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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

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großen Aufwand gestattete. Dasselbe das erste der Residenz nennen zu können, war der Stolz von Madame Nollin.

Zehn Uhr Abends. Auch die junge Gräfin Elisabeth von Hohenthal hatte ihr Licht verlöscht und, der Hausregel folgend, das Lager gesucht. Aber sie richtete sich bald wieder unruhig auf, zog mit der kleinen Hand die Vorhänge ihres Himmelbettes auseinander, streckte das Köpfchen hervor und vom matten Mondlicht unterstützt, blickte und lauschte sie nach der nebenan offen stehenden Thüre, dann rief sie halblaut:

"Aurelie!"

Kichernd sprang auf diesen Ruf ein junges, leichtfüßiges Mädchen, in den leichten Schlafrock gehüllt, die niedlichen Pantoffeln, um Geräusch zu vermeiden, in den Händen, herein und warf sich in den Sessel neben Elisabeths Lager.

"Nun, gestrenge Herrin," lachte sie, "da bin ich zu Dero Befehl -- ich brenne nämlich vor Neugier, zu wissen, warum Du heute den ganzen Tag so blaß und schmachtend ausgesehen hast, und mit welchen großartigen Plänen Du umgingst, als Du heute Deine Stickerei drei Mal auftrennen mußtest, ehe sie sich vor kritischen Augen sehen lassen konnte -- nun beichte --"

"Kann man nicht ernsthaft mit Dir reden, Aurelie?" fegte Elisabeth mit etwas vorwurfsvoller Betonung.

großen Aufwand gestattete. Dasselbe das erste der Residenz nennen zu können, war der Stolz von Madame Nollin.

Zehn Uhr Abends. Auch die junge Gräfin Elisabeth von Hohenthal hatte ihr Licht verlöscht und, der Hausregel folgend, das Lager gesucht. Aber sie richtete sich bald wieder unruhig auf, zog mit der kleinen Hand die Vorhänge ihres Himmelbettes auseinander, streckte das Köpfchen hervor und vom matten Mondlicht unterstützt, blickte und lauschte sie nach der nebenan offen stehenden Thüre, dann rief sie halblaut:

„Aurelie!“

Kichernd sprang auf diesen Ruf ein junges, leichtfüßiges Mädchen, in den leichten Schlafrock gehüllt, die niedlichen Pantoffeln, um Geräusch zu vermeiden, in den Händen, herein und warf sich in den Sessel neben Elisabeths Lager.

„Nun, gestrenge Herrin,“ lachte sie, „da bin ich zu Dero Befehl — ich brenne nämlich vor Neugier, zu wissen, warum Du heute den ganzen Tag so blaß und schmachtend ausgesehen hast, und mit welchen großartigen Plänen Du umgingst, als Du heute Deine Stickerei drei Mal auftrennen mußtest, ehe sie sich vor kritischen Augen sehen lassen konnte — nun beichte —“

„Kann man nicht ernsthaft mit Dir reden, Aurelie?“ fegte Elisabeth mit etwas vorwurfsvoller Betonung.

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großen Aufwand gestattete. Dasselbe das erste der Residenz nennen zu können, war der Stolz von Madame Nollin.</p>
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[4/0014] großen Aufwand gestattete. Dasselbe das erste der Residenz nennen zu können, war der Stolz von Madame Nollin. Zehn Uhr Abends. Auch die junge Gräfin Elisabeth von Hohenthal hatte ihr Licht verlöscht und, der Hausregel folgend, das Lager gesucht. Aber sie richtete sich bald wieder unruhig auf, zog mit der kleinen Hand die Vorhänge ihres Himmelbettes auseinander, streckte das Köpfchen hervor und vom matten Mondlicht unterstützt, blickte und lauschte sie nach der nebenan offen stehenden Thüre, dann rief sie halblaut: „Aurelie!“ Kichernd sprang auf diesen Ruf ein junges, leichtfüßiges Mädchen, in den leichten Schlafrock gehüllt, die niedlichen Pantoffeln, um Geräusch zu vermeiden, in den Händen, herein und warf sich in den Sessel neben Elisabeths Lager. „Nun, gestrenge Herrin,“ lachte sie, „da bin ich zu Dero Befehl — ich brenne nämlich vor Neugier, zu wissen, warum Du heute den ganzen Tag so blaß und schmachtend ausgesehen hast, und mit welchen großartigen Plänen Du umgingst, als Du heute Deine Stickerei drei Mal auftrennen mußtest, ehe sie sich vor kritischen Augen sehen lassen konnte — nun beichte —“ „Kann man nicht ernsthaft mit Dir reden, Aurelie?“ fegte Elisabeth mit etwas vorwurfsvoller Betonung.

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/14>, abgerufen am 28.03.2024.