemüthsstudien gemacht) sehr erfreut, die Antwort ist aus seiner Feder geflossen. Sie erbitterte die Rechte, wodurch Vinke's Adresse entstand. Seit 6 Wochen machen wir nun schon an der dritten Adresse, es ist unerhört. Aber daran ist die Geschäftsordnung schuld, die uns von der Rechten aufoctroyirt worden (hübsche Entschuldigung). ‒ Schon freuten wir uns nun, daß der Konflikt unvermeidlich, da treten die Ferien ein, und Vinke bekommt über seinen Muth den Katzenjammer. Die Linke entschloß sich endlich zu einer motivirten Tagesordnung (Sie verräth den Muth des ehemaligen passiven Widerstandes), in welcher sowohl ein Mißtrauensvotum, als auch die Ansicht ausgesprochen ist, daß mit einer Adresse nichts genutzt werde. Man nahm aber weder die Adresse der Rechten, noch unsere Tagesordnung an, worauf immer ein Mitglied der Rechten und ein's der Linken abgereist ist; man nennt dies pauren. Die Kammer wird dadurch heute beschlußunfähig sein (ist überhaupt unfähig). Die Linke will die Einheit und Freiheit, nicht eine Deutschland von Rußland und Oestreich (warum sagt er nicht Preußen) aufoctroyirte Einheit ohne Freiheit. Die Dynastien wollen aus der Nationalversammlung wieder den alten Bundestag machen, um sich bei jeder knechtenden Maßregel wie früher damit entschuldigen zu können.“

Auch die hiesige Bourgeoisie will, daß Kaiser-Homunkulus annehme, und entwirft zu dem Behufe eine Adresse. Die Bourgeoisie und der deutsch-verbourgeoisirte Feudalismus hören doch das ferne Kanonendröhnen, es wird ihnen unheimlich und sie werden sich darum in ihrer Angst an den apokalyptischen Kaiser-Homunkulus noch anklammern.

* Prag, 4. April.

Wir erwähnten kürzlich, daß gegen die Redakteure jener Journale, die den Aufruf des italienisch-slavischen Vereins in Turin mitgetheilt, der Kriminalprozeß eröffnet sei. Jetzt sind diese Redakteure, sogar verhaftet worden. Der Staatsanwalt hat auf Hochverrath geklagt und auf Grund seines Antrags sind heute früh die Redakteure der „Slovanska Lipa“ des „Wecerni Lift,“ der „Concordia“ und der „Const. Allgem. Ztg.“ ins Gefängniß gebracht und Einer von ihnen gegen Erlegung einer Caution wieder freigelassen worden.

105 Bruchsal, 5. April.

Die Sache Bornstedts und Ficklers soll endlich am 15. d. vor die Freiburger Bourgeois-Geschwornen gebracht werden, nachdem sich die Angeklagten bereits in zwölf monatlicher Untersuchungshaft (Bornstedt seit sieben Monaten in einsamem Zellengefängniß) befinden. Welche Gnade der liberalen Schurken in Karlsruhe und Frankfurt, welche vor einem Jahr noch in zweiten Kammern und auf Zweckfressen so liebevoll gegen die Immoralität der Präventivhaft und des langsamen Instruktionsverfahrens deklamirten! Die Gefangenen wurden während dieser ganzen Zeit auf das Bestialischste von ihren Kerkermeistern mißhandelt, so daß bei vorkommenden Streitigkeiten selbst die Soldaten der Gefängnißwache für sie in die Schranken traten. In den 200 Zellen, welche die politischen Opfer füllen, herrschen Brustkrankheit und Schwindsucht; vier der Gefangenen mußten auf ärztliche Erklärung entlassen werden; Egenter wurde nach 11 monatlicher Untersuchung als unschuldig in Freiheit gesetzt, und ist jetzt in Folge seiner Behandlung geistesschwach geworden; zwei andere sind im Kerker wahnsinnig geworden; einer (Jakob Kieß aus Weinheim) hat sich erhenkt, und doch, sollten Sie es glauben, zittern die Mörder noch vor diesem Prozeß! Nachdem die Geschworenen in Struve's Prozedur erklärt haben, daß der erste Freischaarenzug als Folge der ersten revolutionären Aufregung und demnach durch die Untersuchungshaft als bereits hinlänglich gebüßt anzusehen sei, glaubt man hier an vollständige Freisprechung. Zugleich aber heißt es, daß die Angeklagten in dem Prozeß wichtige Aufschlüsse geben würden, Fickler gegen den Polizisten Mathy, Bornstedt gegen einige Ex-Mitglieder der provisorischen Regierung Frankreichs wie gegen das „schwäbische Gelbveizlein,“ den elenden Herwegh der keinem einzigen der 350 Gefangenen der Pariser Legion, die Monate lang hier saßen, auch nur an eines Centimes Werth Unterstützung hat zukommen laßen. Ueber den Prozeß werde ich Ihnen s. Z. ausführlich berichten.

* Eckernforde, 5, April.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Flensburg, 5 April.

Unter diesem Datum melden schleswig-holsteinische Berichte, daß sich die Dänen von Gravenstein, wo sie etwa 7 Bataillone stark standen, nördlich zurückgezogen haben, nachdem sie zwischen Gravenstein und dem mehr östlich gelegenen Atzbull ein unbedeutendes Plänkelgefecht mit schleswig-holsteinischen Truppen eröffnet hatten. Von Apenrade und dem etwa eine Meile nordwestlich gelegenen Rothenkrug mußten sich dagegen die schleswig-holsteinischen Bataillone zurückziehen. „Dänische Patrouillen kamen in die Nähe der Stadt, und später setzten die Dänen Wachen in und bei Apenrade aus, ebneten eine kleine Schanze aus und pflanzten den Dannebrog auf. Später wurde das Feuer auf unsere Jäger gerichtet, welche weiter landeinwärts nach Süden zogen, und mehrere von ihnen verwundet. Aus Hadersleben und Apenrade und aus der Umgegend von Apenrade haben so starke Auswanderungen stattgefunden, daß es den Flüchtlingen fast schwer wird, hier ein Unterkommen zu finden. ‒ Das Hauptquartier ist heute nördlich ‒ wohl in die Gegend von Seegaard ‒ verlegt.“

(H. B. H.)
Frankfurt, 7. April.

Ritter Bunsen hat seine Stelle als Reichsgesandter in London niedergelegt.

* Frankfurt, 7. April.

Hr. Camphausen ist gestern Abend durch den Telegraphen nach Berlin beschieden worden, und heute Morgen dahin abgereist. Möge er berufen sein, um mit Herrn v. Vincke an die Spitze der preußischen Staatsgeschäfte zu treten, die in den Händen des jetzigen Ministeriums offenbar Deutschland's Wohlfahrt nicht zu fördern vermögen.

