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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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Albanien aus, während auch die Bulgarey und der Freystaat
Ragusa ihm zinspflichtig waren. Eine beträchtliche Anzahl
bedeutender Städte erhob sich zwischen seinen, nun längst kaum
mehr zu bezeichnenden Gränzen, theils wohlhabend durch Han-
del und Gewerbe, theils wichtig durch starke Befestigung.
Wir erwähnen nicht einige der berühmten Städte Dalma-
tiens, da sie, wenn auch eine Zeit lang serbische Oberhoheit
anerkennend, doch nie eigentlich zum Reiche gehörten. Wir
nennen nur Belgrad und Nissa, serbische Grenzfesten, die
durch wiederholte Belagerung, Behauptung und Stürme
einen traurigern Ruhm erlangt haben; Mostar und Saraje-
Wo, (Boßnaserai) blühende Handelsstädte in Boßnien, Dul-
cigno und Durazzo, Seeplätze an der albanischen Küste, nicht
fern davon Scutari, an dessen Erbauung sich eine merkwür-
dige Sage knüpft, welche wir mittheilen. Einige, die einst
den Herrschern zum Sitz dienten, Prisren, Trawnick und
mehrere sonst, sind zu unbedeutenden Ortschaften herabgesun-
ken; von andern, wie Kruschewatz an der Marawa, sind,
wie wir vernehmen, nur noch einzelne Trümmer zu sehen.
Eben so zerstörte die Zeit viele reiche und prächtige Klöster, de-
ren Serbien verhältnißmäßig mehr als irgend ein andres Land
auszuweisen hatte +). Denn fast alle seine Fürsten machten
sich dergleichen Stiftungen zur vornehmsten Gewissenspflicht,
und es möchte nicht leicht ein Reich geben, dessen Beherrscher
der Geistlichkeit in dieser Hinsicht besser Gnüge geleistet hätten.
Zwischen den hohen steinernen Mauern begruben sie die Mah-
nungen des Gewissens, wegen der vielfältigen Verbrechen
und Unthaten, welche unbegränzte Herrschsucht, rohe Rachgier
oder selbstischer Eigenwille sie begehen ließen.

+) Dem einzigen König Urosch Milutin wird die Stiftung von
4o, nach andern 48 Klöstern zugeschrieben.
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Albanien aus, während auch die Bulgarey und der Freystaat
Ragusa ihm zinspflichtig waren. Eine beträchtliche Anzahl
bedeutender Städte erhob sich zwischen seinen, nun längst kaum
mehr zu bezeichnenden Gränzen, theils wohlhabend durch Han-
del und Gewerbe, theils wichtig durch starke Befestigung.
Wir erwähnen nicht einige der berühmten Städte Dalma-
tiens, da sie, wenn auch eine Zeit lang serbische Oberhoheit
anerkennend, doch nie eigentlich zum Reiche gehörten. Wir
nennen nur Belgrad und Nissa, serbische Grenzfesten, die
durch wiederholte Belagerung, Behauptung und Stürme
einen traurigern Ruhm erlangt haben; Mostar und Saraje-
Wo, (Boßnaserai) blühende Handelsstädte in Boßnien, Dul-
cigno und Durazzo, Seeplätze an der albanischen Küste, nicht
fern davon Scutari, an dessen Erbauung sich eine merkwür-
dige Sage knüpft, welche wir mittheilen. Einige, die einst
den Herrschern zum Sitz dienten, Prisren, Trawnick und
mehrere sonst, sind zu unbedeutenden Ortschaften herabgesun-
ken; von andern, wie Kruschewatz an der Marawa, sind,
wie wir vernehmen, nur noch einzelne Trümmer zu sehen.
Eben so zerstörte die Zeit viele reiche und prächtige Klöster, de-
ren Serbien verhältnißmäßig mehr als irgend ein andres Land
auszuweisen hatte †). Denn fast alle seine Fürsten machten
sich dergleichen Stiftungen zur vornehmsten Gewissenspflicht,
und es möchte nicht leicht ein Reich geben, dessen Beherrscher
der Geistlichkeit in dieser Hinsicht besser Gnüge geleistet hätten.
Zwischen den hohen steinernen Mauern begruben sie die Mah-
nungen des Gewissens, wegen der vielfältigen Verbrechen
und Unthaten, welche unbegränzte Herrschsucht, rohe Rachgier
oder selbstischer Eigenwille sie begehen ließen.

†) Dem einzigen König Urosch Milutin wird die Stiftung von
4o, nach andern 48 Klöstern zugeschrieben.
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[III/0023] Albanien aus, während auch die Bulgarey und der Freystaat Ragusa ihm zinspflichtig waren. Eine beträchtliche Anzahl bedeutender Städte erhob sich zwischen seinen, nun längst kaum mehr zu bezeichnenden Gränzen, theils wohlhabend durch Han- del und Gewerbe, theils wichtig durch starke Befestigung. Wir erwähnen nicht einige der berühmten Städte Dalma- tiens, da sie, wenn auch eine Zeit lang serbische Oberhoheit anerkennend, doch nie eigentlich zum Reiche gehörten. Wir nennen nur Belgrad und Nissa, serbische Grenzfesten, die durch wiederholte Belagerung, Behauptung und Stürme einen traurigern Ruhm erlangt haben; Mostar und Saraje- Wo, (Boßnaserai) blühende Handelsstädte in Boßnien, Dul- cigno und Durazzo, Seeplätze an der albanischen Küste, nicht fern davon Scutari, an dessen Erbauung sich eine merkwür- dige Sage knüpft, welche wir mittheilen. Einige, die einst den Herrschern zum Sitz dienten, Prisren, Trawnick und mehrere sonst, sind zu unbedeutenden Ortschaften herabgesun- ken; von andern, wie Kruschewatz an der Marawa, sind, wie wir vernehmen, nur noch einzelne Trümmer zu sehen. Eben so zerstörte die Zeit viele reiche und prächtige Klöster, de- ren Serbien verhältnißmäßig mehr als irgend ein andres Land auszuweisen hatte †). Denn fast alle seine Fürsten machten sich dergleichen Stiftungen zur vornehmsten Gewissenspflicht, und es möchte nicht leicht ein Reich geben, dessen Beherrscher der Geistlichkeit in dieser Hinsicht besser Gnüge geleistet hätten. Zwischen den hohen steinernen Mauern begruben sie die Mah- nungen des Gewissens, wegen der vielfältigen Verbrechen und Unthaten, welche unbegränzte Herrschsucht, rohe Rachgier oder selbstischer Eigenwille sie begehen ließen. †) Dem einzigen König Urosch Milutin wird die Stiftung von 4o, nach andern 48 Klöstern zugeschrieben. a*

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. III. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/23>, abgerufen am 28.03.2024.