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Reichspost. Nr. 212, Wien, 18.09.1906.

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Wien, Dienstag Reichspost 18. September 1906 212

[Spaltenumbruch] Reform in der prozentualen Bemessung und Zu-
erkennung der Heilverfahrens- und Schadenersatz-
rente; 2. die endgültige Belassung der einmal zu-
erkannten sogenannten dauernden Renten; 3. die
pollständige Gleichstellung des Betriebsunfalles
mit dem Verkehrsunfall hinsichtlich der Renten-
bemessung; 4. eine Reform des Schiedsgerichtes
und eine Unterordnung der in Oesterreich bestehen-
den acht Schiedsgerichte unter die Judikatur des
Obersten Gerichtshofes.




Von den Hochschulen.

Einhebung eines Bibliotheksbeitrages
von den Universitäts-Studierenden. Eine Verord-
nung des Ministers für Kultus und Unterricht
bestimmt, daß vom nächsten Studienjahre an jeder
zum Besuche von Universitätsvorlesungen zugelassene
Studierende gelegentlich seiner Inskription (als
ordentlicher oder außerordentlicher Hörer, Hörerin,
Frequentant oder Hospitantin) bei der Universitäts-
quästur einen Bibliotheksbeitrag zu entrichten hat,
welcher für die dem österreichischen Staats-
verbande
angehörigen Studierenden mit
einer Krone, für alle übrigen Stu-
dierenden
mit zwei Kronen für das
Semester bemessen ist; Befreiungen von
diesem Bibliotheksbeitrage finden nicht statt.
Die reichlichere Dotierung der Universitäts-
bibliotheken wird den Studierenden, namentlich
den minder bemittelten, die sich die nötigen Lehr-
behelfe nur schwer beschaffen könnten, selbst wieder
zustatten kommen, und es ist von dem Herrn
Minister für Kultus und Unterricht den Uni-
versitätsbibliothekaren nahegelegt worden, für die
regelmäßige Anschaffung einer genügenden Anzahl
der von den Studierenden zumeist begehrten Lehr-
bücher, Autorentexte und Nachschlagwerke, sowie
sonstiger für den Studienbetrieb nötiger Bücher
Sorge zu tragen. Auch ist seitens der Unterrichts-
verwaltung geplant, bei einer in Aussicht stehenden
Revision der schon vielfach veralteten Entlehnungs-
vorschriften für die Universitätsbibliotheken in den
Ausleihbefugnissen der Studierenden und Prü-
fungskandidaten, namentlich soweit es sich um
die häusliche Benützung der entlehnten Werke
handelt, alle tunlichen Erleichterungen eintreten
zu lassen.

Die katholische Universität Freiburg
in der Schweiz.
Man schreibt uns aus Frei-
burg in der Schweiz: Freiburg ist ein reizendes
Universitätsstädtchen, das leider bei uns Oester-
reichern noch zu wenig bekannt ist. Mitten in
protestantischer Umgebung liegt der katholische
Kanton Freiburg mit der gleichnamigen Hauptstadt;
und dieses kleine Städtchen mit dem gerade nicht
allzu reichen Kanton hat das, was unser großes
Oesterreich haben möchte, schon seit 17 Jahren: eine
katholische Universität. Die Opferwilligkeit seiner
Bürger hat dieses große Werk zustande gebracht.
Abgesehen von dem durchaus katholischen Charakter
muß jeder, der auch nur ein Semester dort zu-
gebracht hat, zugeben, daß Freiburg eine der
angenehmsten Universitätsstädte ist. Freiburg
vereint nämlich die verschiedensten Vorzüge. Wer
fleißig arbeiten will, dem wird Freiburg besser
passen als manche andere Stadt; die Nachteile der
Großstadt fallen hier weg, die fast kleinstädtische
Ruhe raubt niemanden, der es nicht will, die
Sammlung. Doch soll dies keineswegs besagen,
daß es ein langweiliges Leben wäre, daß man
dort lebt. Zahlreichen gesunden Freuden ist dort
Gelegenheit geboten: Seine schöne Lage, nahe
den Hochalpen, sein kräftiges Klima machen es
dem Freunde der Berge beliebt; Tagespartien,
wie an den Genfer See, Lausanne und Montreux,
das Paradies der Schweiz, in die Freiburger und
Berner Alpen, die altehrwürdige und hoch inter-
essante Stadt Bern kaum dreiviertel Stunden
Bahnfahrt entfernt, Schnee- und Eissport im
Winter, Naturfreuden an Wald und Au im
Sommer, das macht es für jenen entzückend, der
ein oder zwei Semester "verbummeln" oder doch
unter leichterer Arbeit nur zubringen will. Eine
liebenswürdige Bevölkerung, ein schönes Zu-
sammengehen zwischen Professoren und Studenten,
überhaupt der gesunde Geist, der die letzteren auch
beseelt, das ist einer der größten Reize
Freiburgs. Auch die Lebensverhältnisse da-
selbst sind eher billig als teuer zu nennen.
Besonders aber ist es jenen anzuraten, die sich in
der französischen Sprache vervollkommen wollen
oder sie erst zu lernen gedenken, also für Neu-
philologen, denen ja auch nach unserem Lehrplane
zwei Semester im Auslande gestattet sind. Man
spricht sehr viel französisch in Fribourg, also Ge-
[Spaltenumbruch] legenheit genug für den, der ernstlich lernen und
praktisch üben will. Man erspart Paris. Wer aber
das Französische nicht beherrscht, der wird fast
überall mit dem Deutschen durchkommen, denn die
Universität, Professoren sowie Studenten, sind zur
guten Hälfte deutsch. Ferner sind fast alle Nationen
Europas vertreten, auch viele Amerikaner sind zu
treffen und gerade dieser internationale Charakter
ist für den Studierenden ein Vorteil. Auch für
Theologen wäre es sehr anzuraten, ob sie nun in
einem der vielen Konvikte oder frei für sich leben
wollen. Die theologischen und philosophischen
Lehrkräfte verdienen alle Anerkennung für ihre
großen Leistungen; Scholastik, vereint mit den
wahren Errungenschaften des modernen Wissens
blüht hier als wahre christliche Philosophie, der
man weder Verknöcherung und Rückständigkeit
noch auch das Verworrene und Ziellose der mo-
dernen, ungläubigen Philosophie vorwerfen kann.
Es ist die Neu-Scholastik von Freiburg und
Löwen. Sehr wichtig und nicht zu vergessen sind
die Sozialwissenschaften; Namen, wie Decurtius
und Beck, deren Ruf bekannt ist, sprechen genug.
Auch die Studentenschaft arbeitet fleißig auf
sozialpolitischem, auch praktischem sozialwissen-
schaftlichem Gebiete. Medizinische Falkultät ist noch
keine errichtet, dafür sind die Naturwissenschaften
als getrennte vierte Fakultät behandelt. Lehrpro-
gramme versendet gerne auf Anfragen die Univer-
sitätskanzlei Freiburg in der Schweiz. Was schließ-
lich das kleine Städtchen selbst mit seinen alten
Bauten und Türmen, mit seinen hängenden Brücken,
die sich hoch in der Luft über die grünen Wogen
der schäumenden Sarine schwingen, und anderer-
seits mit den modernen Neubauten und Anlagen
draußen in Perolles, betrifft, so kann man nur
sagen, das man es lieb gewinnen muß.