So schreibt die „Frankfurter D.-P.-A.-Z.“ Man sieht, der denkende Geschichtsfreund Camphausen kann den Moment nicht abwarten, von neuem „die Krone zu retten“. Diesmal gedenkt er sich mit dem unbesiegbaren Finkenritter zu alliiren. Glück auf, „edler“ v. Camphausen!

Die liberalen Blätter haben sich nie behaglicher gefühlt, als in diesem Augenblicke, wo sie ihr Polizistenhandwerk einen Augenblick in den Hintergrund treten lassen und sich wieder als Puritaner gebärden können.

20 Aus dem Reich.

Die Reichsbescheerung ist fertig bis auf's Ausputzen. Letzteres übernehmen unsre geliebten Landesväter gern. Am 21. März fiel ein dunkler Schlagschatten aus der Paulskirche und mißstimmte alle wahren Freunde der bis dahin so unvergleichlichen Reichs-Komik. Gerade mit des holden Lenzes astronomischem Anfang wandelte unsre Reichs-Froschmäusler die Laune an, uns den besten Frühlingsspaß zu verderben. Sie verwarfen nacheinander den Erbkaiser und den preußischen dazu, auch den 12-, 6-, 4-, 2-, 1jährigen etc. In der damaligen Stimmung hätten sie Alles verworfen: Pabst, Kaiser, König, Präsident etc., nur sich selbst nicht, da sie wohl wußten, wie verworfen sie seit lange waren. Glücklicherweise zerstreute sich bald der böse Märznobel, unter dessen Einfluß sie gestanden. Schon am 28. desselbigen Mondes setzten sie wieder die heitere Schellenkappe auf und verbreiteten neue Lust und neues Leben durch die Gauen des Reiches. Der Eckstein, den sie verworfen, wurde eiligst wieder hervorgesucht und dem großartigen Ban „teutscher Einheit und Machtfülle,“ wie er nur in den Tiefen solch' deutscher Männerbusen ersonnen werden kann, zum Grunde gelegt und von 290 schwarz-weiß angethanen Handlangern nach Kräften eingerammt. Ohne diesen Umschwung, ohne das rechtzeitige Besinnen und reuige Insichgehen der Paulskirchener Gesellschaft, war das Lustspiel wahrscheinlich verfehlt und der Geldbeutel der Reichskinder, auf dessen Kosten sich die Herren, vom „edlen“ Gagern an bis zum unfundirten Beseler hinab, über 10 Monate lang bene thaten, hätte umsonst geblutet. Ja, es wäre die Möglichkeit vorhanden gewesen, daß die Froschteichler, freilich ohne ihre Schuld, noch einen Anschein von Ehre gerettet und mit diesem auseinander gegangen, oder gejagt worden wären. Es bedurfte durchaus der Kaiserfabrikation vom 28. März, um auch dem blödsichtigen Theile der Mit- und Nachwelt darüber Licht zu verschaffen, daß eine Lakaienschaar sich von Anfang bis Ende ihres Dienstes gleich bleibt. Das Sprichwort sagt: Ende gut, Alles gut! Demgemäß förderten die Reichs-Hebammen am 28 in der Person des hohenzollernschen „Gottbegnadeten“ das Erbkaiserkindlein zur Welt und holten geschwind aus der wieder eröffneten Reichskleinodien-Kammer Krone, Scepter und Mantel hervor, die sie sorgfältig einpackten, mit „F. W. R. Potsdam, franco“ signirten, und an den theuern Auserwählten abgehen ließen. Schachtel und Frachtbrief bekam Reichs-Kutscher Soiron zur Verwahrung. Damit nichts abhanden käme, suchte man 32 Biedermänner aus, die dem Reichs-Kutscher in etwaigen schwachen Augenblicken aufpassen hülfen, und hieß sie, vom rührendsten Segen aller Frankfurter Spießbürger und Judenmädel begleitet, sich aufmachen und hinziehen zum Schwager des heiligen Nikolaus und seinen ukermärkischen Granden.

Endlich gelangen sie nach Berlin. Den Unsinn mit dem Heraushängen deutscher Fahnen hatte sich Wrangel ernstlich verbeten. So was kann wohl zur Zeit eines Märzfiebers gestattet werden; da mag selbst der königliche Herr dreifarbigen Mummenschanz treiben, ohne im Geringsten in Belagerungs- oder einen andern Zustand erklärt zu werden. Aber im April 1849? Das wäre doch mehr als toll. Wrangel besitzt übrigens Lebensart und Bonhommie. Er ließ die Frankfurter herein, und das war gut.

Jetzt erhielten sie die Erlaubniß, sich zum königlichen Herrn zu begeben, was sie mit wahrem Reichsanstand thaten. Sie legten die deutsche Kaiserkrone nebst obligater Begleitungsrede zu den hohenzollernschen Füßen. Und der königliche Herr sah erbarmensvoll auf die armen Schächer vor sich herab, und erklärte ihnen, daß er in ihren Artikeln keine Geschäfte machen wolle, es sei denn, daß sie erst von den übrigen gottbegnadeten Herrn Vettern die Vertriebs- und Gewerbsscheine beibrachten. Er werde sich mit seinen Herrn Vettern ins Einvernehmen setzen, und wie diese wollten, so wolle auch Er; sie selbst könnten nun ruhig wieder nach Hause gehen.

Man sieht, der Mann war höflich: Er kann auch grob sein, wie das u. A. Bürgermeister Tschech empfunden. Wäre er diesmal grob gewesen, so hätte er den Froschteichlern direkt sagen müssen: „Wie, Ihre plebejischen Hände wagen mir eine Krone anzubieten, mit der Sie kurz zuvor auf's Abscheulichste umgegangen? Sie, die ich im Verein mit meinen Herrn Vettern von Anfang an nach der Pfeife „von Gottes Gnaden“ habe tanzen lassen, Sie wollen jetzt als souveräne Fabrikanten und Verschenker von Kaiserkronen auftreten? Und Sie schwatzen vom Volk, in dessen Namen Sie kämen? A. d'autres! Machen Sie das Andern weiß, meine Herren!“ Er war aber durch und durch höflich, und in gerechter Würdigung der schwachen Reichsseite dieser Herren Frankfurter, ließ er sie schließlich einladen und futterte sie aufs Beste ab, um nach dem Bibelspruch glühende Kohlen auf das Haupt seiner Feinde zu sammeln.

