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Reichspost. Nr. 143, Wien, 26.06.1900.

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Preis 8 h



Redartion, Administration,
Expedition
und Druckerei:
VIII., Strozzigasse 41.




Stadterpedition I., Wollzeile 15.
Zeitungsbureau Weis.




Unfrankirte Briefe werden nicht an-
genommen: Manuscripte werden
nicht zurückgestellt. Unverschlossene
Reclamationen sind portofrei.




Inserate
werden im Ankündigungs-
Bureau
VIII., Strozzigasse
41, sowie in allen Annoncenbureaux
des In- und Auslandes angenommen.




Abonnements werden ange-
nommen außer in den Expeditionen
bei J. Heindi, I., Stephansplatz 7.




Erscheint täglich, 6 Uhr Nach-
nittags, mit Ausnahme der Sonn[-]
und Feiertage


[Spaltenumbruch]
Reichspost.
Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Oesterreich-Ungarus.

[Spaltenumbruch]
Preis 8 h



Bezugspeise:
Für Wien mit Zustellung ins Haus
ganzjährig ..... 28 K
halbjährig ...... 14 K
vierteljährig ...... 7 K
monatlich .... 2 K 35 h

Einzelne Nummern 8 h, per Post
10 h

Bei Abholung in unserer Administra-
tion ganzjährig 24 K monatlich 2 K

Für: Oesterreich-Ungarn:
ganzjährig ...... 32 K
halbjährig ...... 16 K
vierteljährig ...... 8 K
monatlich .... 2 K 75 h

Für Deutschland:
vierteljährig .... 9 K 50 h
oder 8 Mark.

Länder des Weltpostvereines
viertelj. 12 K oder 10 Mark.




Telephon 1828.




VII. Jahrgang. Wien, Dienstag den 26. Juni 1900. Nr. 143.


[Spaltenumbruch]
Zur gefälligen Beachtung!

Wir ersuchen die P. T. Herren Abnehmer,
deren Bezugsrecht mit Ende vorigen Monats
abgelaufen ist, sowie auch Diejenigen, die mit
ihrem Abonnement noch im Rückstande sind,
die Erneuerung desselben möglichst bald vor-
nehmen zu wollen, damit keine Störung in der
egelmäßigen Zustellung der Zeitung eintrete.




Eine arme Großmacht.


Der verstorbene Abgeordnete Hausner hat das
österreichische Abgeordnetenhaus einmal ein "armes
Parlament" genannt. Er sagte, das Parlament
habe alle äußeren Abzeichen einer Volksvertretung;
es habe auch verfassungsmäßige Rechte, die sich auf
dem Papier recht imponirend ausnehmen; man
dürfe auch im Parlament reden, ohne wegen des
Gesagten eingesperrt zu werden; aber dieses Parla-
ment sei doch ein "armes" Parlament, denn es
habe keine Macht, seinen Willen durchzusetzen.
Man höre es zwar, aber man mache, was man
wolle; man lege ihm Gesetzentwürfe vor, aber es
müsse dieselben so beschließen, wie es ihm vor-
gesagt werde. Man verlange von ihm die Be-
willigung der Gelder und der Recruten, so zwar,
daß es sie überhaupt nicht verweigern könne.

Der genannte Abgeordnete hatte mit seiner
Behauptung nur zu sehr Recht. Was würde er
erst hente sagen, wenn er die jetzige Misere sähe?
Wir wissen es nicht: Hausner ist schon mehrere
Jahre todt. Was er aber vom "armen" Parla-
mente gesagt hat, paßt in anderer Hinsicht auch
auf Oesterreich. Man könnte aber sehr gut sagen:
Wir sind eine arme Großmacht! Wir
haben fast alle Attribute einer solchen: ein großes
schlagfertiges Heer, leidlich geordnete Finanzen,
[Spaltenumbruch] eine fast 50 Millionen zählende, gesunde, tapfere
Bevölkerung, schier unerschöpfliche natürliche Hilfs-
quellen; und trotz aller innerpolitischen Wirren
stehen wir durch die Person unseres Monarchen
nach außen geeint da. Auch bestreitet uns Niemand
das Recht, im europäischen Staaten-Concerte mit-
zureden. Wir können jederzeit unsere Zustimmung
zu einem Machtbeschluß verweigern; wir können
uns von irgendeiner Action zurückziehen, wenn wir
wollen. Aber unsere Stellungnahme macht, außer
in localen Fragen des Balkans, keinen Eindruck;
in allen anderen Fragen dürfen wir mitlaufen,
aber niemals auf die Richtung bestimmend Ein-
fluß nehmen.