Theater, Kunst und Musik.
-- Carl-Theater.

Aller Anfang kann schwer
sein, aber er braucht nicht schlecht zu sein. Das hätte
die Direktion bedenken sollen, als sie dem Publikum
die erste Neuheit nach der Wiedereröffnung vorführte.
Die Saison ist ein eben erst geborenes zartes Kind-
lein und ihr mit einer solchen Operette zu kommen
-- wie das vorgestern gehörte "Mutzi" -- ist eine
Kindesmißhandlung, um welche die Kinderschutz-
stationen sich annehmen sollten. Die Musik von
Josef Hellmesberger allerdings ist recht hübsch,
aber eine Operette besteht, wie ziemlich bekannt ist,
aus zwei Teilen: Text und Musik. Und nur eine
schlechte Tradition hat dazu geführt, das
Libretto einer Operette für eine "Nebensache"
zu erklären. Gerade das Carl-Theater
hat in der letzen Zeit einige Operetten hervorgebracht,
die musikalisch und textlich gut waren. So die
"Schützenliesel", "Hugdietrichs Brautfahrt" und
"Krieg im Frieden". Was aber Samstag sich als
Libretto gegeben hat, ist ein so ungenügendes Mach-
werk, daß man sich fragen mußte: Wie konnte
Hellmesberger dieses Buch annehmen und die sonst
so geschickte Theaterleitung dazu ihren Segen geben?
Die Handlung ist nicht nur sehr dünn, sondern auch
uniteressant, weil stark abgebraucht. Der Dialog zieht
sich strudelteigartig in die Länge und enthält teils
keine, teils alte Witze, dafür aber mehrere Monologe,
Reden der Bedienten in Gegenwart der Herrschaft
und ähnliche Schönheiten. Der Gang der Handlung
ist so geschickt geführt, daß die Soubrette des
Stückes im ersten Akt gar nicht und im letzten
nur kurze Zeit und da ganz überflüssiger Weise auf
die Bühne kommt. Zwei Komikerpartien bestehen aus
einer beziehungsweise zwei Szenen im ersten Akt.
Dann sieht man die beiden Komiker nicht mehr.
Das ganze "Stück" soll neben Frau Zwerenz
Herr Guttmann halten und zwar werden diese
beiden Kräfte zu ganz geschmacklosen, ja unfeinen
und widersinnigen Tänzen genötigt. Herr Guttmann
verläßt sich überhaupt immer mehr und mehr auf
seine langen Beine und zieht bei der Ausübung
seines Kunsthandwerks den Verstand immer weniger
zu Rate. Auch Frau Zwerenz übertreibt noch mehr,
als sie sich auf Grund ihrer Beliebtheit erlauben
darf. Blasel und Waldemar, auf deren Er-
scheinen man sich immer freut, haben die zwei
oben erwähnten kurzatmigen Rollen. Sie
singen ein Entree-Duett, das musikalisch gut ist,
und -- verschwinden für den ganzen weiteren
Teil des Abends. Sie werden förmlich fallen
gelassen, wie wenn die Autoren des Stückes sich's
nachträglich mit ihnen anders überlegt hätten. Dafür
bleibt dem Publikum -- Herr Kunstadt. Haßt
ein Ersatz, wie man in der Leopoldstadt sagt. Herr
Kumpa ist unangenehm vordringlich und schreit
ins Publikum hinein, wie ein Prater-Rekommandeur.
Die Damen Merviola und Löwe waren so gut,
als sie in diesem Stück und in ihren Rollen sein
konnten. Frau oder Fräulein Carneri haben
wir nur zwei Worte zu sagen: Lieber nicht! So
war denn der ganze Abend nicht erfreulich und man
kann nur hoffen, daß bald andere lustige, fesche
[Spaltenumbruch] und nicht freche Operetten uns den 15. September
vergessen machen werden. Direktor Aman ist ein
guter Theaterfeldherr und verfügt über tüchtige
Truppen, warum hat er sich diesmal darauf
kapriziert, eine Niederlage zu erleiden? a. v. b.

-- Das Jubiläumstheater

hat am Samstag
für das neue Vierteljahr mit einer wohlgestimmten
Harmonie eingesetzt. "Figaros Hochzeit" fand eine
Aufführung, die nichts zu wünschen übrig ließ. Sie
war tadellos. Der enthusiastische Beifall, den die
Damen Musil, Petko, Kellersperg und
Wenger fanden, war durchaus verdient und auch
die Herren Hofbauer, Lordmann und Wasch-
mann
entledigten sich ihrer Aufgabe mit Erfolg.
Es war ein trefflicher Abend. Das unter der tüch-
tigen Führung Zemlinskys stehende Orchester hat
eine Verstärkung erhalten, die sehr angenehm auf-
fiel; die orchestrale Leistungsfähigkeit wurde dadurch
auf eine vornehme Höhe gebracht. F.

-- Jubiläumstheater.