Wie Schulbuben, die für monatlange Dummheiten und Allotria endlich derbe Fingerklopfe vom gestrengen Magister erhalten haben:

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 268. Köln, Dienstag, <choice><sic>9</sic><corr>10</corr></choice>. April. 1849.</docDate>
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        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2012; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau.</p>
        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. &#x2012; Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. &#x2012; Nur frankirte Briefe werden angenommen. &#x2012; Expedition in Aachen bei <hi rendition="#g">Ernst ter Meer;</hi> in Düsseldorf bei F. W. <hi rendition="#g">Schmitz,</hi> Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Berlin. (Klatsch.) Breslau. (Stein im demokratischen Hauptverein. &#x2012; Die Bourgeoisie und der Kaiser.) Prag. (Verhaftungen.) Eckernförde. (Die dänische Fregatte.) Flensburg. (Beginn der Feindseligkeiten.) Frankfurt. (Ritter Bunsen. &#x2012; Camphausen nach Berlin) Bruchsaal. (Der Prozeß Bornstaedt) Aus dem Reich.</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> Oestreichisches Lamento.</p>
        <p><hi rendition="#g">Franz. Republik.</hi> Paris. (Die Contrerevolution im südlichen Frankreich. &#x2012; Das Programm der Bergpartei. &#x2012; Familie Barrot. &#x2012; Bürger Bugeaud. &#x2012; A. Gent. &#x2012; Vermischtes. &#x2012; National-Versammlung).</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Genua. (Verhaftung des Stadtkommandanten und politische Lage von Genua). Livorno. (Kampf zwischen Volk und Militär in Genua). Rom. (Erneennung von Diktatoren). Neapel (Die letzten Vermittlungsversuche in Palermo).</p>
        <p><hi rendition="#g">Donaufürstenthümer.</hi> Jassy. (K. Nikolaus im Kirchengebet).</p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar268_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 7. April.</head>
          <p>Wir erfahren mit Bestimmtheit und aus sicherer Quelle, daß heute Vormittag in Charlottenburg ein Ministerrath statt fand, dem auch der Prinz von Preußen beiwohnte, in welchem man berieth, ob das Ministerium in seiner Gesammtheit zurücktreten solle oder ob es passender wäre die Auflösung der Kammer auszusprechen. Wir glauben indeß, daß man zu keinem Entschluß kommen konnte. Die Anarchie hat selbst im Kabinet Platz gefunden. Die Herren v. Manteuffel und Strotha befinden sich in offener Opposition gegen Brandenburg, Ladenberg und Arnim. Die ersteren Beiden z. B. hatten alles Mögliche angewendet, um dem König von einer Antwort an die Frankfurter Deputation abzurathen, welche alle Parteien gegen ihn aufregen mußte. Sie wurden im Kabinet überstimmt.</p>
          <p>Man hatte viel darüber gefabelt, wer in Freienwalde die Rolle der Egeria gegen den modernen Ruma Pompilius spielte. Die besondern göttlichen Eingebungen, von denen Se. Majestät in der Antwort spricht, die das Herz frei und das Auge klar machen, erregten natürlich den Wahrheitsdurst gemüthloser Unterthanen. Aus sicherer Quelle erfahren wir nun, daß die außerordentlichen Gesandten, durch welche die göttliche Offenbarung mit dem Könige in Freienwalde verhandelte, <hi rendition="#g">Eichhorn</hi> und <hi rendition="#g">Thiele</hi> waren. Andere meinen freilich, Se. himmlische Majestät sei der irdischen, wie einst Moses im feurigen Busch erschienen.</p>
          <p>Es verlautet, daß der Justizminister definitiv zurücktreten werde. Seinen vierteljährigen Gold ließ er sich freilich am 1. April prompt auszahlen. Man war mit Herrn <hi rendition="#g">Hassenpflug</hi> in Unterhandlung getreten, hat sich aber jetzt an den Abg. <hi rendition="#g">Wentzel</hi> (Ratibor) gewendet. Auch Graf <hi rendition="#g">Arnim</hi> soll beabsichtigen, auf seinen diplomatischen Lorbeeren auszuruhen. Wer aber seine glorreiche Stellung einnehmen soll, ist bis jetzt noch nicht bekannt.</p>
          <p>Von dem berüchtigten <hi rendition="#g">Piersig</hi> ist jetzt der erste Band der &#x201E;Mysterien der Demokratie&#x201C; erschienen. Sie enthalten nichts, als die alten Erzählungen, durch die der geniale Hr. v. Mäusebach schon früher excellirte.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar268_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Breslau, 6. April.</head>
          <p>Gestern wurde hier im demokratischen Hauptverein der Abgeordnete Stein empfangen.</p>
          <p>Während die Verlesung einer Leipziger Adresse begonnen, tritt <gap reason="illegible"/>
als <hi rendition="#g">Stein</hi> herein; die Posaunen von Jericho werden beschämt, so stürmt es durch Hände, Kehlen und Biergläser, und nachdem <hi rendition="#g">offizielle</hi> Vorstellung und Verbeugung vorüber, beginnt <hi rendition="#g">Stein</hi> die Iliade der Spreeversammlung zu singen.</p>
          <p>Der eilige Lorbeerpflücker sagte: &#x201E;Wrangel hat uns noch nicht aufgelöst (Heiterkeit über den unglaublich-neuen Witz). Dies ist kein Scherz, meine Herrn! &#x2012; &#x2012; Gestern erlangten wir zuerst die Majorität (um sogleich davonzulaufen). Seit dem 26. Febr. (erst da!) habe ich die Ueberzeugung gewonnen (in der That germanisch-genial), daß das Ministerium sich an unser Mißtrauensvotum nicht stört.