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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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Shupanen +) beherrscht, ein Wort, das ungefähr dem deut-
schen Herrscher, entspricht, nach Andern nur einen Gemein-
devorsteher bedeutet. Einem Obern, Welikishupan, (Groß-
shupan,) scheinen diese wie jene unterworfen gewesen zu seyn.

Gleich nach ihrer Ankunft hatten vom Kaiser Heraclius
gesendete Priester mit Glück ihre Bekehrung unternommen.
Mit der Taufe beschworen sie den byzantinischen Kaisern
Treue und Unterthänigkeit. Aber im Verlauf der Zeit löste
sich das Band allmählich. Nach hundert Jahren sehen wir
sie ganz losgerissen von Byzanz und großentheils dem alten
Götzendienst wieder zugefallen. Die Gefahr, welche ihnen
die Saracenen drohten, die mit einer Flotte Ragusa bela-
gerten, und mehrere Schlösser der Küste zerstörten, machte
ihnen den Schutz eines mächtigen Oberherrn zuerst wieder
wünschenswerth. Sie unterwarfen sich dem Kaiser Basilius,
und huldigten ihm von Neuem. Zum zweyten Mal wur-
den nun christliche Priester gesendet; und die Narentaner, die
zwischen der Narenta und der Zetinja einen seeräuberischen
Staat gebildet hatten, waren die einzigen, die sich nicht zur
Taufe bequemten.

Unterdessen waren den Serben an der Donau durch die
Nachbarschaft der Bulgaren, welche anfänglich die skardischen
Gebirge und unbewohnte Länder hinter denselben von ihnen
getrennt hatten, eine neue Gefahr erwachsen. Es war diesen
gelungen, dem Kaiser Justinian Rhinotmetos den verlornen
Thron wieder zu erobern. Unter den Geschenken, welche die
Dankbarkeit des Kaisers beurkunden sollten, befand sich auch

+) ) Shupa, in Dalmatien eine Gemeindeversammlung. Alt-
kroatisch: eine Abtheilung des Volks, ein Strich bewohnten
Landes. -- Nach Andren hängt es mit dem Titel Ban (Hee-
resführer, Herzog,) zusammen. Pan (russisch) der Herr, Edel-
mann, Ispany (ungr.) Herr. -- Im heutigen Serbisch heißt
Shupa: ein warmes sonniges Land.

Shupanen †) beherrscht, ein Wort, das ungefähr dem deut-
schen Herrscher, entspricht, nach Andern nur einen Gemein-
devorsteher bedeutet. Einem Obern, Welikishupan, (Groß-
shupan,) scheinen diese wie jene unterworfen gewesen zu seyn.

Gleich nach ihrer Ankunft hatten vom Kaiser Heraclius
gesendete Priester mit Glück ihre Bekehrung unternommen.
Mit der Taufe beschworen sie den byzantinischen Kaisern
Treue und Unterthänigkeit. Aber im Verlauf der Zeit löste
sich das Band allmählich. Nach hundert Jahren sehen wir
sie ganz losgerissen von Byzanz und großentheils dem alten
Götzendienst wieder zugefallen. Die Gefahr, welche ihnen
die Saracenen drohten, die mit einer Flotte Ragusa bela-
gerten, und mehrere Schlösser der Küste zerstörten, machte
ihnen den Schutz eines mächtigen Oberherrn zuerst wieder
wünschenswerth. Sie unterwarfen sich dem Kaiser Basilius,
und huldigten ihm von Neuem. Zum zweyten Mal wur-
den nun christliche Priester gesendet; und die Narentaner, die
zwischen der Narenta und der Zetinja einen seeräuberischen
Staat gebildet hatten, waren die einzigen, die sich nicht zur
Taufe bequemten.

Unterdessen waren den Serben an der Donau durch die
Nachbarschaft der Bulgaren, welche anfänglich die skardischen
Gebirge und unbewohnte Länder hinter denselben von ihnen
getrennt hatten, eine neue Gefahr erwachsen. Es war diesen
gelungen, dem Kaiser Justinian Rhinotmetos den verlornen
Thron wieder zu erobern. Unter den Geschenken, welche die
Dankbarkeit des Kaisers beurkunden sollten, befand sich auch

†) ) Shupa, in Dalmatien eine Gemeindeversammlung. Alt-
kroatisch: eine Abtheilung des Volks, ein Strich bewohnten
Landes. — Nach Andren hängt es mit dem Titel Ban (Hee-
resführer, Herzog,) zusammen. Pan (russisch) der Herr, Edel-
mann, Ispany (ungr.) Herr. — Im heutigen Serbisch heißt
Shupa: ein warmes sonniges Land.
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[V/0025] Shupanen †) beherrscht, ein Wort, das ungefähr dem deut- schen Herrscher, entspricht, nach Andern nur einen Gemein- devorsteher bedeutet. Einem Obern, Welikishupan, (Groß- shupan,) scheinen diese wie jene unterworfen gewesen zu seyn. Gleich nach ihrer Ankunft hatten vom Kaiser Heraclius gesendete Priester mit Glück ihre Bekehrung unternommen. Mit der Taufe beschworen sie den byzantinischen Kaisern Treue und Unterthänigkeit. Aber im Verlauf der Zeit löste sich das Band allmählich. Nach hundert Jahren sehen wir sie ganz losgerissen von Byzanz und großentheils dem alten Götzendienst wieder zugefallen. Die Gefahr, welche ihnen die Saracenen drohten, die mit einer Flotte Ragusa bela- gerten, und mehrere Schlösser der Küste zerstörten, machte ihnen den Schutz eines mächtigen Oberherrn zuerst wieder wünschenswerth. Sie unterwarfen sich dem Kaiser Basilius, und huldigten ihm von Neuem. Zum zweyten Mal wur- den nun christliche Priester gesendet; und die Narentaner, die zwischen der Narenta und der Zetinja einen seeräuberischen Staat gebildet hatten, waren die einzigen, die sich nicht zur Taufe bequemten. Unterdessen waren den Serben an der Donau durch die Nachbarschaft der Bulgaren, welche anfänglich die skardischen Gebirge und unbewohnte Länder hinter denselben von ihnen getrennt hatten, eine neue Gefahr erwachsen. Es war diesen gelungen, dem Kaiser Justinian Rhinotmetos den verlornen Thron wieder zu erobern. Unter den Geschenken, welche die Dankbarkeit des Kaisers beurkunden sollten, befand sich auch †) ) Shupa, in Dalmatien eine Gemeindeversammlung. Alt- kroatisch: eine Abtheilung des Volks, ein Strich bewohnten Landes. — Nach Andren hängt es mit dem Titel Ban (Hee- resführer, Herzog,) zusammen. Pan (russisch) der Herr, Edel- mann, Ispany (ungr.) Herr. — Im heutigen Serbisch heißt Shupa: ein warmes sonniges Land.

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/25>, abgerufen am 29.03.2024.