In allen Weltfragen sind wir eine arme
Großmacht! Amerika verweigerte uns die Genug-
thuung und Ersatzleistung für die unseren Staats-
angehörigen zugefügten Schäden an Leben und
Besitz; im spanisch-amerikanischen Kriege mußten
wir unsere Sympathien einfach für uns behalten;
im südafrikanischen Kriege hat überhaupt Niemand
nach uns gefragt, und bei den jetzigen Ereignissen
in Ostasien hat unsere "furchtbare" Macht von
50 Matrosen keine andere Aufgabe, als den
Legationsrath mit einigen Beamten und Dienern
-- der Gesandte weilt im civilisirten Europa --
vor dem Massacriren zu schützen, wenn sie dazu
überhaupt stark genug sind. Ein kleines Kriegs-
schiff in den chinesischen Gewässern, war bisher
unsere ganze Macht; vor einigen Monaten
wurde unsere Kriegsflagge dort noch gar nicht
gekannt. Als "unbekanntes Schiff" wurde unsere
"Zenta" dort signalisirt. Jetzt erst, angesichts
der neuesten Entwicklung der ostasiatischen Ereig-
nisse, deren Tragweite unübersehbar wird, ver-
mögen wir noch ein Kriegsschiff, die "Maria
Theresia", mit etlichen hundert Mann dorthin zu
senden, eine "That", die einen Tropfen Wasser
im Meere der europäischen, japanischen und nord-
amerikanischen Kriegspanzer und eisernen See-
ungeheuer bedeutet.


[Spaltenumbruch]

Wir sind eine arme Großmacht und bedeuten
nur im Bereiche unserer Landesgrenzen eine
Macht. Was unseren Küsten fern liegt, fühlt
keinen Respect vor uns, da unsere Kriegsflotte
kaum die Adria zu decken vermag. Vor dreißig
Jahren stand unsere kleine Marine an fünfter
Stelle; bloß England, Frankreich, Rußland und
Nordamerika waren uns darin überlegen, Italien
hatten wir damals unsere Ueberlegenheit gezeigt;
Deutschland stand kaum dort, wo wir heute
stehen. Jetzt hat uns Italien darin weit zurück-
gelassen; Deutschland ist eine maritime Groß-
macht ersten Ranges geworden; Japan hat uns
weit überflügelt; China besitzt mehr Schlacht-
schiffe, wie wir. Während sich das Gebiet der
maritimen Macht auf der Erde in den letzten
dreißig Jahren durch die Erschließung Afrikas
und Chinas mehr als verdoppelt hat, sind wir
zurückgegangen. Während heute die Marine that-
sächlich das zweite Bein der militärischen Macht
geworden ist, stehen wir beinahe ganz auf dem
einen Bein der Landmacht allein.

Wollen wir wirklich eine Großmacht
bleiben, soll das traurige Wort von der
"armen" Großmacht uns nicht zum Jasagen im
Mächte-Concerte degradieren, dann muß das
anders werden; dann muß das gemeinsame
Interesse Westösterreichs und der Gesammt-
monarchie über den brutalen Egoismus der macht-
habenden Clique in Ungarn und anderwärts
siegen.

Die starke Landmacht liegt vorwiegend im
Interesse der östlichen Länder der Monarchie; wenn
nun die westlichen zu zwei Dritteln deren Kosten,
zu 60 Percent davon Rekruten besorgen, ja dann
haben sie wohl das Recht zu verlangen, daß für
die Seemacht von drüben wenigstens ein Drittel
in dem Maße getragen werde, daß die Handels-
und Großmachtinteressen der Gesammtmonarchie
nicht zu kurz kommen.

Für eine "arme Großmacht" ist unsere Armee




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Erinnerung an Johannes Gutenberg.

Ein halbes Jahrtausend war gestern verflossen,
seit Johannes Gutenberg, der Erfinder der Buch-
druckerkunst, das Licht der Welt erblickt hat. Der Ge-
burtstag ist zwar nicht sicher, aber wir halten mit der
allgemeineren Annahme daran fest, daß dies der
24. Juni 1400 war.

Mag man ein noch so großer Gegner der modernen
Jubiläums-Manie sein, eine Halb-Jahrtausend-Feier
läßt man sich wohl gefallen, zumal wenn sie nicht so
sehr dem Manne, als seiner Großthat gilt, die All-
gemeinnutzen schuf. Er ist so schnell hierhingeschrieben,
der kurze Satz: "Johannes Gutenberg war der Er-
finder der Buchdruckerkunst." Welche Fülle von Ge-
danken regen aber diese wenigen Worte an! Eine ganze
Cultur, eine ganze Geschichte, eine ganze neue Zeit baut
sich auf der Thatsache auf, daß Johannes Gutenberg
die Buchdruckerkunst erfunden und zu voller praktischer
Verwendbarkeit gebracht hat. Nicht daß gerade er es
war, der sie erfunden hat, sondern daß sie überhaupt
von ihm in den öffentlichen Gebrauch eingeführt wurde.
Darin liegt das Hochbedeutsame.