&#x201C; &#x2012; Zum Stand der Parteien übergehend, bemerkt er: &#x201E;Die Linke theilt sich in drei Fraktionen, die gemäßigtste wird von Kosch (als Linker ein sauberes Männlein) geleitet. In der Kaiser <hi rendition="#g">frage</hi> ist die früher schwarzweißeste Partei jetzt die deutschste, aber nicht aus Begeisterung für Deutschland, sondern allein für den König, geworden. &#x2012; Die Linke, in der Höflichkeit immer vorangehend (ein naives Geständniß), hat die Frankfurter Kaiserdeputation unter der Bedingung, daß kein Jubel stattfinde, begrüßen wollen, aber die Rechte ist nicht darauf eingegangen (alle Rechten beantworten eure Höflichkeit mit Fußtritten, ihr lieben Hämmel). Der König war über den Kaiserantrag <hi rendition="#g">innerlich</hi> (Hr. Stein hat königliche Gemüthsstudien gemacht) sehr erfreut, die Antwort ist aus seiner Feder geflossen. Sie erbitterte die Rechte, wodurch Vinke's Adresse entstand. Seit 6 Wochen machen wir nun schon an der dritten Adresse, es ist unerhört. Aber daran ist die Geschäftsordnung schuld, die uns von der Rechten aufoctroyirt worden (hübsche Entschuldigung). &#x2012; Schon freuten wir uns nun, daß der Konflikt unvermeidlich, da treten die Ferien ein, und Vinke bekommt über seinen Muth den Katzenjammer. Die Linke entschloß sich endlich zu einer motivirten Tagesordnung (Sie verräth den Muth des ehemaligen passiven Widerstandes), in welcher sowohl ein Mißtrauensvotum, als auch die Ansicht ausgesprochen ist, daß mit einer Adresse nichts genutzt werde. Man nahm aber weder die Adresse der Rechten, noch unsere Tagesordnung an, worauf immer ein Mitglied der Rechten und ein's der Linken abgereist ist; man nennt dies <hi rendition="#g">pauren.</hi> Die Kammer wird dadurch heute beschlußunfähig sein (ist überhaupt <hi rendition="#g">unfähig</hi>). Die Linke will die Einheit und Freiheit, nicht eine Deutschland von <hi rendition="#g">Rußland</hi> und Oestreich (warum sagt er nicht <hi rendition="#g">Preußen</hi>) aufoctroyirte Einheit ohne Freiheit. Die Dynastien wollen aus der Nationalversammlung wieder den alten Bundestag machen, um sich bei jeder knechtenden Maßregel wie früher damit entschuldigen zu können.&#x201C;</p>
          <p>Auch die hiesige Bourgeoisie will, daß Kaiser-Homunkulus annehme, und entwirft zu dem Behufe eine Adresse. Die Bourgeoisie und der deutsch-verbourgeoisirte Feudalismus hören doch das ferne Kanonendröhnen, es wird ihnen unheimlich und sie werden sich darum in ihrer Angst an den apokalyptischen Kaiser-Homunkulus noch anklammern.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar268_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl>Prag, 4. April.</head>
          <p>Wir erwähnten kürzlich, daß gegen die Redakteure jener Journale, die den Aufruf des italienisch-slavischen Vereins in Turin mitgetheilt, der Kriminalprozeß eröffnet sei. Jetzt sind diese Redakteure, sogar verhaftet worden. Der Staatsanwalt hat auf <hi rendition="#g">Hochverrath</hi> geklagt und auf Grund seines Antrags sind heute früh die Redakteure der &#x201E;Slovanska Lipa&#x201C; des &#x201E;Wecerni Lift,&#x201C; der &#x201E;Concordia&#x201C; und der &#x201E;Const. Allgem. Ztg.&#x201C; ins Gefängniß gebracht und Einer von ihnen gegen Erlegung einer Caution wieder freigelassen worden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar268_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>105</author></bibl> Bruchsal, 5. April.</head>
          <p>Die Sache Bornstedts und Ficklers soll endlich am 15. d. vor die Freiburger Bourgeois-Geschwornen gebracht werden, nachdem sich die Angeklagten bereits in <hi rendition="#g">zwölf monatlicher Untersuchungshaft</hi> (Bornstedt seit <hi rendition="#g">sieben Monaten in einsamem Zellengefängniß)</hi> befinden. Welche Gnade der liberalen Schurken in Karlsruhe und Frankfurt, welche vor einem Jahr noch in zweiten Kammern und auf Zweckfressen so liebevoll gegen die Immoralität der Präventivhaft und des langsamen Instruktionsverfahrens deklamirten! Die Gefangenen wurden während dieser ganzen Zeit auf das Bestialischste von ihren Kerkermeistern mißhandelt, so daß bei vorkommenden Streitigkeiten selbst die Soldaten der Gefängnißwache für sie in die Schranken traten. In den 200 Zellen, welche die politischen Opfer füllen, herrschen Brustkrankheit und Schwindsucht; vier der Gefangenen mußten auf ärztliche Erklärung entlassen werden; Egenter wurde nach 11 monatlicher Untersuchung als <hi rendition="#g">unschuldig</hi> in Freiheit gesetzt, und ist jetzt in Folge seiner Behandlung <hi rendition="#g">geistesschwach</hi> geworden; zwei andere sind im Kerker wahnsinnig geworden; einer (Jakob Kieß aus Weinheim) hat sich erhenkt, und doch, sollten Sie es glauben, zittern die Mörder noch vor diesem Prozeß! Nachdem die Geschworenen in Struve's Prozedur erklärt haben, daß der erste Freischaarenzug als Folge der ersten revolutionären Aufregung und demnach durch die Untersuchungshaft als bereits hinlänglich gebüßt anzusehen sei, glaubt man hier an vollständige Freisprechung. Zugleich aber heißt es, daß die Angeklagten in dem Prozeß wichtige Aufschlüsse geben würden, Fickler gegen den Polizisten Mathy, Bornstedt gegen einige Ex-Mitglieder der provisorischen Regierung Frankreichs wie gegen das &#x201E;schwäbische Gelbveizlein,&#x201C; den elenden Herwegh der keinem einzigen der 350 Gefangenen der Pariser Legion, die Monate lang hier saßen, auch nur an eines Centimes Werth Unterstützung hat zukommen laßen. Ueber den Prozeß werde ich Ihnen s. Z. ausführlich berichten.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar268_005_c" type="jArticle">
          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Die dänische Fregatte, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/9.         </bibl>                </note>
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Eckernforde, 5, April.</head>
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        </div>
        <div xml:id="ar268_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Flensburg, 5 April.</head>