Drängte sich nicht immer
wieder das Bedauern heran, daß die Bühne am Währin-
ger Gürtel ihrem ursprünglichen, mit solchem "Stolz in
der Brust, siegesbewußt" und hochtönenden Worten
aller Welt verkündetem Zwecke dank der Ungeschicklich-
keit und Halbschlächtigkeit des ersten und der Ge-
wandtheit des gegenwärtigen Direktors untreu und
aus einer Bühne, die wir einst froh die unsere
nannten, einfach eine Bühne unter den Bühnen ge-
worden ist, die Freude an der gestrigen Carmen-
Aufführung wäre eine ungemischte. Man hatte das
Gefühl, die Hofopernleitung möge nur ruhig
nach dem Beispiel der Grubenbesitzer und
Fleischhauer die geplante Preiserhöhung ein-
treten lassen, die Bevölkerung Wiens wird
deshalb nicht um seine Opern kommen. Was gestern
am Währinger Gürtel geboten wurde, das war nicht
Notbehelf oder Auskunftsmittel, das war vollwertige
Konkurrenz und Ersatz. Das Orchester unter der
umsichtigen Leitung des Schweriner Hofkapellmeisters
Karl Gille spielte mit Schwung und Feuer, die nach
den ersten Takten des Vorspiels schon echteste
Carmen-Stimmung ins Haus bannten. Und auf der
Bühne: Fr. Stagl gab in Spiel und Gesang
mit Meisterschaft das Rätselvolle, Rassige der Titel-
heldin wieder; Frl. Wengers Micaela ließ
Stimmittel hören, die für einen viel größeren
Raum ausreichten, als ihn die Volksoper besitzt.
Der Escamillo des Herrn Melms war eine
kaum zu überbietende Leistung. Sein "Auf
in den Kampf" elektrisierte die Zuhörer. Den Don
Jose sang und mimte -- das "mimte" verdient eine
Betonung -- der Gast Wallnöfer, dessen Können
von Szene zu Szene in hellerer Beleuchtung er-
strahlte. Die Damen Musil und v. Kellersperg,
(Zigeunermädchen), die Herren Markowsky
(Zuuiga), Bara (Morales) Richter und Kracher
(Schmuggler) führten ihre Nebenrollen in durchaus
befriedigender Weise durch. Ein Speziallob gebührt
dem Chor. Die neuen Dekorationen und Kostüme
machen Bizets Werk zu einem Ausstattungsstück.
Man muß bekennen: die Abkehr vom ursprünglichen
Zweck der Bühne wird sehr versüßt. --a--.

-- Bürgertheater.

"Das Mantelkind",
ein Lustspiel von Walter Harlau. Erstaufführung
Samstag den 15. September. Ein Kapitän hat
einer reichen Kunstmäcenatin die Hand gereicht und
seine frühere Liebe mit seinem Kinde im Stiche ge-
lassen. Das ist kein Vorwurf für ein Lustspiel; diesen
Titel rechtfertigte auch die Handlung nicht und so
wartete das Publikum vergebens darauf, daß endlich
die traurigen Gesichter auf der Bühne verschwinden:
Nein, fünf Akte lang stückelt die Heldin Lise Eckhoff
(Else Heller), den Beweis der Untreue der Gattin des
Kapitäns zusammen, um ihren Geliebten wieder zu
erobern, der felsenfest seiner Frau vertraute und die
verlassene Geliebte in fast brutaler Weise behandelte.
Eine gut getroffene Figur ist die des Bildhauers
Jasper Kaspari, der von der Kunstmäcenatin lebt,
ein Menschenexemplar mit den verblüffendsten An-
schauungen. Gespielt wurde mit aller Aufopferung
besonders von Fräulein Heller, Fräulein Hüter und
Max Brückner. Das traurige Lustspiel wird nicht lange
auf dem Repertoire bleiben.

-- Deutsches Volkstheater.

Samstag den
22. d. M. findet die erste Aufführung des drei-
aktigen Dramas "Marie Friedhammer" von Heinrich
Lilienfein statt.

-- Lustspieltheater.

Am Dienstag werden die
En-suite-Aufführungen von "Wäschermädel" unter-
brochen, um einer Neuaufführung der Parodie
"Margarete und Fäustling" von Julius Hopp und
des einaktigen Schwankes "Andulka" von Ludwig
Wolff, Platz zu machen. In beiden Stücken ist Hanst
Niese in hervorragenden Rollen beschäftigt.




Kirchliches.
-- Kirchenrenovierung.

Am 9. d. M. fand
in Hennersdorf bei Wien anläßlich der glücklich
vollendeten Renovierung der Pfarrkirche eine sehr
schöne Feierlichkeit statt. Herr Dechant Emil Pursch
hielt in der Kirche eine herrliche Anrede an die
zahlreich versammelten Pfarrkinder, in welcher er
seiner Freude Ausdruck gab, daß es dem unermüd-
lichen Bestreben des hochw. Herrn Pfarrers Sigmund
Feilbogen gelungen sei, der Pfarrkirche solchen

Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906 212

[Spaltenumbruch] Reform in der prozentualen Bemeſſung und Zu-
erkennung der Heilverfahrens- und Schadenerſatz-
rente; 2. die endgültige Belaſſung der einmal zu-
erkannten ſogenannten dauernden Renten; 3. die
pollſtändige Gleichſtellung des Betriebsunfalles
mit dem Verkehrsunfall hinſichtlich der Renten-
bemeſſung; 4. eine Reform des Schiedsgerichtes
und eine Unterordnung der in Oeſterreich beſtehen-
den acht Schiedsgerichte unter die Judikatur des
Oberſten Gerichtshofes.




Von den Hochſchulen.

Einhebung eines Bibliotheksbeitrages
von den Univerſitäts-Studierenden. Eine Verord-
nung des Miniſters für Kultus und Unterricht
beſtimmt, daß vom nächſten Studienjahre an jeder
zum Beſuche von Univerſitätsvorleſungen zugelaſſene
Studierende gelegentlich ſeiner Inſkription (als
ordentlicher oder außerordentlicher Hörer, Hörerin,
Frequentant oder Hoſpitantin) bei der Univerſitäts-
quäſtur einen Bibliotheksbeitrag zu entrichten hat,
welcher für die dem öſterreichiſchen Staats-
verbande
angehörigen Studierenden mit
einer Krone, für alle übrigen Stu-
dierenden
mit zwei Kronen für das
Semeſter bemeſſen iſt; Befreiungen von
dieſem Bibliotheksbeitrage finden nicht ſtatt.
Die reichlichere Dotierung der Univerſitäts-
bibliotheken wird den Studierenden, namentlich
den minder bemittelten, die ſich die nötigen Lehr-
behelfe nur ſchwer beſchaffen könnten, ſelbſt wieder
zuſtatten kommen, und es iſt von dem Herrn
Miniſter für Kultus und Unterricht den Uni-
verſitätsbibliothekaren nahegelegt worden, für die
regelmäßige Anſchaffung einer genügenden Anzahl
der von den Studierenden zumeiſt begehrten Lehr-
bücher, Autorentexte und Nachſchlagwerke, ſowie
ſonſtiger für den Studienbetrieb nötiger Bücher
Sorge zu tragen. Auch iſt ſeitens der Unterrichts-
verwaltung geplant, bei einer in Ausſicht ſtehenden
Reviſion der ſchon vielfach veralteten Entlehnungs-
vorſchriften für die Univerſitätsbibliotheken in den
Ausleihbefugniſſen der Studierenden und Prü-
fungskandidaten, namentlich ſoweit es ſich um
die häusliche Benützung der entlehnten Werke
handelt, alle tunlichen Erleichterungen eintreten
zu laſſen.