Von Johannes Gutenberg selbst ist sonst nicht
viel zu erzählen, was nicht mit seiner Erfindung zusammen-
hängt. Er war zu Mainz geboren als Sohn einer Pa-
tricierfamilie dieser deutschen Stadt. Mit demselben,
in Folge einer Fehde der Bürger gezwungen, die Hei-
math zu verlassen, weilte er in den verschiedensten
[Spaltenumbruch] deutschen Städten am liebsten und längsten in Straß-
burg, wo in ihm der erste Gedanke der neuen Erfin-
dung, des Druckes mit beweglichen Lettern reifte und
Gestalt gewann. Erst 1448 kam er wieder nach Mainz
woselbst er mit Johann Fust, der die Mittel dazu
bot, das erste Druckwerk, die lateinische Bibel, her-
stellte. Als er in financielle Nothlage gerieth, war es
der Theologe Conrad Homery, der ihm zu Hilfe kam-
und der Erzbischof war es später, der Gutenberg eine
Pfründe verlieh und ihm so die Existenz sicherte. Sein
ganzes Leben bis zu seinem Ende 1467 oder Anfangs
1468 erfolgten Tode widmete Gutenberg einzig der
Ausbildung seiner Kunst, der "göttlichen Kunst",
wie sie schon seine Zeitgenossen nannten. Es dauerte
nicht lange, und seine Erfindung war Gemeingut der
Menschheit, sie nahm die verschiedenartigste, gewaltigste
Entwicklung bis zur heutigen Setzmaschine, aber jede
Entwicklungsstufe basirt doch nur auf der Erfindung
Gutenbergs. Erst nur dem Bücher- und Flugschriften-
druck dienend, wurde sie zur Großmacht, als das
Zeitungswesen sich Bahn brach. Und heute
ist die Presse, die Erfindung Gutenbergs, die Groß-
macht der Großmächte.

Sie ist in Wahrheit eine "göttliche Kunst"
-- die Buchdruckkunst. Menschlichen Geist entsprungen,
ist ihr Ursprung wie der des Geistes selbst, von Gott,
und was Gott schafft und zuläßt, muß in sich gut sein
oder zum Guten gereichen können. Auch die Buch-
druckkunst konnte nicht vom Bösen sein, mochte es auch
den Zeitgenossen auf den ersten Blick klar sein, welches
Unheil sie anzurichten im Stande sei, wenn sie
[Spaltenumbruch] mißbraucht, wenn sie, statt in den Dienst des Wahren
und Guten, in den Dienst des Irrthums oder der
Lüge und des Schlechten und Gemeinen gestellt würde.
Zuerst diente sie ja schon dem Höchsten selbst. Ihr
erstes Werk war das gedruckte Gotteswort. Geistliche
waren des Erfinders Retter in der Noth des Lebens.
Allein es erfüllte sich bald auch an dieser "göttlichen
Kunst" das Schriftwort, daß die Kinder dieser Welt
klüger sind als die Kinder Gottes.

Gerade die Feinde des Wahren und Guten haben
sich damals, wie jetzt, der Presse mit dem Aufgebot
aller ihrer Mittel und Energie bemächtigt; denn sie
wußten, daß, wer die Presse besitzt, die öffentliche
Meinung beherrscht, und wer über die öffentliche
Meinung verfügt, schier allmächtig ist auf dieser Erde.
Daher die Hochfluth der Bücher und Schriften, die
gegen den Papst und die katholische Kirche in der Zeit
der Reformation, gegen Glauben und Religion über-
haupt in der Zeit der Aufklärung des XVIII. Jahr-
hunderts, in der Zeit der Revolutionen, Culturkämpfe
und der socialen Umwälzungen im XIX. Jahrhundert
erschien, daher die Erscheinung, daß die Großpresse
aller Herren Länder heute in der Hand der Feinde
des Wahren und Guten eine fast unbezwingliche
Waffe ist.

Und dennoch ist diese Erfindung hochzupreisen.
Was sie für die Wissenschaft, was sie für die Cultur,
was sie für den Fortschritt, für den Verkehr, für die
Kunst und auch für die Religion geleistet, das ist eine
solche Summe des Großartigen, daß aller Schaden,
den sie angerichtet hat durch ihren schnöden Mißbrauch,


[Abbildung] Die heutige Nummer ist 12 Seiten stark. [Abbildung]
[Spaltenumbruch]
Preis 8 h



Redartion, Adminiſtration,
Expedition
und Druckerei:
VIII., Strozzigaſſe 41.




Stadterpedition I., Wollzeile 15.
Zeitungsbureau Weis.




Unfrankirte Briefe werden nicht an-
genommen: Manuſcripte werden
nicht zurückgeſtellt. Unverſchloſſene
Reclamationen ſind portofrei.




Inſerate
werden im Ankündigungs-
Bureau
VIII., Strozzigaſſe
41, ſowie in allen Annoncenbureaux
des In- und Auslandes angenommen.




Abonnements werden ange-
nommen außer in den Expeditionen
bei J. Heindi, I., Stephansplatz 7.




Erſcheint täglich, 6 Uhr Nach-
nittags, mit Ausnahme der Sonn[-]
und Feiertage


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Reichspoſt.
Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarus.

[Spaltenumbruch]
Preis 8 h



Bezugspeiſe:
Für Wien mit Zuſtellung ins Haus
ganzjährig ..... 28 K
halbjährig ...... 14 K
vierteljährig ...... 7 K
monatlich .... 2 K 35 h

Einzelne Nummern 8 h, per Poſt
10 h

Bei Abholung in unſerer Adminiſtra-
tion ganzjährig 24 K monatlich 2 K

Für: Oeſterreich-Ungarn:
ganzjährig ...... 32 K
halbjährig ...... 16 K
vierteljährig ...... 8 K
monatlich .... 2 K 75 h

Für Deutſchland:
vierteljährig .... 9 K 50 h
oder 8 Mark.

Länder des Weltpoſtvereines
viertelj. 12 K oder 10 Mark.




Telephon 1828.