          <p>Unter diesem Datum melden schleswig-holsteinische Berichte, daß sich die Dänen von Gravenstein, wo sie etwa 7 Bataillone stark standen, nördlich zurückgezogen haben, nachdem sie zwischen Gravenstein und dem mehr östlich gelegenen Atzbull ein unbedeutendes Plänkelgefecht mit schleswig-holsteinischen Truppen eröffnet hatten. Von Apenrade und dem etwa eine Meile nordwestlich gelegenen Rothenkrug mußten sich dagegen die schleswig-holsteinischen Bataillone zurückziehen. &#x201E;Dänische Patrouillen kamen in die Nähe der Stadt, und später setzten die Dänen Wachen in und bei Apenrade aus, ebneten eine kleine Schanze aus und pflanzten den Dannebrog auf. Später wurde das Feuer auf unsere Jäger gerichtet, welche weiter landeinwärts nach Süden zogen, und mehrere von ihnen verwundet. Aus Hadersleben und Apenrade und aus der Umgegend von Apenrade haben so starke Auswanderungen stattgefunden, daß es den Flüchtlingen fast schwer wird, hier ein Unterkommen zu finden. &#x2012; Das Hauptquartier ist heute nördlich &#x2012; wohl in die Gegend von Seegaard &#x2012; verlegt.&#x201C;</p>
          <bibl>(H. B. H.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar268_007" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 7. April.</head>
          <p>Ritter Bunsen hat seine Stelle als Reichsgesandter in London niedergelegt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar268_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt, 7. April.</head>
          <p>Hr. Camphausen ist gestern Abend durch den Telegraphen nach Berlin beschieden worden, und heute Morgen dahin abgereist. Möge er berufen sein, um mit Herrn v. Vincke an die Spitze der preußischen Staatsgeschäfte zu treten, die in den Händen des jetzigen Ministeriums offenbar Deutschland's Wohlfahrt nicht zu fördern vermögen.</p>
          <p>So schreibt die &#x201E;Frankfurter D.-P.-A.-Z.&#x201C; Man sieht, der denkende Geschichtsfreund Camphausen kann den Moment nicht abwarten, von neuem &#x201E;die Krone zu retten&#x201C;. Diesmal gedenkt er sich mit dem unbesiegbaren Finkenritter zu alliiren. Glück auf, &#x201E;edler&#x201C; v. Camphausen!</p>
          <p>Die liberalen Blätter haben sich nie behaglicher gefühlt, als in diesem Augenblicke, wo sie ihr Polizistenhandwerk einen Augenblick in den Hintergrund treten lassen und sich wieder als Puritaner gebärden können.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar268_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>20</author></bibl>Aus dem Reich.</head>
          <p>Die Reichsbescheerung ist fertig bis auf's Ausputzen. Letzteres übernehmen unsre geliebten Landesväter gern. Am 21. März fiel ein dunkler Schlagschatten aus der Paulskirche und mißstimmte alle wahren Freunde der bis dahin so unvergleichlichen Reichs-Komik. Gerade mit des holden Lenzes astronomischem Anfang wandelte unsre Reichs-Froschmäusler die Laune an, uns den besten Frühlingsspaß zu verderben. Sie verwarfen nacheinander den Erbkaiser und den preußischen dazu, auch den 12-, 6-, 4-, 2-, 1jährigen etc. In der damaligen Stimmung hätten sie Alles verworfen: Pabst, Kaiser, König, Präsident etc., nur sich selbst nicht, da sie wohl wußten, wie verworfen sie seit lange waren. Glücklicherweise zerstreute sich bald der böse Märznobel, unter dessen Einfluß sie gestanden. Schon am 28. desselbigen Mondes setzten sie wieder die heitere Schellenkappe auf und verbreiteten neue Lust und neues Leben durch die Gauen des Reiches. Der Eckstein, den sie verworfen, wurde eiligst wieder hervorgesucht und dem großartigen Ban &#x201E;teutscher Einheit und Machtfülle,&#x201C; wie er nur in den Tiefen solch' deutscher Männerbusen ersonnen werden kann, zum Grunde gelegt und von 290 schwarz-weiß angethanen Handlangern nach Kräften eingerammt. Ohne diesen Umschwung, ohne das rechtzeitige Besinnen und reuige Insichgehen der Paulskirchener Gesellschaft, war das Lustspiel wahrscheinlich verfehlt und der Geldbeutel der Reichskinder, auf dessen Kosten sich die Herren, vom &#x201E;edlen&#x201C; Gagern an bis zum unfundirten Beseler hinab, über 10 Monate lang bene thaten, hätte umsonst geblutet. Ja, es wäre die Möglichkeit vorhanden gewesen, daß die Froschteichler, freilich ohne ihre Schuld, noch einen Anschein von Ehre gerettet und mit diesem auseinander gegangen, oder gejagt worden wären. Es bedurfte durchaus der Kaiserfabrikation vom 28. März, um auch dem blödsichtigen Theile der Mit- und Nachwelt darüber Licht zu verschaffen, daß eine Lakaienschaar sich von Anfang bis Ende ihres Dienstes gleich bleibt. Das Sprichwort sagt: Ende gut, Alles gut! Demgemäß förderten die Reichs-Hebammen am 28 in der Person des hohenzollernschen &#x201E;Gottbegnadeten&#x201C; das Erbkaiserkindlein zur Welt und holten geschwind aus der wieder eröffneten Reichskleinodien-Kammer Krone, Scepter und Mantel hervor, die sie sorgfältig einpackten, mit &#x201E;F. W. R. Potsdam, franco&#x201C; signirten, und an den theuern Auserwählten abgehen ließen. Schachtel und Frachtbrief bekam Reichs-Kutscher Soiron zur Verwahrung. Damit nichts abhanden käme, suchte man 32 Biedermänner aus, die dem Reichs-Kutscher in etwaigen schwachen Augenblicken aufpassen hülfen, und hieß sie, vom rührendsten Segen aller Frankfurter Spießbürger und Judenmädel begleitet, sich aufmachen und hinziehen zum Schwager des heiligen Nikolaus und seinen ukermärkischen Granden.</p>
          <p>Endlich gelangen sie nach Berlin. Den Unsinn mit dem Heraushängen deutscher Fahnen hatte sich Wrangel ernstlich verbeten. So was kann wohl zur Zeit eines Märzfiebers gestattet werden; da mag selbst der königliche Herr dreifarbigen Mummenschanz treiben, ohne im Geringsten in Belagerungs- oder einen andern Zustand erklärt zu werden. Aber im April 1849? Das wäre doch mehr als toll. Wrangel besitzt übrigens Lebensart und Bonhommie. Er ließ die Frankfurter herein, und das war gut.</p>