Die katholiſche Univerſität Freiburg
in der Schweiz.
Man ſchreibt uns aus Frei-
burg in der Schweiz: Freiburg iſt ein reizendes
Univerſitätsſtädtchen, das leider bei uns Oeſter-
reichern noch zu wenig bekannt iſt. Mitten in
proteſtantiſcher Umgebung liegt der katholiſche
Kanton Freiburg mit der gleichnamigen Hauptſtadt;
und dieſes kleine Städtchen mit dem gerade nicht
allzu reichen Kanton hat das, was unſer großes
Oeſterreich haben möchte, ſchon ſeit 17 Jahren: eine
katholiſche Univerſität. Die Opferwilligkeit ſeiner
Bürger hat dieſes große Werk zuſtande gebracht.
Abgeſehen von dem durchaus katholiſchen Charakter
muß jeder, der auch nur ein Semeſter dort zu-
gebracht hat, zugeben, daß Freiburg eine der
angenehmſten Univerſitätsſtädte iſt. Freiburg
vereint nämlich die verſchiedenſten Vorzüge. Wer
fleißig arbeiten will, dem wird Freiburg beſſer
paſſen als manche andere Stadt; die Nachteile der
Großſtadt fallen hier weg, die faſt kleinſtädtiſche
Ruhe raubt niemanden, der es nicht will, die
Sammlung. Doch ſoll dies keineswegs beſagen,
daß es ein langweiliges Leben wäre, daß man
dort lebt. Zahlreichen geſunden Freuden iſt dort
Gelegenheit geboten: Seine ſchöne Lage, nahe
den Hochalpen, ſein kräftiges Klima machen es
dem Freunde der Berge beliebt; Tagespartien,
wie an den Genfer See, Lauſanne und Montreux,
das Paradies der Schweiz, in die Freiburger und
Berner Alpen, die altehrwürdige und hoch inter-
eſſante Stadt Bern kaum dreiviertel Stunden
Bahnfahrt entfernt, Schnee- und Eisſport im
Winter, Naturfreuden an Wald und Au im
Sommer, das macht es für jenen entzückend, der
ein oder zwei Semeſter „verbummeln“ oder doch
unter leichterer Arbeit nur zubringen will. Eine
liebenswürdige Bevölkerung, ein ſchönes Zu-
ſammengehen zwiſchen Profeſſoren und Studenten,
überhaupt der geſunde Geiſt, der die letzteren auch
beſeelt, das iſt einer der größten Reize
Freiburgs. Auch die Lebensverhältniſſe da-
ſelbſt ſind eher billig als teuer zu nennen.
Beſonders aber iſt es jenen anzuraten, die ſich in
der franzöſiſchen Sprache vervollkommen wollen
oder ſie erſt zu lernen gedenken, alſo für Neu-
philologen, denen ja auch nach unſerem Lehrplane
zwei Semeſter im Auslande geſtattet ſind. Man
ſpricht ſehr viel franzöſiſch in Fribourg, alſo Ge-
[Spaltenumbruch] legenheit genug für den, der ernſtlich lernen und
praktiſch üben will. Man erſpart Paris. Wer aber
das Franzöſiſche nicht beherrſcht, der wird faſt
überall mit dem Deutſchen durchkommen, denn die
Univerſität, Profeſſoren ſowie Studenten, ſind zur
guten Hälfte deutſch. Ferner ſind faſt alle Nationen
Europas vertreten, auch viele Amerikaner ſind zu
treffen und gerade dieſer internationale Charakter
iſt für den Studierenden ein Vorteil. Auch für
Theologen wäre es ſehr anzuraten, ob ſie nun in
einem der vielen Konvikte oder frei für ſich leben
wollen. Die theologiſchen und philoſophiſchen
Lehrkräfte verdienen alle Anerkennung für ihre
großen Leiſtungen; Scholaſtik, vereint mit den
wahren Errungenſchaften des modernen Wiſſens
blüht hier als wahre chriſtliche Philoſophie, der
man weder Verknöcherung und Rückſtändigkeit
noch auch das Verworrene und Zielloſe der mo-
dernen, ungläubigen Philoſophie vorwerfen kann.
Es iſt die Neu-Scholaſtik von Freiburg und
Löwen. Sehr wichtig und nicht zu vergeſſen ſind
die Sozialwiſſenſchaften; Namen, wie Decurtius
und Beck, deren Ruf bekannt iſt, ſprechen genug.
Auch die Studentenſchaft arbeitet fleißig auf
ſozialpolitiſchem, auch praktiſchem ſozialwiſſen-
ſchaftlichem Gebiete. Mediziniſche Falkultät iſt noch
keine errichtet, dafür ſind die Naturwiſſenſchaften
als getrennte vierte Fakultät behandelt. Lehrpro-
gramme verſendet gerne auf Anfragen die Univer-
ſitätskanzlei Freiburg in der Schweiz. Was ſchließ-
lich das kleine Städtchen ſelbſt mit ſeinen alten
Bauten und Türmen, mit ſeinen hängenden Brücken,
die ſich hoch in der Luft über die grünen Wogen
der ſchäumenden Sarine ſchwingen, und anderer-
ſeits mit den modernen Neubauten und Anlagen
draußen in Perolles, betrifft, ſo kann man nur
ſagen, das man es lieb gewinnen muß.




Theater, Kunſt und Muſik.
— Carl-Theater.