VII. Jahrgang. Wien, Dienſtag den 26. Juni 1900. Nr. 143.


[Spaltenumbruch]
Zur gefälligen Beachtung!

Wir erſuchen die P. T. Herren Abnehmer,
deren Bezugsrecht mit Ende vorigen Monats
abgelaufen iſt, ſowie auch Diejenigen, die mit
ihrem Abonnement noch im Rückſtande ſind,
die Erneuerung desſelben möglichſt bald vor-
nehmen zu wollen, damit keine Störung in der
egelmäßigen Zuſtellung der Zeitung eintrete.




Eine arme Großmacht.


Der verſtorbene Abgeordnete Hausner hat das
öſterreichiſche Abgeordnetenhaus einmal ein „armes
Parlament“ genannt. Er ſagte, das Parlament
habe alle äußeren Abzeichen einer Volksvertretung;
es habe auch verfaſſungsmäßige Rechte, die ſich auf
dem Papier recht imponirend ausnehmen; man
dürfe auch im Parlament reden, ohne wegen des
Geſagten eingeſperrt zu werden; aber dieſes Parla-
ment ſei doch ein „armes“ Parlament, denn es
habe keine Macht, ſeinen Willen durchzuſetzen.
Man höre es zwar, aber man mache, was man
wolle; man lege ihm Geſetzentwürfe vor, aber es
müſſe dieſelben ſo beſchließen, wie es ihm vor-
geſagt werde. Man verlange von ihm die Be-
willigung der Gelder und der Recruten, ſo zwar,
daß es ſie überhaupt nicht verweigern könne.

Der genannte Abgeordnete hatte mit ſeiner
Behauptung nur zu ſehr Recht. Was würde er
erſt hente ſagen, wenn er die jetzige Miſère ſähe?
Wir wiſſen es nicht: Hausner iſt ſchon mehrere
Jahre todt. Was er aber vom „armen“ Parla-
mente geſagt hat, paßt in anderer Hinſicht auch
auf Oeſterreich. Man könnte aber ſehr gut ſagen:
Wir ſind eine arme Großmacht! Wir
haben faſt alle Attribute einer ſolchen: ein großes
ſchlagfertiges Heer, leidlich geordnete Finanzen,
[Spaltenumbruch] eine faſt 50 Millionen zählende, geſunde, tapfere
Bevölkerung, ſchier unerſchöpfliche natürliche Hilfs-
quellen; und trotz aller innerpolitiſchen Wirren
ſtehen wir durch die Perſon unſeres Monarchen
nach außen geeint da. Auch beſtreitet uns Niemand
das Recht, im europäiſchen Staaten-Concerte mit-
zureden. Wir können jederzeit unſere Zuſtimmung
zu einem Machtbeſchluß verweigern; wir können
uns von irgendeiner Action zurückziehen, wenn wir
wollen. Aber unſere Stellungnahme macht, außer
in localen Fragen des Balkans, keinen Eindruck;
in allen anderen Fragen dürfen wir mitlaufen,
aber niemals auf die Richtung beſtimmend Ein-
fluß nehmen.

In allen Weltfragen ſind wir eine arme
Großmacht! Amerika verweigerte uns die Genug-
thuung und Erſatzleiſtung für die unſeren Staats-
angehörigen zugefügten Schäden an Leben und
Beſitz; im ſpaniſch-amerikaniſchen Kriege mußten
wir unſere Sympathien einfach für uns behalten;
im ſüdafrikaniſchen Kriege hat überhaupt Niemand
nach uns gefragt, und bei den jetzigen Ereigniſſen
in Oſtaſien hat unſere „furchtbare“ Macht von
50 Matroſen keine andere Aufgabe, als den
Legationsrath mit einigen Beamten und Dienern
— der Geſandte weilt im civiliſirten Europa —
vor dem Maſſacriren zu ſchützen, wenn ſie dazu
überhaupt ſtark genug ſind. Ein kleines Kriegs-
ſchiff in den chineſiſchen Gewäſſern, war bisher
unſere ganze Macht; vor einigen Monaten
wurde unſere Kriegsflagge dort noch gar nicht
gekannt. Als „unbekanntes Schiff“ wurde unſere
„Zenta“ dort ſignaliſirt. Jetzt erſt, angeſichts
der neueſten Entwicklung der oſtaſiatiſchen Ereig-
niſſe, deren Tragweite unüberſehbar wird, ver-
mögen wir noch ein Kriegsſchiff, die „Maria
Thereſia“, mit etlichen hundert Mann dorthin zu
ſenden, eine „That“, die einen Tropfen Waſſer
im Meere der europäiſchen, japaniſchen und nord-
amerikaniſchen Kriegspanzer und eiſernen See-
ungeheuer bedeutet.