          <p>Jetzt erhielten sie die Erlaubniß, sich zum königlichen Herrn zu begeben, was sie mit wahrem Reichsanstand thaten. Sie legten die deutsche Kaiserkrone nebst obligater Begleitungsrede zu den hohenzollernschen Füßen. Und der königliche Herr sah erbarmensvoll auf die armen Schächer vor sich herab, und erklärte ihnen, daß er in ihren Artikeln keine Geschäfte machen wolle, es sei denn, daß sie erst von den übrigen gottbegnadeten Herrn Vettern die Vertriebs- und Gewerbsscheine beibrachten. Er werde sich mit seinen Herrn Vettern ins Einvernehmen setzen, und wie diese wollten, so wolle auch Er; sie selbst könnten nun ruhig wieder nach Hause gehen.</p>
          <p>Man sieht, der Mann war höflich: Er kann auch grob sein, wie das u. A. Bürgermeister Tschech empfunden. Wäre er diesmal grob gewesen, so hätte er den Froschteichlern direkt sagen müssen: &#x201E;Wie, Ihre plebejischen Hände wagen mir eine Krone anzubieten, mit der Sie kurz zuvor auf's Abscheulichste umgegangen? Sie, die ich im Verein mit meinen Herrn Vettern von Anfang an nach der Pfeife &#x201E;von Gottes Gnaden&#x201C; habe tanzen lassen, Sie wollen jetzt als souveräne Fabrikanten und Verschenker von Kaiserkronen auftreten? Und Sie schwatzen vom Volk, in dessen Namen Sie kämen? A. d'autres! Machen Sie das Andern weiß, meine Herren!&#x201C; Er war aber durch und durch höflich, und in gerechter Würdigung der schwachen Reichsseite dieser Herren Frankfurter, ließ er sie schließlich einladen und futterte sie aufs Beste ab, um nach dem Bibelspruch glühende Kohlen auf das Haupt seiner Feinde zu sammeln.</p>
          <p>Wie Schulbuben, die für monatlange Dummheiten und Allotria endlich derbe Fingerklopfe vom gestrengen Magister erhalten haben:
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        </div>
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[1513/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 268. Köln, Dienstag, 10. April. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rcusseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Berlin. (Klatsch.) Breslau. (Stein im demokratischen Hauptverein. ‒ Die Bourgeoisie und der Kaiser.) Prag. (Verhaftungen.) Eckernförde. (Die dänische Fregatte.) Flensburg. (Beginn der Feindseligkeiten.) Frankfurt. (Ritter Bunsen. ‒ Camphausen nach Berlin) Bruchsaal. (Der Prozeß Bornstaedt) Aus dem Reich. Ungarn. Oestreichisches Lamento. Franz. Republik. Paris. (Die Contrerevolution im südlichen Frankreich. ‒ Das Programm der Bergpartei. ‒ Familie Barrot. ‒ Bürger Bugeaud. ‒ A. Gent. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung). Italien. Genua. (Verhaftung des Stadtkommandanten und politische Lage von Genua). Livorno. (Kampf zwischen Volk und Militär in Genua). Rom. (Erneennung von Diktatoren). Neapel (Die letzten Vermittlungsversuche in Palermo). Donaufürstenthümer. Jassy. (K. Nikolaus im Kirchengebet). Deutschland. * Berlin, 7. April. Wir erfahren mit Bestimmtheit und aus sicherer Quelle, daß heute Vormittag in Charlottenburg ein Ministerrath statt fand, dem auch der Prinz von Preußen beiwohnte, in welchem man berieth, ob das Ministerium in seiner Gesammtheit zurücktreten solle oder ob es passender wäre die Auflösung der Kammer auszusprechen. Wir glauben indeß, daß man zu keinem Entschluß kommen konnte. Die Anarchie hat selbst im Kabinet Platz gefunden. Die Herren v. Manteuffel und Strotha befinden sich in offener Opposition gegen Brandenburg, Ladenberg und Arnim. Die ersteren Beiden z. B. hatten alles Mögliche angewendet, um dem König von einer Antwort an die Frankfurter Deputation abzurathen, welche alle Parteien gegen ihn aufregen mußte. Sie wurden im Kabinet überstimmt. Man hatte viel darüber gefabelt, wer in Freienwalde die Rolle der Egeria gegen den modernen Ruma Pompilius spielte. Die besondern göttlichen Eingebungen, von denen Se. Majestät in der Antwort spricht, die das Herz frei und das Auge klar machen, erregten natürlich den Wahrheitsdurst gemüthloser Unterthanen. Aus sicherer Quelle erfahren wir nun, daß die außerordentlichen Gesandten, durch welche die göttliche Offenbarung mit dem Könige in Freienwalde verhandelte, Eichhorn und Thiele waren. Andere meinen freilich, Se. himmlische Majestät sei der irdischen, wie einst Moses im feurigen Busch erschienen. Es verlautet, daß der Justizminister definitiv zurücktreten werde. Seinen vierteljährigen Gold ließ er sich freilich am 1. April prompt auszahlen. Man war mit Herrn Hassenpflug in Unterhandlung getreten, hat sich aber jetzt an den Abg. Wentzel (Ratibor) gewendet. Auch Graf Arnim soll beabsichtigen, auf seinen diplomatischen Lorbeeren auszuruhen. Wer aber seine glorreiche Stellung einnehmen soll, ist bis jetzt noch nicht bekannt. Von dem berüchtigten Piersig ist jetzt der erste Band der „Mysterien der Demokratie“ erschienen. Sie enthalten nichts, als die alten Erzählungen, durch die der geniale Hr. v. Mäusebach schon früher excellirte. 61 Breslau, 6. April. Gestern wurde hier im demokratischen Hauptverein der Abgeordnete Stein empfangen. Während die Verlesung einer Leipziger Adresse begonnen, tritt _ als Stein herein; die Posaunen von Jericho werden beschämt, so stürmt es durch Hände, Kehlen und Biergläser, und nachdem offizielle Vorstellung und Verbeugung vorüber, beginnt Stein die Iliade der Spreeversammlung zu singen. Der eilige Lorbeerpflücker sagte: „Wrangel hat uns noch nicht aufgelöst (Heiterkeit über den unglaublich-neuen Witz). Dies ist kein Scherz, meine Herrn! ‒ ‒ Gestern erlangten wir zuerst die Majorität (um sogleich davonzulaufen). Seit dem 26. Febr. (erst da!) habe ich die Ueberzeugung gewonnen (in der That germanisch-genial), daß das Ministerium sich an unser Mißtrauensvotum nicht stört.