Aller Anfang kann ſchwer
ſein, aber er braucht nicht ſchlecht zu ſein. Das hätte
die Direktion bedenken ſollen, als ſie dem Publikum
die erſte Neuheit nach der Wiedereröffnung vorführte.
Die Saiſon iſt ein eben erſt geborenes zartes Kind-
lein und ihr mit einer ſolchen Operette zu kommen
— wie das vorgeſtern gehörte „Mutzi“ — iſt eine
Kindesmißhandlung, um welche die Kinderſchutz-
ſtationen ſich annehmen ſollten. Die Muſik von
Joſef Hellmesberger allerdings iſt recht hübſch,
aber eine Operette beſteht, wie ziemlich bekannt iſt,
aus zwei Teilen: Text und Muſik. Und nur eine
ſchlechte Tradition hat dazu geführt, das
Libretto einer Operette für eine „Nebenſache“
zu erklären. Gerade das Carl-Theater
hat in der letzen Zeit einige Operetten hervorgebracht,
die muſikaliſch und textlich gut waren. So die
„Schützenlieſel“, „Hugdietrichs Brautfahrt“ und
„Krieg im Frieden“. Was aber Samstag ſich als
Libretto gegeben hat, iſt ein ſo ungenügendes Mach-
werk, daß man ſich fragen mußte: Wie konnte
Hellmesberger dieſes Buch annehmen und die ſonſt
ſo geſchickte Theaterleitung dazu ihren Segen geben?
Die Handlung iſt nicht nur ſehr dünn, ſondern auch
unitereſſant, weil ſtark abgebraucht. Der Dialog zieht
ſich ſtrudelteigartig in die Länge und enthält teils
keine, teils alte Witze, dafür aber mehrere Monologe,
Reden der Bedienten in Gegenwart der Herrſchaft
und ähnliche Schönheiten. Der Gang der Handlung
iſt ſo geſchickt geführt, daß die Soubrette des
Stückes im erſten Akt gar nicht und im letzten
nur kurze Zeit und da ganz überflüſſiger Weiſe auf
die Bühne kommt. Zwei Komikerpartien beſtehen aus
einer beziehungsweiſe zwei Szenen im erſten Akt.
Dann ſieht man die beiden Komiker nicht mehr.
Das ganze „Stück“ ſoll neben Frau Zwerenz
Herr Guttmann halten und zwar werden dieſe
beiden Kräfte zu ganz geſchmackloſen, ja unfeinen
und widerſinnigen Tänzen genötigt. Herr Guttmann
verläßt ſich überhaupt immer mehr und mehr auf
ſeine langen Beine und zieht bei der Ausübung
ſeines Kunſthandwerks den Verſtand immer weniger
zu Rate. Auch Frau Zwerenz übertreibt noch mehr,
als ſie ſich auf Grund ihrer Beliebtheit erlauben
darf. Blaſel und Waldemar, auf deren Er-
ſcheinen man ſich immer freut, haben die zwei
oben erwähnten kurzatmigen Rollen. Sie
ſingen ein Entree-Duett, das muſikaliſch gut iſt,
und — verſchwinden für den ganzen weiteren
Teil des Abends. Sie werden förmlich fallen
gelaſſen, wie wenn die Autoren des Stückes ſich’s
nachträglich mit ihnen anders überlegt hätten. Dafür
bleibt dem Publikum — Herr Kunſtadt. Haßt
ein Erſatz, wie man in der Leopoldſtadt ſagt. Herr
Kumpa iſt unangenehm vordringlich und ſchreit
ins Publikum hinein, wie ein Prater-Rekommandeur.
Die Damen Merviola und Löwe waren ſo gut,
als ſie in dieſem Stück und in ihren Rollen ſein
konnten. Frau oder Fräulein Carneri haben
wir nur zwei Worte zu ſagen: Lieber nicht! So
war denn der ganze Abend nicht erfreulich und man
kann nur hoffen, daß bald andere luſtige, feſche
[Spaltenumbruch] und nicht freche Operetten uns den 15. September
vergeſſen machen werden. Direktor Aman iſt ein
guter Theaterfeldherr und verfügt über tüchtige
Truppen, warum hat er ſich diesmal darauf
kapriziert, eine Niederlage zu erleiden? a. v. b.

— Das Jubiläumstheater

hat am Samstag
für das neue Vierteljahr mit einer wohlgeſtimmten
Harmonie eingeſetzt. „Figaros Hochzeit“ fand eine
Aufführung, die nichts zu wünſchen übrig ließ. Sie
war tadellos. Der enthuſiaſtiſche Beifall, den die
Damen Muſil, Petko, Kellersperg und
Wenger fanden, war durchaus verdient und auch
die Herren Hofbauer, Lordmann und Waſch-
mann
entledigten ſich ihrer Aufgabe mit Erfolg.
Es war ein trefflicher Abend. Das unter der tüch-
tigen Führung Zemlinskys ſtehende Orcheſter hat
eine Verſtärkung erhalten, die ſehr angenehm auf-
fiel; die orcheſtrale Leiſtungsfähigkeit wurde dadurch
auf eine vornehme Höhe gebracht. F.

— Jubiläumstheater.

Drängte ſich nicht immer
wieder das Bedauern heran, daß die Bühne am Währin-
ger Gürtel ihrem urſprünglichen, mit ſolchem „Stolz in
der Bruſt, ſiegesbewußt“ und hochtönenden Worten
aller Welt verkündetem Zwecke dank der Ungeſchicklich-
keit und Halbſchlächtigkeit des erſten und der Ge-
wandtheit des gegenwärtigen Direktors untreu und
aus einer Bühne, die wir einſt froh die unſere
nannten, einfach eine Bühne unter den Bühnen ge-
worden iſt, die Freude an der geſtrigen Carmen-
Aufführung wäre eine ungemiſchte. Man hatte das
Gefühl, die Hofopernleitung möge nur ruhig
nach dem Beiſpiel der Grubenbeſitzer und
Fleiſchhauer die geplante Preiserhöhung ein-
treten laſſen, die Bevölkerung Wiens wird
deshalb nicht um ſeine Opern kommen. Was geſtern
am Währinger Gürtel geboten wurde, das war nicht
Notbehelf oder Auskunftsmittel, das war vollwertige
Konkurrenz und Erſatz. Das Orcheſter unter der
umſichtigen Leitung des Schweriner Hofkapellmeiſters
Karl Gille ſpielte mit Schwung und Feuer, die nach
den erſten Takten des Vorſpiels ſchon echteſte
Carmen-Stimmung ins Haus bannten. Und auf der
Bühne: Fr. Stagl gab in Spiel und Geſang
mit Meiſterſchaft das Rätſelvolle, Raſſige der Titel-
heldin wieder; Frl. Wengers Micaela ließ
Stimmittel hören, die für einen viel größeren
Raum ausreichten, als ihn die Volksoper beſitzt.
Der Escamillo des Herrn Melms war eine
kaum zu überbietende Leiſtung. Sein „Auf
in den Kampf“ elektriſierte die Zuhörer. Den Don
Joſé ſang und mimte — das „mimte“ verdient eine
Betonung — der Gaſt Wallnöfer, deſſen Können
von Szene zu Szene in hellerer Beleuchtung er-
ſtrahlte. Die Damen Muſil und v. Kellersperg,
(Zigeunermädchen), die Herren Markowsky
(Zuuiga), Bara (Morales) Richter und Kracher
(Schmuggler) führten ihre Nebenrollen in durchaus
befriedigender Weiſe durch. Ein Speziallob gebührt
dem Chor. Die neuen Dekorationen und Koſtüme
machen Bizets Werk zu einem Ausſtattungsſtück.
Man muß bekennen: die Abkehr vom urſprünglichen
Zweck der Bühne wird ſehr verſüßt. a—.

— Bürgertheater.