[Spaltenumbruch]

Wir ſind eine arme Großmacht und bedeuten
nur im Bereiche unſerer Landesgrenzen eine
Macht. Was unſeren Küſten fern liegt, fühlt
keinen Reſpect vor uns, da unſere Kriegsflotte
kaum die Adria zu decken vermag. Vor dreißig
Jahren ſtand unſere kleine Marine an fünfter
Stelle; bloß England, Frankreich, Rußland und
Nordamerika waren uns darin überlegen, Italien
hatten wir damals unſere Ueberlegenheit gezeigt;
Deutſchland ſtand kaum dort, wo wir heute
ſtehen. Jetzt hat uns Italien darin weit zurück-
gelaſſen; Deutſchland iſt eine maritime Groß-
macht erſten Ranges geworden; Japan hat uns
weit überflügelt; China beſitzt mehr Schlacht-
ſchiffe, wie wir. Während ſich das Gebiet der
maritimen Macht auf der Erde in den letzten
dreißig Jahren durch die Erſchließung Afrikas
und Chinas mehr als verdoppelt hat, ſind wir
zurückgegangen. Während heute die Marine that-
ſächlich das zweite Bein der militäriſchen Macht
geworden iſt, ſtehen wir beinahe ganz auf dem
einen Bein der Landmacht allein.

Wollen wir wirklich eine Großmacht
bleiben, ſoll das traurige Wort von der
„armen“ Großmacht uns nicht zum Jaſagen im
Mächte-Concerte degradieren, dann muß das
anders werden; dann muß das gemeinſame
Intereſſe Weſtöſterreichs und der Geſammt-
monarchie über den brutalen Egoismus der macht-
habenden Clique in Ungarn und anderwärts
ſiegen.

Die ſtarke Landmacht liegt vorwiegend im
Intereſſe der öſtlichen Länder der Monarchie; wenn
nun die weſtlichen zu zwei Dritteln deren Koſten,
zu 60 Percent davon Rekruten beſorgen, ja dann
haben ſie wohl das Recht zu verlangen, daß für
die Seemacht von drüben wenigſtens ein Drittel
in dem Maße getragen werde, daß die Handels-
und Großmachtintereſſen der Geſammtmonarchie
nicht zu kurz kommen.

Für eine „arme Großmacht“ iſt unſere Armee




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Erinnerung an Johannes Gutenberg.

Ein halbes Jahrtauſend war geſtern verfloſſen,
ſeit Johannes Gutenberg, der Erfinder der Buch-
druckerkunſt, das Licht der Welt erblickt hat. Der Ge-
burtstag iſt zwar nicht ſicher, aber wir halten mit der
allgemeineren Annahme daran feſt, daß dies der
24. Juni 1400 war.

Mag man ein noch ſo großer Gegner der modernen
Jubiläums-Manie ſein, eine Halb-Jahrtauſend-Feier
läßt man ſich wohl gefallen, zumal wenn ſie nicht ſo
ſehr dem Manne, als ſeiner Großthat gilt, die All-
gemeinnutzen ſchuf. Er iſt ſo ſchnell hierhingeſchrieben,
der kurze Satz: „Johannes Gutenberg war der Er-
finder der Buchdruckerkunſt.“ Welche Fülle von Ge-
danken regen aber dieſe wenigen Worte an! Eine ganze
Cultur, eine ganze Geſchichte, eine ganze neue Zeit baut
ſich auf der Thatſache auf, daß Johannes Gutenberg
die Buchdruckerkunſt erfunden und zu voller praktiſcher
Verwendbarkeit gebracht hat. Nicht daß gerade er es
war, der ſie erfunden hat, ſondern daß ſie überhaupt
von ihm in den öffentlichen Gebrauch eingeführt wurde.
Darin liegt das Hochbedeutſame.

Von Johannes Gutenberg ſelbſt iſt ſonſt nicht
viel zu erzählen, was nicht mit ſeiner Erfindung zuſammen-
hängt. Er war zu Mainz geboren als Sohn einer Pa-
tricierfamilie dieſer deutſchen Stadt. Mit demſelben,
in Folge einer Fehde der Bürger gezwungen, die Hei-
math zu verlaſſen, weilte er in den verſchiedenſten
[Spaltenumbruch] deutſchen Städten am liebſten und längſten in Straß-
burg, wo in ihm der erſte Gedanke der neuen Erfin-
dung, des Druckes mit beweglichen Lettern reifte und
Geſtalt gewann. Erſt 1448 kam er wieder nach Mainz
woſelbſt er mit Johann Fuſt, der die Mittel dazu
bot, das erſte Druckwerk, die lateiniſche Bibel, her-
ſtellte. Als er in financielle Nothlage gerieth, war es
der Theologe Conrad Homery, der ihm zu Hilfe kam-
und der Erzbiſchof war es ſpäter, der Gutenberg eine
Pfründe verlieh und ihm ſo die Exiſtenz ſicherte. Sein
ganzes Leben bis zu ſeinem Ende 1467 oder Anfangs
1468 erfolgten Tode widmete Gutenberg einzig der
Ausbildung ſeiner Kunſt, der „göttlichen Kunſt“,
wie ſie ſchon ſeine Zeitgenoſſen nannten. Es dauerte
nicht lange, und ſeine Erfindung war Gemeingut der
Menſchheit, ſie nahm die verſchiedenartigſte, gewaltigſte
Entwicklung bis zur heutigen Setzmaſchine, aber jede
Entwicklungsſtufe baſirt doch nur auf der Erfindung
Gutenbergs. Erſt nur dem Bücher- und Flugſchriften-
druck dienend, wurde ſie zur Großmacht, als das
Zeitungsweſen ſich Bahn brach. Und heute
iſt die Preſſe, die Erfindung Gutenbergs, die Groß-
macht der Großmächte.

