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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843.

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drei Eigenschaften nur durch körperliche Übungen, so-
fern diese Ubungen ein Ganzes in sich bilden, und den
Körper als ein Ganzes vor Augen haben, errungen
werden kann, so folgt denn hieraus von selbst die
Nothwendigkeit der körperlichen Ausbil-
dung,
eben weil nur durch sie die Herrschaft über
den Körper zu erreichen und zu erringen ist, das von
Platon verlangte Gleichgewicht im Menschen erlangt
und gesichert werden kann.

So haben wir denn gefunden, daß der Mensch
auch in Beziehung auf seinen leiblichen Theil ausge-
bildet werden muß, wenn er Mensch im ursprünglichen
Sinne des Wortes bleiben will, wenn der Geist Herr
des Körpers sein und bleiben soll; 2) daß diese leib-
liche Bildung im Gleichklang mit der geistigen stehen
muß, und in der harmonischen Vereinigung von Kraft,
Gelenkigkeit und Gewandheit besteht; woraus denn 3)
als in No. 2. ausgesprochen, von selbst folgt, welche
Theile des Körpers, oder vielleicht deutlicher gesagt, in
welcher Beziehung wir den Körper üben und bilden
sollen, nämlich in Hinsicht auf Kraft, Gelenkigkeit und
Gewandheit; aber 4) nicht blos in welcher Hinsicht,
sondern auch auf welche Weise diese Bildung gesche-
hen soll. 1) Alle drei Theile, Kraft, Gelenkigkeit und
Gewandheit, sind nicht blos jeder für sich allein, ab-
gesondert von einander, sondern als ein harmonisches
Ganzes zu üben und zu bilden, so daß also die Kraft
nicht mehr als die Gelenkigkeit geübt wird, wodurch
eine gewisse Steifheit entstehen würde, sondern beide
in gleichem Maß und Grad; 2) darf diese körperliche
Bildung nur geschehen in Hinblick auf die geistige
Bildung, darf nicht als Ziel menschlicher Bildung gel-
ten, nicht als Zweck, sondern als Mittel, um das
Gleichgewicht in der menschlichen Bildung zu erlangen,
worin die antike Schönheit besteht. Aber wir ha-
ben die Nothwendigkeit leiblicher Bildung aus dem
Begriffe "Mensch" ohne Rücksicht auf Alter, Stand und
Geschlecht gefunden, doch auch diese Beziehungen kön-

drei Eigenſchaften nur durch körperliche Übungen, ſo-
fern dieſe Ubungen ein Ganzes in ſich bilden, und den
Körper als ein Ganzes vor Augen haben, errungen
werden kann, ſo folgt denn hieraus von ſelbſt die
Nothwendigkeit der körperlichen Ausbil-
dung,
eben weil nur durch ſie die Herrſchaft über
den Körper zu erreichen und zu erringen iſt, das von
Platon verlangte Gleichgewicht im Menſchen erlangt
und geſichert werden kann.

So haben wir denn gefunden, daß der Menſch
auch in Beziehung auf ſeinen leiblichen Theil ausge-
bildet werden muß, wenn er Menſch im urſprünglichen
Sinne des Wortes bleiben will, wenn der Geiſt Herr
des Körpers ſein und bleiben ſoll; 2) daß dieſe leib-
liche Bildung im Gleichklang mit der geiſtigen ſtehen
muß, und in der harmoniſchen Vereinigung von Kraft,
Gelenkigkeit und Gewandheit beſteht; woraus denn 3)
als in No. 2. ausgeſprochen, von ſelbſt folgt, welche
Theile des Körpers, oder vielleicht deutlicher geſagt, in
welcher Beziehung wir den Körper üben und bilden
ſollen, nämlich in Hinſicht auf Kraft, Gelenkigkeit und
Gewandheit; aber 4) nicht blos in welcher Hinſicht,
ſondern auch auf welche Weiſe dieſe Bildung geſche-
hen ſoll. 1) Alle drei Theile, Kraft, Gelenkigkeit und
Gewandheit, ſind nicht blos jeder für ſich allein, ab-
geſondert von einander, ſondern als ein harmoniſches
Ganzes zu üben und zu bilden, ſo daß alſo die Kraft
nicht mehr als die Gelenkigkeit geübt wird, wodurch
eine gewiſſe Steifheit entſtehen würde, ſondern beide
in gleichem Maß und Grad; 2) darf dieſe körperliche
Bildung nur geſchehen in Hinblick auf die geiſtige
Bildung, darf nicht als Ziel menſchlicher Bildung gel-
ten, nicht als Zweck, ſondern als Mittel, um das
Gleichgewicht in der menſchlichen Bildung zu erlangen,
worin die antike Schönheit beſteht. Aber wir ha-
ben die Nothwendigkeit leiblicher Bildung aus dem
Begriffe „Menſch“ ohne Rückſicht auf Alter, Stand und
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[8/0012] drei Eigenſchaften nur durch körperliche Übungen, ſo- fern dieſe Ubungen ein Ganzes in ſich bilden, und den Körper als ein Ganzes vor Augen haben, errungen werden kann, ſo folgt denn hieraus von ſelbſt die Nothwendigkeit der körperlichen Ausbil- dung, eben weil nur durch ſie die Herrſchaft über den Körper zu erreichen und zu erringen iſt, das von Platon verlangte Gleichgewicht im Menſchen erlangt und geſichert werden kann. So haben wir denn gefunden, daß der Menſch auch in Beziehung auf ſeinen leiblichen Theil ausge- bildet werden muß, wenn er Menſch im urſprünglichen Sinne des Wortes bleiben will, wenn der Geiſt Herr des Körpers ſein und bleiben ſoll; 2) daß dieſe leib- liche Bildung im Gleichklang mit der geiſtigen ſtehen muß, und in der harmoniſchen Vereinigung von Kraft, Gelenkigkeit und Gewandheit beſteht; woraus denn 3) als in No. 2. ausgeſprochen, von ſelbſt folgt, welche Theile des Körpers, oder vielleicht deutlicher geſagt, in welcher Beziehung wir den Körper üben und bilden ſollen, nämlich in Hinſicht auf Kraft, Gelenkigkeit und Gewandheit; aber 4) nicht blos in welcher Hinſicht, ſondern auch auf welche Weiſe dieſe Bildung geſche- hen ſoll. 1) Alle drei Theile, Kraft, Gelenkigkeit und Gewandheit, ſind nicht blos jeder für ſich allein, ab- geſondert von einander, ſondern als ein harmoniſches Ganzes zu üben und zu bilden, ſo daß alſo die Kraft nicht mehr als die Gelenkigkeit geübt wird, wodurch eine gewiſſe Steifheit entſtehen würde, ſondern beide in gleichem Maß und Grad; 2) darf dieſe körperliche Bildung nur geſchehen in Hinblick auf die geiſtige Bildung, darf nicht als Ziel menſchlicher Bildung gel- ten, nicht als Zweck, ſondern als Mittel, um das Gleichgewicht in der menſchlichen Bildung zu erlangen, worin die antike Schönheit beſteht. Aber wir ha- ben die Nothwendigkeit leiblicher Bildung aus dem Begriffe „Menſch“ ohne Rückſicht auf Alter, Stand und Geſchlecht gefunden, doch auch dieſe Beziehungen kön-

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/12>, abgerufen am 29.03.2024.