„Das Mantelkind“,
ein Luſtſpiel von Walter Harlau. Erſtaufführung
Samstag den 15. September. Ein Kapitän hat
einer reichen Kunſtmäcenatin die Hand gereicht und
ſeine frühere Liebe mit ſeinem Kinde im Stiche ge-
laſſen. Das iſt kein Vorwurf für ein Luſtſpiel; dieſen
Titel rechtfertigte auch die Handlung nicht und ſo
wartete das Publikum vergebens darauf, daß endlich
die traurigen Geſichter auf der Bühne verſchwinden:
Nein, fünf Akte lang ſtückelt die Heldin Liſe Eckhoff
(Elſe Heller), den Beweis der Untreue der Gattin des
Kapitäns zuſammen, um ihren Geliebten wieder zu
erobern, der felſenfeſt ſeiner Frau vertraute und die
verlaſſene Geliebte in faſt brutaler Weiſe behandelte.
Eine gut getroffene Figur iſt die des Bildhauers
Jaſper Kaſpari, der von der Kunſtmäcenatin lebt,
ein Menſchenexemplar mit den verblüffendſten An-
ſchauungen. Geſpielt wurde mit aller Aufopferung
beſonders von Fräulein Heller, Fräulein Hüter und
Max Brückner. Das traurige Luſtſpiel wird nicht lange
auf dem Repertoire bleiben.

— Deutſches Volkstheater.

Samstag den
22. d. M. findet die erſte Aufführung des drei-
aktigen Dramas „Marie Friedhammer“ von Heinrich
Lilienfein ſtatt.

— Luſtſpieltheater.

Am Dienstag werden die
En-suite-Aufführungen von „Wäſchermädel“ unter-
brochen, um einer Neuaufführung der Parodie
„Margarete und Fäuſtling“ von Julius Hopp und
des einaktigen Schwankes „Andulka“ von Ludwig
Wolff, Platz zu machen. In beiden Stücken iſt Hanſt
Nieſe in hervorragenden Rollen beſchäftigt.




Kirchliches.
— Kirchenrenovierung.

Am 9. d. M. fand
in Hennersdorf bei Wien anläßlich der glücklich
vollendeten Renovierung der Pfarrkirche eine ſehr
ſchöne Feierlichkeit ſtatt. Herr Dechant Emil Purſch
hielt in der Kirche eine herrliche Anrede an die
zahlreich verſammelten Pfarrkinder, in welcher er
ſeiner Freude Ausdruck gab, daß es dem unermüd-
lichen Beſtreben des hochw. Herrn Pfarrers Sigmund
Feilbogen gelungen ſei, der Pfarrkirche ſolchen