Sie iſt in Wahrheit eine „göttliche Kunſt“
— die Buchdruckkunſt. Menſchlichen Geiſt entſprungen,
iſt ihr Urſprung wie der des Geiſtes ſelbſt, von Gott,
und was Gott ſchafft und zuläßt, muß in ſich gut ſein
oder zum Guten gereichen können. Auch die Buch-
druckkunſt konnte nicht vom Böſen ſein, mochte es auch
den Zeitgenoſſen auf den erſten Blick klar ſein, welches
Unheil ſie anzurichten im Stande ſei, wenn ſie
[Spaltenumbruch] mißbraucht, wenn ſie, ſtatt in den Dienſt des Wahren
und Guten, in den Dienſt des Irrthums oder der
Lüge und des Schlechten und Gemeinen geſtellt würde.
Zuerſt diente ſie ja ſchon dem Höchſten ſelbſt. Ihr
erſtes Werk war das gedruckte Gotteswort. Geiſtliche
waren des Erfinders Retter in der Noth des Lebens.
Allein es erfüllte ſich bald auch an dieſer „göttlichen
Kunſt“ das Schriftwort, daß die Kinder dieſer Welt
klüger ſind als die Kinder Gottes.

Gerade die Feinde des Wahren und Guten haben
ſich damals, wie jetzt, der Preſſe mit dem Aufgebot
aller ihrer Mittel und Energie bemächtigt; denn ſie
wußten, daß, wer die Preſſe beſitzt, die öffentliche
Meinung beherrſcht, und wer über die öffentliche
Meinung verfügt, ſchier allmächtig iſt auf dieſer Erde.
Daher die Hochfluth der Bücher und Schriften, die
gegen den Papſt und die katholiſche Kirche in der Zeit
der Reformation, gegen Glauben und Religion über-
haupt in der Zeit der Aufklärung des XVIII. Jahr-
hunderts, in der Zeit der Revolutionen, Culturkämpfe
und der ſocialen Umwälzungen im XIX. Jahrhundert
erſchien, daher die Erſcheinung, daß die Großpreſſe
aller Herren Länder heute in der Hand der Feinde
des Wahren und Guten eine faſt unbezwingliche
Waffe iſt.

Und dennoch iſt dieſe Erfindung hochzupreiſen.
Was ſie für die Wiſſenſchaft, was ſie für die Cultur,
was ſie für den Fortſchritt, für den Verkehr, für die
Kunſt und auch für die Religion geleiſtet, das iſt eine
ſolche Summe des Großartigen, daß aller Schaden,
den ſie angerichtet hat durch ihren ſchnöden Mißbrauch,