“ ‒ Zum Stand der Parteien übergehend, bemerkt er: „Die Linke theilt sich in drei Fraktionen, die gemäßigtste wird von Kosch (als Linker ein sauberes Männlein) geleitet. In der Kaiser frage ist die früher schwarzweißeste Partei jetzt die deutschste, aber nicht aus Begeisterung für Deutschland, sondern allein für den König, geworden. ‒ Die Linke, in der Höflichkeit immer vorangehend (ein naives Geständniß), hat die Frankfurter Kaiserdeputation unter der Bedingung, daß kein Jubel stattfinde, begrüßen wollen, aber die Rechte ist nicht darauf eingegangen (alle Rechten beantworten eure Höflichkeit mit Fußtritten, ihr lieben Hämmel). Der König war über den Kaiserantrag innerlich (Hr. Stein hat königliche Gemüthsstudien gemacht) sehr erfreut, die Antwort ist aus seiner Feder geflossen. Sie erbitterte die Rechte, wodurch Vinke's Adresse entstand. Seit 6 Wochen machen wir nun schon an der dritten Adresse, es ist unerhört. Aber daran ist die Geschäftsordnung schuld, die uns von der Rechten aufoctroyirt worden (hübsche Entschuldigung). ‒ Schon freuten wir uns nun, daß der Konflikt unvermeidlich, da treten die Ferien ein, und Vinke bekommt über seinen Muth den Katzenjammer. Die Linke entschloß sich endlich zu einer motivirten Tagesordnung (Sie verräth den Muth des ehemaligen passiven Widerstandes), in welcher sowohl ein Mißtrauensvotum, als auch die Ansicht ausgesprochen ist, daß mit einer Adresse nichts genutzt werde. Man nahm aber weder die Adresse der Rechten, noch unsere Tagesordnung an, worauf immer ein Mitglied der Rechten und ein's der Linken abgereist ist; man nennt dies pauren. Die Kammer wird dadurch heute beschlußunfähig sein (ist überhaupt unfähig). Die Linke will die Einheit und Freiheit, nicht eine Deutschland von Rußland und Oestreich (warum sagt er nicht Preußen) aufoctroyirte Einheit ohne Freiheit. Die Dynastien wollen aus der Nationalversammlung wieder den alten Bundestag machen, um sich bei jeder knechtenden Maßregel wie früher damit entschuldigen zu können.“ Auch die hiesige Bourgeoisie will, daß Kaiser-Homunkulus annehme, und entwirft zu dem Behufe eine Adresse. Die Bourgeoisie und der deutsch-verbourgeoisirte Feudalismus hören doch das ferne Kanonendröhnen, es wird ihnen unheimlich und sie werden sich darum in ihrer Angst an den apokalyptischen Kaiser-Homunkulus noch anklammern. * Prag, 4. April. Wir erwähnten kürzlich, daß gegen die Redakteure jener Journale, die den Aufruf des italienisch-slavischen Vereins in Turin mitgetheilt, der Kriminalprozeß eröffnet sei. Jetzt sind diese Redakteure, sogar verhaftet worden. Der Staatsanwalt hat auf Hochverrath geklagt und auf Grund seines Antrags sind heute früh die Redakteure der „Slovanska Lipa“ des „Wecerni Lift,“ der „Concordia“ und der „Const. Allgem. Ztg.“ ins Gefängniß gebracht und Einer von ihnen gegen Erlegung einer Caution wieder freigelassen worden. 105 Bruchsal, 5. April. Die Sache Bornstedts und Ficklers soll endlich am 15. d. vor die Freiburger Bourgeois-Geschwornen gebracht werden, nachdem sich die Angeklagten bereits in zwölf monatlicher Untersuchungshaft (Bornstedt seit sieben Monaten in einsamem Zellengefängniß) befinden. Welche Gnade der liberalen Schurken in Karlsruhe und Frankfurt, welche vor einem Jahr noch in zweiten Kammern und auf Zweckfressen so liebevoll gegen die Immoralität der Präventivhaft und des langsamen Instruktionsverfahrens deklamirten! Die Gefangenen wurden während dieser ganzen Zeit auf das Bestialischste von ihren Kerkermeistern mißhandelt, so daß bei vorkommenden Streitigkeiten selbst die Soldaten der Gefängnißwache für sie in die Schranken traten. In den 200 Zellen, welche die politischen Opfer füllen, herrschen Brustkrankheit und Schwindsucht; vier der Gefangenen mußten auf ärztliche Erklärung entlassen werden; Egenter wurde nach 11 monatlicher Untersuchung als unschuldig in Freiheit gesetzt, und ist jetzt in Folge seiner Behandlung geistesschwach geworden; zwei andere sind im Kerker wahnsinnig geworden; einer (Jakob Kieß aus Weinheim) hat sich erhenkt, und doch, sollten Sie es glauben, zittern die Mörder noch vor diesem Prozeß! Nachdem die Geschworenen in Struve's Prozedur erklärt haben, daß der erste Freischaarenzug als Folge der ersten revolutionären Aufregung und demnach durch die Untersuchungshaft als bereits hinlänglich gebüßt anzusehen sei, glaubt man hier an vollständige Freisprechung. Zugleich aber heißt es, daß die Angeklagten in dem Prozeß wichtige Aufschlüsse geben würden, Fickler gegen den Polizisten Mathy, Bornstedt gegen einige Ex-Mitglieder der provisorischen Regierung Frankreichs wie gegen das „schwäbische Gelbveizlein,“ den elenden Herwegh der keinem einzigen der 350 Gefangenen der Pariser Legion, die Monate lang hier saßen, auch nur an eines Centimes Werth Unterstützung hat zukommen laßen. Ueber den Prozeß werde ich Ihnen s. Z. ausführlich berichten. * Eckernforde, 5, April. _ * Flensburg, 5 April. Unter diesem Datum melden schleswig-holsteinische Berichte, daß sich die Dänen von Gravenstein, wo sie etwa 7 Bataillone stark standen, nördlich zurückgezogen haben, nachdem sie zwischen Gravenstein und dem mehr östlich gelegenen Atzbull ein unbedeutendes Plänkelgefecht mit schleswig-holsteinischen Truppen eröffnet hatten. Von Apenrade und dem etwa eine Meile nordwestlich gelegenen Rothenkrug mußten sich dagegen die schleswig-holsteinischen Bataillone zurückziehen. „Dänische Patrouillen kamen in die Nähe der Stadt, und später setzten die Dänen Wachen in und bei Apenrade aus, ebneten eine kleine Schanze aus und pflanzten den Dannebrog auf. Später wurde das Feuer auf unsere Jäger gerichtet, welche weiter landeinwärts nach Süden zogen, und mehrere von ihnen verwundet. Aus Hadersleben und Apenrade und aus der Umgegend von Apenrade haben so starke Auswanderungen stattgefunden, daß es den Flüchtlingen fast schwer wird, hier ein Unterkommen zu finden. ‒ Das Hauptquartier ist heute nördlich ‒ wohl in die Gegend von Seegaard ‒ verlegt.“ (H. B. H.) Frankfurt, 7. April. Ritter Bunsen hat seine Stelle als Reichsgesandter in London niedergelegt. * Frankfurt, 7. April. Hr. Camphausen ist gestern Abend durch den Telegraphen nach Berlin beschieden worden, und heute Morgen dahin abgereist. Möge er berufen sein, um mit Herrn v. Vincke an die Spitze der preußischen Staatsgeschäfte zu treten, die in den Händen des jetzigen Ministeriums offenbar Deutschland's Wohlfahrt nicht zu fördern vermögen. So schreibt die „Frankfurter D.