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[10/0010] Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906 212 Reform in der prozentualen Bemeſſung und Zu- erkennung der Heilverfahrens- und Schadenerſatz- rente; 2. die endgültige Belaſſung der einmal zu- erkannten ſogenannten dauernden Renten; 3. die pollſtändige Gleichſtellung des Betriebsunfalles mit dem Verkehrsunfall hinſichtlich der Renten- bemeſſung; 4. eine Reform des Schiedsgerichtes und eine Unterordnung der in Oeſterreich beſtehen- den acht Schiedsgerichte unter die Judikatur des Oberſten Gerichtshofes. Von den Hochſchulen. Einhebung eines Bibliotheksbeitrages von den Univerſitäts-Studierenden. Eine Verord- nung des Miniſters für Kultus und Unterricht beſtimmt, daß vom nächſten Studienjahre an jeder zum Beſuche von Univerſitätsvorleſungen zugelaſſene Studierende gelegentlich ſeiner Inſkription (als ordentlicher oder außerordentlicher Hörer, Hörerin, Frequentant oder Hoſpitantin) bei der Univerſitäts- quäſtur einen Bibliotheksbeitrag zu entrichten hat, welcher für die dem öſterreichiſchen Staats- verbande angehörigen Studierenden mit einer Krone, für alle übrigen Stu- dierenden mit zwei Kronen für das Semeſter bemeſſen iſt; Befreiungen von dieſem Bibliotheksbeitrage finden nicht ſtatt. Die reichlichere Dotierung der Univerſitäts- bibliotheken wird den Studierenden, namentlich den minder bemittelten, die ſich die nötigen Lehr- behelfe nur ſchwer beſchaffen könnten, ſelbſt wieder zuſtatten kommen, und es iſt von dem Herrn Miniſter für Kultus und Unterricht den Uni- verſitätsbibliothekaren nahegelegt worden, für die regelmäßige Anſchaffung einer genügenden Anzahl der von den Studierenden zumeiſt begehrten Lehr- bücher, Autorentexte und Nachſchlagwerke, ſowie ſonſtiger für den Studienbetrieb nötiger Bücher Sorge zu tragen. Auch iſt ſeitens der Unterrichts- verwaltung geplant, bei einer in Ausſicht ſtehenden Reviſion der ſchon vielfach veralteten Entlehnungs- vorſchriften für die Univerſitätsbibliotheken in den Ausleihbefugniſſen der Studierenden und Prü- fungskandidaten, namentlich ſoweit es ſich um die häusliche Benützung der entlehnten Werke handelt, alle tunlichen Erleichterungen eintreten zu laſſen. Die katholiſche Univerſität Freiburg in der Schweiz. Man ſchreibt uns aus Frei- burg in der Schweiz: Freiburg iſt ein reizendes Univerſitätsſtädtchen, das leider bei uns Oeſter- reichern noch zu wenig bekannt iſt. Mitten in proteſtantiſcher Umgebung liegt der katholiſche Kanton Freiburg mit der gleichnamigen Hauptſtadt; und dieſes kleine Städtchen mit dem gerade nicht allzu reichen Kanton hat das, was unſer großes Oeſterreich haben möchte, ſchon ſeit 17 Jahren: eine katholiſche Univerſität. Die Opferwilligkeit ſeiner Bürger hat dieſes große Werk zuſtande gebracht. Abgeſehen von dem durchaus katholiſchen Charakter muß jeder, der auch nur ein Semeſter dort zu- gebracht hat, zugeben, daß Freiburg eine der angenehmſten Univerſitätsſtädte iſt. Freiburg vereint nämlich die verſchiedenſten Vorzüge. Wer fleißig arbeiten will, dem wird Freiburg beſſer paſſen als manche andere Stadt; die Nachteile der Großſtadt fallen hier weg, die faſt kleinſtädtiſche Ruhe raubt niemanden, der es nicht will, die Sammlung. Doch ſoll dies keineswegs beſagen, daß es ein langweiliges Leben wäre, daß man dort lebt. Zahlreichen geſunden Freuden iſt dort Gelegenheit geboten: Seine ſchöne Lage, nahe den Hochalpen, ſein kräftiges Klima machen es dem Freunde der Berge beliebt; Tagespartien, wie an den Genfer See, Lauſanne und Montreux, das Paradies der Schweiz, in die Freiburger und Berner Alpen, die altehrwürdige und hoch inter- eſſante Stadt Bern kaum dreiviertel Stunden Bahnfahrt entfernt, Schnee- und Eisſport im Winter, Naturfreuden an Wald und Au im Sommer, das macht es für jenen entzückend, der ein oder zwei Semeſter „verbummeln“ oder doch unter leichterer Arbeit nur zubringen will. Eine liebenswürdige Bevölkerung, ein ſchönes Zu- ſammengehen zwiſchen Profeſſoren und Studenten, überhaupt der geſunde Geiſt, der die letzteren auch beſeelt, das iſt einer der größten Reize Freiburgs. Auch die Lebensverhältniſſe da- ſelbſt ſind eher billig als teuer zu nennen. Beſonders aber iſt es jenen anzuraten, die ſich in der franzöſiſchen Sprache vervollkommen wollen oder ſie erſt zu lernen gedenken, alſo für Neu- philologen, denen ja auch nach unſerem Lehrplane zwei Semeſter im Auslande geſtattet ſind. Man ſpricht ſehr viel franzöſiſch in Fribourg, alſo Ge- legenheit genug für den, der ernſtlich lernen und praktiſch üben will. Man erſpart Paris. Wer aber das Franzöſiſche nicht beherrſcht, der wird faſt überall mit dem Deutſchen durchkommen, denn die Univerſität, Profeſſoren ſowie Studenten, ſind zur guten Hälfte deutſch. Ferner ſind faſt alle Nationen Europas vertreten, auch viele Amerikaner ſind zu treffen und gerade dieſer internationale Charakter iſt für den Studierenden ein Vorteil. Auch für Theologen wäre es ſehr anzuraten, ob ſie nun in einem der vielen Konvikte oder frei für ſich leben wollen. Die theologiſchen und philoſophiſchen Lehrkräfte verdienen alle Anerkennung für ihre großen Leiſtungen; Scholaſtik, vereint mit den wahren Errungenſchaften des modernen Wiſſens blüht hier als wahre chriſtliche Philoſophie, der man weder Verknöcherung und Rückſtändigkeit noch auch das Verworrene und Zielloſe der mo- dernen, ungläubigen Philoſophie vorwerfen kann. Es iſt die Neu-Scholaſtik von Freiburg und Löwen. Sehr wichtig und nicht zu vergeſſen ſind die Sozialwiſſenſchaften; Namen, wie Decurtius und Beck, deren Ruf bekannt iſt, ſprechen genug. Auch die Studentenſchaft arbeitet fleißig auf ſozialpolitiſchem, auch praktiſchem ſozialwiſſen- ſchaftlichem Gebiete. Mediziniſche Falkultät iſt noch keine errichtet, dafür ſind die Naturwiſſenſchaften als getrennte vierte Fakultät behandelt. Lehrpro- gramme verſendet gerne auf Anfragen die Univer- ſitätskanzlei Freiburg in der Schweiz. Was ſchließ- lich das kleine Städtchen ſelbſt mit ſeinen alten Bauten und Türmen, mit ſeinen hängenden Brücken, die ſich hoch in der Luft über die grünen Wogen der ſchäumenden Sarine ſchwingen, und anderer- ſeits mit den modernen Neubauten und Anlagen draußen in Perolles, betrifft, ſo kann man nur ſagen, das man es lieb gewinnen muß. Theater, Kunſt und Muſik. — Carl-Theater. Aller Anfang kann ſchwer ſein, aber er braucht nicht ſchlecht zu ſein. Das hätte die Direktion bedenken ſollen, als ſie dem Publikum die erſte Neuheit nach der Wiedereröffnung vorführte. Die Saiſon iſt ein eben erſt geborenes zartes Kind- lein und ihr mit einer ſolchen Operette zu kommen — wie das vorgeſtern gehörte „Mutzi“ — iſt eine Kindesmißhandlung, um welche die Kinderſchutz- ſtationen ſich annehmen ſollten. Die Muſik von Joſef Hellmesberger allerdings iſt recht hübſch, aber eine Operette beſteht, wie ziemlich bekannt iſt, aus zwei Teilen: Text und Muſik. Und nur eine ſchlechte Tradition hat dazu geführt, das Libretto einer Operette für eine „Nebenſache“ zu erklären. Gerade das Carl-Theater hat in der letzen Zeit einige Operetten hervorgebracht, die muſikaliſch und textlich gut waren. So die „Schützenlieſel“, „Hugdietrichs Brautfahrt“ und „Krieg im Frieden“. Was aber Samstag ſich als Libretto gegeben hat, iſt ein ſo ungenügendes Mach- werk, daß man ſich fragen mußte: Wie konnte Hellmesberger dieſes Buch annehmen und die ſonſt ſo geſchickte Theaterleitung dazu ihren Segen geben? Die Handlung iſt nicht nur ſehr dünn, ſondern auch unitereſſant, weil ſtark abgebraucht. Der Dialog zieht ſich ſtrudelteigartig in die Länge und enthält teils keine, teils alte Witze, dafür aber mehrere Monologe, Reden der Bedienten in Gegenwart der Herrſchaft und ähnliche Schönheiten. Der Gang der Handlung iſt ſo geſchickt geführt, daß die Soubrette des Stückes im erſten Akt gar nicht und im letzten nur kurze Zeit und da ganz überflüſſiger Weiſe auf die Bühne kommt. Zwei Komikerpartien beſtehen aus einer beziehungsweiſe zwei Szenen im erſten Akt. Dann ſieht man die beiden Komiker nicht mehr. Das ganze „Stück“ ſoll neben Frau Zwerenz Herr Guttmann halten und zwar werden dieſe beiden Kräfte zu ganz geſchmackloſen, ja unfeinen und widerſinnigen Tänzen genötigt. Herr Guttmann verläßt ſich überhaupt immer mehr und mehr auf ſeine langen Beine und zieht bei der Ausübung ſeines Kunſthandwerks den Verſtand immer weniger zu Rate. Auch Frau Zwerenz übertreibt noch mehr, als ſie ſich auf Grund ihrer Beliebtheit erlauben darf. Blaſel und Waldemar, auf deren Er- ſcheinen man ſich immer freut, haben die zwei oben erwähnten kurzatmigen Rollen. Sie ſingen ein Entree-Duett, das muſikaliſch gut iſt, und — verſchwinden für den ganzen weiteren Teil des Abends. Sie werden förmlich fallen gelaſſen, wie wenn die Autoren des Stückes ſich’s nachträglich mit ihnen anders überlegt hätten. Dafür bleibt dem Publikum — Herr Kunſtadt. Haßt ein Erſatz, wie man in der Leopoldſtadt ſagt. Herr Kumpa iſt unangenehm vordringlich und ſchreit ins Publikum hinein, wie ein Prater-Rekommandeur. Die Damen Merviola und Löwe waren ſo gut, als ſie in dieſem Stück und in ihren Rollen ſein konnten. Frau oder Fräulein Carneri haben wir nur zwei Worte zu ſagen: Lieber nicht! So war denn der ganze Abend nicht erfreulich und man kann nur hoffen, daß bald andere luſtige, feſche und nicht freche Operetten uns den 15. September vergeſſen machen werden. Direktor Aman iſt ein guter Theaterfeldherr und verfügt über tüchtige Truppen, warum hat er ſich diesmal darauf kapriziert, eine Niederlage zu erleiden? a. v. b. — Das Jubiläumstheater hat am Samstag für das neue Vierteljahr mit einer wohlgeſtimmten Harmonie eingeſetzt. „Figaros Hochzeit“ fand eine Aufführung, die nichts zu wünſchen übrig ließ. Sie war tadellos. Der enthuſiaſtiſche Beifall, den die Damen Muſil, Petko, Kellersperg und Wenger fanden, war durchaus verdient und auch die Herren Hofbauer, Lordmann und Waſch- mann entledigten ſich ihrer Aufgabe mit Erfolg. Es war ein trefflicher Abend. Das unter der tüch- tigen Führung Zemlinskys ſtehende Orcheſter hat eine Verſtärkung erhalten, die ſehr angenehm auf- fiel; die orcheſtrale Leiſtungsfähigkeit wurde dadurch auf eine vornehme Höhe gebracht. F. — Jubiläumstheater. Drängte ſich nicht immer wieder das Bedauern heran, daß die Bühne am Währin- ger Gürtel ihrem urſprünglichen, mit ſolchem „Stolz in der Bruſt, ſiegesbewußt“ und hochtönenden Worten aller Welt verkündetem Zwecke dank der Ungeſchicklich- keit und Halbſchlächtigkeit des erſten und der Ge- wandtheit des gegenwärtigen Direktors untreu und aus einer Bühne, die wir einſt froh die unſere nannten, einfach eine Bühne unter den Bühnen ge- worden iſt, die Freude an der geſtrigen Carmen- Aufführung wäre eine ungemiſchte. Man hatte das Gefühl, die Hofopernleitung möge nur ruhig nach dem Beiſpiel der Grubenbeſitzer und Fleiſchhauer die geplante Preiserhöhung ein- treten laſſen, die Bevölkerung Wiens wird deshalb nicht um ſeine Opern kommen. Was geſtern am Währinger Gürtel geboten wurde, das war nicht Notbehelf oder Auskunftsmittel, das war vollwertige Konkurrenz und Erſatz. Das Orcheſter unter der umſichtigen Leitung des Schweriner Hofkapellmeiſters Karl Gille ſpielte mit Schwung und Feuer, die nach den erſten Takten des Vorſpiels ſchon echteſte Carmen-Stimmung ins Haus bannten. Und auf der Bühne: Fr. Stagl gab in Spiel und Geſang mit Meiſterſchaft das Rätſelvolle, Raſſige der Titel- heldin wieder; Frl. Wengers Micaela ließ Stimmittel hören, die für einen viel größeren Raum ausreichten, als ihn die Volksoper beſitzt. Der Escamillo des Herrn Melms war eine kaum zu überbietende Leiſtung. Sein „Auf in den Kampf“ elektriſierte die Zuhörer. Den Don Joſé ſang und mimte — das „mimte“ verdient eine Betonung — der Gaſt Wallnöfer, deſſen Können von Szene zu Szene in hellerer Beleuchtung er- ſtrahlte. Die Damen Muſil und v. Kellersperg, (Zigeunermädchen), die Herren Markowsky (Zuuiga), Bara (Morales) Richter und Kracher (Schmuggler) führten ihre Nebenrollen in durchaus befriedigender Weiſe durch. Ein Speziallob gebührt dem Chor. Die neuen Dekorationen und Koſtüme machen Bizets Werk zu einem Ausſtattungsſtück. Man muß bekennen: die Abkehr vom urſprünglichen Zweck der Bühne wird ſehr verſüßt. —a—. — Bürgertheater. „Das Mantelkind“, ein Luſtſpiel von Walter Harlau. Erſtaufführung Samstag den 15. September. Ein Kapitän hat einer reichen Kunſtmäcenatin die Hand gereicht und ſeine frühere Liebe mit ſeinem Kinde im Stiche ge- laſſen. Das iſt kein Vorwurf für ein Luſtſpiel; dieſen Titel rechtfertigte auch die Handlung nicht und ſo wartete das Publikum vergebens darauf, daß endlich die traurigen Geſichter auf der Bühne verſchwinden: Nein, fünf Akte lang ſtückelt die Heldin Liſe Eckhoff (Elſe Heller), den Beweis der Untreue der Gattin des Kapitäns zuſammen, um ihren Geliebten wieder zu erobern, der felſenfeſt ſeiner Frau vertraute und die verlaſſene Geliebte in faſt brutaler Weiſe behandelte. Eine gut getroffene Figur iſt die des Bildhauers Jaſper Kaſpari, der von der Kunſtmäcenatin lebt, ein Menſchenexemplar mit den verblüffendſten An- ſchauungen. Geſpielt wurde mit aller Aufopferung beſonders von Fräulein Heller, Fräulein Hüter und Max Brückner. Das traurige Luſtſpiel wird nicht lange auf dem Repertoire bleiben. — Deutſches Volkstheater. Samstag den 22. d. M. findet die erſte Aufführung des drei- aktigen Dramas „Marie Friedhammer“ von Heinrich Lilienfein ſtatt. — Luſtſpieltheater. Am Dienstag werden die En-suite-Aufführungen von „Wäſchermädel“ unter- brochen, um einer Neuaufführung der Parodie „Margarete und Fäuſtling“ von Julius Hopp und des einaktigen Schwankes „Andulka“ von Ludwig Wolff, Platz zu machen. In beiden Stücken iſt Hanſt Nieſe in hervorragenden Rollen beſchäftigt. Kirchliches. — Kirchenrenovierung. Am 9. d. M. fand in Hennersdorf bei Wien anläßlich der glücklich vollendeten Renovierung der Pfarrkirche eine ſehr ſchöne Feierlichkeit ſtatt. Herr Dechant Emil Purſch hielt in der Kirche eine herrliche Anrede an die zahlreich verſammelten Pfarrkinder, in welcher er ſeiner Freude Ausdruck gab, daß es dem unermüd- lichen Beſtreben des hochw. Herrn Pfarrers Sigmund Feilbogen gelungen ſei, der Pfarrkirche ſolchen

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 212, Wien, 18.09.1906, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost212_1906/10>, abgerufen am 28.04.2024.