[Abbildung] Die heutige Nummer iſt 12 Seiten ſtark. [Abbildung]
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[[1]/0001] Preis 8 h Redartion, Adminiſtration, Expedition und Druckerei: VIII., Strozzigaſſe 41. Stadterpedition I., Wollzeile 15. Zeitungsbureau Weis. Unfrankirte Briefe werden nicht an- genommen: Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt. Unverſchloſſene Reclamationen ſind portofrei. Inſerate werden im Ankündigungs- Bureau VIII., Strozzigaſſe 41, ſowie in allen Annoncenbureaux des In- und Auslandes angenommen. Abonnements werden ange- nommen außer in den Expeditionen bei J. Heindi, I., Stephansplatz 7. Erſcheint täglich, 6 Uhr Nach- nittags, mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage Reichspoſt. Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarus. 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Der verſtorbene Abgeordnete Hausner hat das öſterreichiſche Abgeordnetenhaus einmal ein „armes Parlament“ genannt. Er ſagte, das Parlament habe alle äußeren Abzeichen einer Volksvertretung; es habe auch verfaſſungsmäßige Rechte, die ſich auf dem Papier recht imponirend ausnehmen; man dürfe auch im Parlament reden, ohne wegen des Geſagten eingeſperrt zu werden; aber dieſes Parla- ment ſei doch ein „armes“ Parlament, denn es habe keine Macht, ſeinen Willen durchzuſetzen. Man höre es zwar, aber man mache, was man wolle; man lege ihm Geſetzentwürfe vor, aber es müſſe dieſelben ſo beſchließen, wie es ihm vor- geſagt werde. Man verlange von ihm die Be- willigung der Gelder und der Recruten, ſo zwar, daß es ſie überhaupt nicht verweigern könne. Der genannte Abgeordnete hatte mit ſeiner Behauptung nur zu ſehr Recht. Was würde er erſt hente ſagen, wenn er die jetzige Miſère ſähe? Wir wiſſen es nicht: Hausner iſt ſchon mehrere Jahre todt. Was er aber vom „armen“ Parla- mente geſagt hat, paßt in anderer Hinſicht auch auf Oeſterreich. Man könnte aber ſehr gut ſagen: Wir ſind eine arme Großmacht! Wir haben faſt alle Attribute einer ſolchen: ein großes ſchlagfertiges Heer, leidlich geordnete Finanzen, eine faſt 50 Millionen zählende, geſunde, tapfere Bevölkerung, ſchier unerſchöpfliche natürliche Hilfs- quellen; und trotz aller innerpolitiſchen Wirren ſtehen wir durch die Perſon unſeres Monarchen nach außen geeint da. Auch beſtreitet uns Niemand das Recht, im europäiſchen Staaten-Concerte mit- zureden. Wir können jederzeit unſere Zuſtimmung zu einem Machtbeſchluß verweigern; wir können uns von irgendeiner Action zurückziehen, wenn wir wollen. Aber unſere Stellungnahme macht, außer in localen Fragen des Balkans, keinen Eindruck; in allen anderen Fragen dürfen wir mitlaufen, aber niemals auf die Richtung beſtimmend Ein- fluß nehmen. In allen Weltfragen ſind wir eine arme Großmacht! Amerika verweigerte uns die Genug- thuung und Erſatzleiſtung für die unſeren Staats- angehörigen zugefügten Schäden an Leben und Beſitz; im ſpaniſch-amerikaniſchen Kriege mußten wir unſere Sympathien einfach für uns behalten; im ſüdafrikaniſchen Kriege hat überhaupt Niemand nach uns gefragt, und bei den jetzigen Ereigniſſen in Oſtaſien hat unſere „furchtbare“ Macht von 50 Matroſen keine andere Aufgabe, als den Legationsrath mit einigen Beamten und Dienern — der Geſandte weilt im civiliſirten Europa — vor dem Maſſacriren zu ſchützen, wenn ſie dazu überhaupt ſtark genug ſind. Ein kleines Kriegs- ſchiff in den chineſiſchen Gewäſſern, war bisher unſere ganze Macht; vor einigen Monaten wurde unſere Kriegsflagge dort noch gar nicht gekannt. Als „unbekanntes Schiff“ wurde unſere „Zenta“ dort ſignaliſirt. Jetzt erſt, angeſichts der neueſten Entwicklung der oſtaſiatiſchen Ereig- niſſe, deren Tragweite unüberſehbar wird, ver- mögen wir noch ein Kriegsſchiff, die „Maria Thereſia“, mit etlichen hundert Mann dorthin zu ſenden, eine „That“, die einen Tropfen Waſſer im Meere der europäiſchen, japaniſchen und nord- amerikaniſchen Kriegspanzer und eiſernen See- ungeheuer bedeutet. Wir ſind eine arme Großmacht und bedeuten nur im Bereiche unſerer Landesgrenzen eine Macht. Was unſeren Küſten fern liegt, fühlt keinen Reſpect vor uns, da unſere Kriegsflotte kaum die Adria zu decken vermag. Vor dreißig Jahren ſtand unſere kleine Marine an fünfter Stelle; bloß England, Frankreich, Rußland und Nordamerika waren uns darin überlegen, Italien hatten wir damals unſere Ueberlegenheit gezeigt; Deutſchland ſtand kaum dort, wo wir heute ſtehen. Jetzt hat uns Italien darin weit zurück- gelaſſen; Deutſchland iſt eine maritime Groß- macht erſten Ranges geworden; Japan hat uns weit überflügelt; China beſitzt mehr Schlacht- ſchiffe, wie wir. Während ſich das Gebiet der maritimen Macht auf der Erde in den letzten dreißig Jahren durch die Erſchließung Afrikas und Chinas mehr als verdoppelt hat, ſind wir zurückgegangen. Während heute die Marine that- ſächlich das zweite Bein der militäriſchen Macht geworden iſt, ſtehen wir beinahe ganz auf dem einen Bein der Landmacht allein. Wollen wir wirklich eine Großmacht bleiben, ſoll das traurige Wort von der „armen“ Großmacht uns nicht zum Jaſagen im Mächte-Concerte degradieren, dann muß das anders werden; dann muß das gemeinſame Intereſſe Weſtöſterreichs und der Geſammt- monarchie über den brutalen Egoismus der macht- habenden