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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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Eisenbahn gebracht hat und deren Wohlthaten auch
uns wird zu Theil werden lassen."

Der Bote Martin war heute nicht in die Kirche ge-
kommen, der Schenkenwirth aber rutschte bei dieser Stelle
unruhig in seinem Stande hin und her und war eben
nicht sehr andächtig. Sonst aber war es die ganze Ge-
meinde; am meisten unser Schulmeister, dem die Be-
geisterung ordentlich wie damals den Aposteln von der
Stirne leuchtete und der noch nie so schön wie heute den
Choral "Nun danket alle Gott" gespielt hatte. --

Nachmittag zwischen 3 und 4 Uhr war die Stunde,
wo der Dampfwagen an der nächsten Station vorüber-
fahren sollte. Man machte sich also um 2 Uhr dahin
auf den Weg. Voran schritt ein Trupp Dorfmusikan-
ten, so gut wie man sie hatte aufbringen können, dann
kam der Schullehrer mit der ganzen Dorfjugend. Die
Kinder waren alle mit Grün und Blumen geschmückt.
Dann folgten die erwachsenen Mädchen des Dorfes in
weißen Kleidern meist mit bunten, flatternden Bändern.
Auch Laura und Suschen waren unter ihnen. Sie
gingen voran und darüber, daß sie die beiden hübsche-
sten Mädchen unter diesen allen waren, war weiter gar
nicht zu streiten. Sie hatten alle grüne Kränze im
Haar und wie sie paarweise gingen, trugen sie auch zwei
und zwei eine Blumenkette. Die Burschen des Dorfs

Eiſenbahn gebracht hat und deren Wohlthaten auch
uns wird zu Theil werden laſſen.“

Der Bote Martin war heute nicht in die Kirche ge-
kommen, der Schenkenwirth aber rutſchte bei dieſer Stelle
unruhig in ſeinem Stande hin und her und war eben
nicht ſehr andaͤchtig. Sonſt aber war es die ganze Ge-
meinde; am meiſten unſer Schulmeiſter, dem die Be-
geiſterung ordentlich wie damals den Apoſteln von der
Stirne leuchtete und der noch nie ſo ſchoͤn wie heute den
Choral „Nun danket alle Gott“ geſpielt hatte. —

Nachmittag zwiſchen 3 und 4 Uhr war die Stunde,
wo der Dampfwagen an der naͤchſten Station voruͤber-
fahren ſollte. Man machte ſich alſo um 2 Uhr dahin
auf den Weg. Voran ſchritt ein Trupp Dorfmuſikan-
ten, ſo gut wie man ſie hatte aufbringen koͤnnen, dann
kam der Schullehrer mit der ganzen Dorfjugend. Die
Kinder waren alle mit Gruͤn und Blumen geſchmuͤckt.
Dann folgten die erwachſenen Maͤdchen des Dorfes in
weißen Kleidern meiſt mit bunten, flatternden Baͤndern.
Auch Laura und Suschen waren unter ihnen. Sie
gingen voran und daruͤber, daß ſie die beiden huͤbſche-
ſten Maͤdchen unter dieſen allen waren, war weiter gar
nicht zu ſtreiten. Sie hatten alle gruͤne Kraͤnze im
Haar und wie ſie paarweiſe gingen, trugen ſie auch zwei
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[23/0031] Eiſenbahn gebracht hat und deren Wohlthaten auch uns wird zu Theil werden laſſen.“ Der Bote Martin war heute nicht in die Kirche ge- kommen, der Schenkenwirth aber rutſchte bei dieſer Stelle unruhig in ſeinem Stande hin und her und war eben nicht ſehr andaͤchtig. Sonſt aber war es die ganze Ge- meinde; am meiſten unſer Schulmeiſter, dem die Be- geiſterung ordentlich wie damals den Apoſteln von der Stirne leuchtete und der noch nie ſo ſchoͤn wie heute den Choral „Nun danket alle Gott“ geſpielt hatte. — Nachmittag zwiſchen 3 und 4 Uhr war die Stunde, wo der Dampfwagen an der naͤchſten Station voruͤber- fahren ſollte. Man machte ſich alſo um 2 Uhr dahin auf den Weg. Voran ſchritt ein Trupp Dorfmuſikan- ten, ſo gut wie man ſie hatte aufbringen koͤnnen, dann kam der Schullehrer mit der ganzen Dorfjugend. Die Kinder waren alle mit Gruͤn und Blumen geſchmuͤckt. Dann folgten die erwachſenen Maͤdchen des Dorfes in weißen Kleidern meiſt mit bunten, flatternden Baͤndern. Auch Laura und Suschen waren unter ihnen. Sie gingen voran und daruͤber, daß ſie die beiden huͤbſche- ſten Maͤdchen unter dieſen allen waren, war weiter gar nicht zu ſtreiten. Sie hatten alle gruͤne Kraͤnze im Haar und wie ſie paarweiſe gingen, trugen ſie auch zwei und zwei eine Blumenkette. Die Burſchen des Dorfs

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/31>, abgerufen am 29.03.2024.