-P.-A.-Z.“ Man sieht, der denkende Geschichtsfreund Camphausen kann den Moment nicht abwarten, von neuem „die Krone zu retten“. Diesmal gedenkt er sich mit dem unbesiegbaren Finkenritter zu alliiren. Glück auf, „edler“ v. Camphausen! Die liberalen Blätter haben sich nie behaglicher gefühlt, als in diesem Augenblicke, wo sie ihr Polizistenhandwerk einen Augenblick in den Hintergrund treten lassen und sich wieder als Puritaner gebärden können. 20 Aus dem Reich. Die Reichsbescheerung ist fertig bis auf's Ausputzen. Letzteres übernehmen unsre geliebten Landesväter gern. Am 21. März fiel ein dunkler Schlagschatten aus der Paulskirche und mißstimmte alle wahren Freunde der bis dahin so unvergleichlichen Reichs-Komik. Gerade mit des holden Lenzes astronomischem Anfang wandelte unsre Reichs-Froschmäusler die Laune an, uns den besten Frühlingsspaß zu verderben. Sie verwarfen nacheinander den Erbkaiser und den preußischen dazu, auch den 12-, 6-, 4-, 2-, 1jährigen etc. In der damaligen Stimmung hätten sie Alles verworfen: Pabst, Kaiser, König, Präsident etc., nur sich selbst nicht, da sie wohl wußten, wie verworfen sie seit lange waren. Glücklicherweise zerstreute sich bald der böse Märznobel, unter dessen Einfluß sie gestanden. Schon am 28. desselbigen Mondes setzten sie wieder die heitere Schellenkappe auf und verbreiteten neue Lust und neues Leben durch die Gauen des Reiches. Der Eckstein, den sie verworfen, wurde eiligst wieder hervorgesucht und dem großartigen Ban „teutscher Einheit und Machtfülle,“ wie er nur in den Tiefen solch' deutscher Männerbusen ersonnen werden kann, zum Grunde gelegt und von 290 schwarz-weiß angethanen Handlangern nach Kräften eingerammt. Ohne diesen Umschwung, ohne das rechtzeitige Besinnen und reuige Insichgehen der Paulskirchener Gesellschaft, war das Lustspiel wahrscheinlich verfehlt und der Geldbeutel der Reichskinder, auf dessen Kosten sich die Herren, vom „edlen“ Gagern an bis zum unfundirten Beseler hinab, über 10 Monate lang bene thaten, hätte umsonst geblutet. Ja, es wäre die Möglichkeit vorhanden gewesen, daß die Froschteichler, freilich ohne ihre Schuld, noch einen Anschein von Ehre gerettet und mit diesem auseinander gegangen, oder gejagt worden wären. Es bedurfte durchaus der Kaiserfabrikation vom 28. März, um auch dem blödsichtigen Theile der Mit- und Nachwelt darüber Licht zu verschaffen, daß eine Lakaienschaar sich von Anfang bis Ende ihres Dienstes gleich bleibt. Das Sprichwort sagt: Ende gut, Alles gut! Demgemäß förderten die Reichs-Hebammen am 28 in der Person des hohenzollernschen „Gottbegnadeten“ das Erbkaiserkindlein zur Welt und holten geschwind aus der wieder eröffneten Reichskleinodien-Kammer Krone, Scepter und Mantel hervor, die sie sorgfältig einpackten, mit „F. W. R. Potsdam, franco“ signirten, und an den theuern Auserwählten abgehen ließen. Schachtel und Frachtbrief bekam Reichs-Kutscher Soiron zur Verwahrung. Damit nichts abhanden käme, suchte man 32 Biedermänner aus, die dem Reichs-Kutscher in etwaigen schwachen Augenblicken aufpassen hülfen, und hieß sie, vom rührendsten Segen aller Frankfurter Spießbürger und Judenmädel begleitet, sich aufmachen und hinziehen zum Schwager des heiligen Nikolaus und seinen ukermärkischen Granden. Endlich gelangen sie nach Berlin. Den Unsinn mit dem Heraushängen deutscher Fahnen hatte sich Wrangel ernstlich verbeten. So was kann wohl zur Zeit eines Märzfiebers gestattet werden; da mag selbst der königliche Herr dreifarbigen Mummenschanz treiben, ohne im Geringsten in Belagerungs- oder einen andern Zustand erklärt zu werden. Aber im April 1849? Das wäre doch mehr als toll. Wrangel besitzt übrigens Lebensart und Bonhommie. Er ließ die Frankfurter herein, und das war gut. Jetzt erhielten sie die Erlaubniß, sich zum königlichen Herrn zu begeben, was sie mit wahrem Reichsanstand thaten. Sie legten die deutsche Kaiserkrone nebst obligater Begleitungsrede zu den hohenzollernschen Füßen. Und der königliche Herr sah erbarmensvoll auf die armen Schächer vor sich herab, und erklärte ihnen, daß er in ihren Artikeln keine Geschäfte machen wolle, es sei denn, daß sie erst von den übrigen gottbegnadeten Herrn Vettern die Vertriebs- und Gewerbsscheine beibrachten. Er werde sich mit seinen Herrn Vettern ins Einvernehmen setzen, und wie diese wollten, so wolle auch Er; sie selbst könnten nun ruhig wieder nach Hause gehen. Man sieht, der Mann war höflich: Er kann auch grob sein, wie das u. A. Bürgermeister Tschech empfunden. Wäre er diesmal grob gewesen, so hätte er den Froschteichlern direkt sagen müssen: „Wie, Ihre plebejischen Hände wagen mir eine Krone anzubieten, mit der Sie kurz zuvor auf's Abscheulichste umgegangen? Sie, die ich im Verein mit meinen Herrn Vettern von Anfang an nach der Pfeife „von Gottes Gnaden“ habe tanzen lassen, Sie wollen jetzt als souveräne Fabrikanten und Verschenker von Kaiserkronen auftreten? Und Sie schwatzen vom Volk, in dessen Namen Sie kämen? A. d'autres! Machen Sie das Andern weiß, meine Herren!“ Er war aber durch und durch höflich, und in gerechter Würdigung der schwachen Reichsseite dieser Herren Frankfurter, ließ er sie schließlich einladen und futterte sie aufs Beste ab, um nach dem Bibelspruch glühende Kohlen auf das Haupt seiner Feinde zu sammeln. Wie Schulbuben, die für monatlange Dummheiten und Allotria endlich derbe Fingerklopfe vom gestrengen Magister erhalten haben:

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 268. Köln, [10.] April 1849, S. 1513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz268_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.