Clique in Ungarn und anderwärts ſiegen. Die ſtarke Landmacht liegt vorwiegend im Intereſſe der öſtlichen Länder der Monarchie; wenn nun die weſtlichen zu zwei Dritteln deren Koſten, zu 60 Percent davon Rekruten beſorgen, ja dann haben ſie wohl das Recht zu verlangen, daß für die Seemacht von drüben wenigſtens ein Drittel in dem Maße getragen werde, daß die Handels- und Großmachtintereſſen der Geſammtmonarchie nicht zu kurz kommen. Für eine „arme Großmacht“ iſt unſere Armee Feuilleton. Erinnerung an Johannes Gutenberg. Skizze von W. Conrady. Ein halbes Jahrtauſend war geſtern verfloſſen, ſeit Johannes Gutenberg, der Erfinder der Buch- druckerkunſt, das Licht der Welt erblickt hat. Der Ge- burtstag iſt zwar nicht ſicher, aber wir halten mit der allgemeineren Annahme daran feſt, daß dies der 24. Juni 1400 war. Mag man ein noch ſo großer Gegner der modernen Jubiläums-Manie ſein, eine Halb-Jahrtauſend-Feier läßt man ſich wohl gefallen, zumal wenn ſie nicht ſo ſehr dem Manne, als ſeiner Großthat gilt, die All- gemeinnutzen ſchuf. Er iſt ſo ſchnell hierhingeſchrieben, der kurze Satz: „Johannes Gutenberg war der Er- finder der Buchdruckerkunſt.“ Welche Fülle von Ge- danken regen aber dieſe wenigen Worte an! Eine ganze Cultur, eine ganze Geſchichte, eine ganze neue Zeit baut ſich auf der Thatſache auf, daß Johannes Gutenberg die Buchdruckerkunſt erfunden und zu voller praktiſcher Verwendbarkeit gebracht hat. Nicht daß gerade er es war, der ſie erfunden hat, ſondern daß ſie überhaupt von ihm in den öffentlichen Gebrauch eingeführt wurde. Darin liegt das Hochbedeutſame. Von Johannes Gutenberg ſelbſt iſt ſonſt nicht viel zu erzählen, was nicht mit ſeiner Erfindung zuſammen- hängt. Er war zu Mainz geboren als Sohn einer Pa- tricierfamilie dieſer deutſchen Stadt. Mit demſelben, in Folge einer Fehde der Bürger gezwungen, die Hei- math zu verlaſſen, weilte er in den verſchiedenſten deutſchen Städten am liebſten und längſten in Straß- burg, wo in ihm der erſte Gedanke der neuen Erfin- dung, des Druckes mit beweglichen Lettern reifte und Geſtalt gewann. Erſt 1448 kam er wieder nach Mainz woſelbſt er mit Johann Fuſt, der die Mittel dazu bot, das erſte Druckwerk, die lateiniſche Bibel, her- ſtellte. Als er in financielle Nothlage gerieth, war es der Theologe Conrad Homery, der ihm zu Hilfe kam- und der Erzbiſchof war es ſpäter, der Gutenberg eine Pfründe verlieh und ihm ſo die Exiſtenz ſicherte. Sein ganzes Leben bis zu ſeinem Ende 1467 oder Anfangs 1468 erfolgten Tode widmete Gutenberg einzig der Ausbildung ſeiner Kunſt, der „göttlichen Kunſt“, wie ſie ſchon ſeine Zeitgenoſſen nannten. Es dauerte nicht lange, und ſeine Erfindung war Gemeingut der Menſchheit, ſie nahm die verſchiedenartigſte, gewaltigſte Entwicklung bis zur heutigen Setzmaſchine, aber jede Entwicklungsſtufe baſirt doch nur auf der Erfindung Gutenbergs. Erſt nur dem Bücher- und Flugſchriften- druck dienend, wurde ſie zur Großmacht, als das Zeitungsweſen ſich Bahn brach. Und heute iſt die Preſſe, die Erfindung Gutenbergs, die Groß- macht der Großmächte. Sie iſt in Wahrheit eine „göttliche Kunſt“ — die Buchdruckkunſt. Menſchlichen Geiſt entſprungen, iſt ihr Urſprung wie der des Geiſtes ſelbſt, von Gott, und was Gott ſchafft und zuläßt, muß in ſich gut ſein oder zum Guten gereichen können. Auch die Buch- druckkunſt konnte nicht vom Böſen ſein, mochte es auch den Zeitgenoſſen auf den erſten Blick klar ſein, welches Unheil ſie anzurichten im Stande ſei, wenn ſie mißbraucht, wenn ſie, ſtatt in den Dienſt des Wahren und Guten, in den Dienſt des Irrthums oder der Lüge und des Schlechten und Gemeinen geſtellt würde. Zuerſt diente ſie ja ſchon dem Höchſten ſelbſt. Ihr erſtes Werk war das gedruckte Gotteswort. Geiſtliche waren des Erfinders Retter in der Noth des Lebens. Allein es erfüllte ſich bald auch an dieſer „göttlichen Kunſt“ das Schriftwort, daß die Kinder dieſer Welt klüger ſind als die Kinder Gottes. Gerade die Feinde des Wahren und Guten haben ſich damals, wie jetzt, der Preſſe mit dem Aufgebot aller ihrer Mittel und Energie bemächtigt; denn ſie wußten, daß, wer die Preſſe beſitzt, die öffentliche Meinung beherrſcht, und wer über die öffentliche Meinung verfügt, ſchier allmächtig iſt auf dieſer Erde. Daher die Hochfluth der Bücher und Schriften, die gegen den Papſt und die katholiſche Kirche in der Zeit der Reformation, gegen Glauben und Religion über- haupt in der Zeit der Aufklärung des XVIII. Jahr- hunderts, in der Zeit der Revolutionen, Culturkämpfe und der ſocialen Umwälzungen im XIX. Jahrhundert erſchien, daher die Erſcheinung, daß die Großpreſſe aller Herren Länder heute in der Hand der Feinde des Wahren und Guten eine faſt unbezwingliche Waffe iſt. Und dennoch iſt dieſe Erfindung hochzupreiſen. Was ſie für die Wiſſenſchaft, was ſie für die Cultur, was ſie für den Fortſchritt, für den Verkehr, für die Kunſt und auch für die Religion geleiſtet, das iſt eine ſolche Summe des Großartigen, daß aller Schaden, den ſie angerichtet hat durch ihren ſchnöden Mißbrauch, [Abbildung] Die heutige Nummer iſt 12 Seiten ſtark. [Abbildung]

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 143, Wien, 26.06.1900, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost143_1900/1>, abgerufen am 29.03.2024.