Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

wie Du es ersehnst, dem Herkömmlichen, dem man Achtung schuldig ist, zuwider gehandelt zu haben."

"Bemühe Dich nicht, mich von meinem Wunsch abzubringen --" fiel sie ihm bitter in's Wort, "seiner bin ich gewiß! Ich habe mich bezwungen, so lang' ich lebte, dem Tod gegenüber hört dies elende Spiel auf, wie bald das elende Leben. Ich bin eine hilflose Kranke, es steht in Deiner Macht, mir meinen letzten Wunsch nicht zu erfüllen, und mich unversöhnt und qualvoll sterben zu lassen -- thu' es -- und mein verzweifelnder, brechender Blick wird ewig vor Deiner Seele stehen -- Du wirst --!"

"Spare Deine Worte," sagte er mild zu der Heftigen, "gönne nun endlich Deinem Körper Ruhe, das viele Sprechen macht Dich matt. Ich will dem Grafen schreiben, daß er zu seiner sterbenden Amalie kommen soll -- und er wird kommen."

Aber länger konnte sich Johannes nicht beherrschen, er eilte zur Thüre hinaus in den finstern Vorsaal, riß draußen das Fenster auf und starrte in die Nacht hinaus.

Es wäre vergebens, schildern zu wollen, was ihn jetzt so heftig bewegte. Er liebte seine Gattin -- und all' die Stunden, in denen er früher an ihrer Seite glücklich gewesen, sanken vor ihm in Nacht -- er war auch um seine Erinnerungen betrogen -- ein Betrug waren diese vier Jahre -- sie hatte ihn nie geliebt.


wie Du es ersehnst, dem Herkömmlichen, dem man Achtung schuldig ist, zuwider gehandelt zu haben.“

„Bemühe Dich nicht, mich von meinem Wunsch abzubringen —“ fiel sie ihm bitter in’s Wort, „seiner bin ich gewiß! Ich habe mich bezwungen, so lang’ ich lebte, dem Tod gegenüber hört dies elende Spiel auf, wie bald das elende Leben. Ich bin eine hilflose Kranke, es steht in Deiner Macht, mir meinen letzten Wunsch nicht zu erfüllen, und mich unversöhnt und qualvoll sterben zu lassen — thu’ es — und mein verzweifelnder, brechender Blick wird ewig vor Deiner Seele stehen — Du wirst —!“

„Spare Deine Worte,“ sagte er mild zu der Heftigen, „gönne nun endlich Deinem Körper Ruhe, das viele Sprechen macht Dich matt. Ich will dem Grafen schreiben, daß er zu seiner sterbenden Amalie kommen soll — und er wird kommen.“

Aber länger konnte sich Johannes nicht beherrschen, er eilte zur Thüre hinaus in den finstern Vorsaal, riß draußen das Fenster auf und starrte in die Nacht hinaus.

Es wäre vergebens, schildern zu wollen, was ihn jetzt so heftig bewegte. Er liebte seine Gattin — und all’ die Stunden, in denen er früher an ihrer Seite glücklich gewesen, sanken vor ihm in Nacht — er war auch um seine Erinnerungen betrogen — ein Betrug waren diese vier Jahre — sie hatte ihn nie geliebt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0044" n="34"/>
wie Du es ersehnst, dem Herkömmlichen, dem man Achtung schuldig ist, zuwider gehandelt zu haben.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Bemühe Dich nicht, mich von meinem Wunsch abzubringen &#x2014;&#x201C; fiel sie ihm bitter in&#x2019;s Wort, &#x201E;seiner bin ich gewiß! Ich habe mich bezwungen, so lang&#x2019; ich lebte, dem Tod gegenüber hört dies elende Spiel auf, wie bald das elende Leben. Ich bin eine hilflose Kranke, es steht in Deiner Macht, mir meinen letzten Wunsch nicht zu erfüllen, und mich unversöhnt und qualvoll sterben zu lassen &#x2014; thu&#x2019; es &#x2014; und mein verzweifelnder, brechender Blick wird ewig vor Deiner Seele stehen &#x2014; Du wirst &#x2014;!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Spare Deine Worte,&#x201C; sagte er mild zu der Heftigen, &#x201E;gönne nun endlich Deinem Körper Ruhe, das viele Sprechen macht Dich matt. Ich will dem Grafen schreiben, daß er zu seiner sterbenden Amalie kommen soll &#x2014; und er wird kommen.&#x201C;</p>
        <p>Aber länger konnte sich Johannes nicht beherrschen, er eilte zur Thüre hinaus in den finstern Vorsaal, riß draußen das Fenster auf und starrte in die Nacht hinaus.</p>
        <p>Es wäre vergebens, schildern zu wollen, was ihn jetzt so heftig bewegte. Er liebte seine Gattin &#x2014; und all&#x2019; die Stunden, in denen er früher an ihrer Seite glücklich gewesen, sanken vor ihm in Nacht &#x2014; er war auch um seine Erinnerungen betrogen &#x2014; ein Betrug waren diese vier Jahre &#x2014; sie hatte ihn nie geliebt.</p>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0044] wie Du es ersehnst, dem Herkömmlichen, dem man Achtung schuldig ist, zuwider gehandelt zu haben.“ „Bemühe Dich nicht, mich von meinem Wunsch abzubringen —“ fiel sie ihm bitter in’s Wort, „seiner bin ich gewiß! Ich habe mich bezwungen, so lang’ ich lebte, dem Tod gegenüber hört dies elende Spiel auf, wie bald das elende Leben. Ich bin eine hilflose Kranke, es steht in Deiner Macht, mir meinen letzten Wunsch nicht zu erfüllen, und mich unversöhnt und qualvoll sterben zu lassen — thu’ es — und mein verzweifelnder, brechender Blick wird ewig vor Deiner Seele stehen — Du wirst —!“ „Spare Deine Worte,“ sagte er mild zu der Heftigen, „gönne nun endlich Deinem Körper Ruhe, das viele Sprechen macht Dich matt. Ich will dem Grafen schreiben, daß er zu seiner sterbenden Amalie kommen soll — und er wird kommen.“ Aber länger konnte sich Johannes nicht beherrschen, er eilte zur Thüre hinaus in den finstern Vorsaal, riß draußen das Fenster auf und starrte in die Nacht hinaus. Es wäre vergebens, schildern zu wollen, was ihn jetzt so heftig bewegte. Er liebte seine Gattin — und all’ die Stunden, in denen er früher an ihrer Seite glücklich gewesen, sanken vor ihm in Nacht — er war auch um seine Erinnerungen betrogen — ein Betrug waren diese vier Jahre — sie hatte ihn nie geliebt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/44
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/44>, abgerufen am 28.03.2024.