Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

aber ich kann nicht. Gelübde zu brechen, steht nicht in Menschen Macht."

Ich schwankte durchs Thor hinein, und warf mich in meiner Kammer auf mein Lager hin. Was das für eine Nacht war, Mechthilde! und - ach! wie viel solcher Nächte werd ich noch durchweinen müssen?

Mein Geblüt war in der grösten Empörung, und keinen Augenblik fand ich Rast. Stets stand Kunzens Bild vor mir, in seinem ganzen Reize, und bot mir die Hand, ihm zu folgen. All' die Wonne, die ich mir an seiner Seite geträumt hatte, stellte sich mir im höchsten Glanze dar, und meine ganze Seele hieng sich fest daran; aber plötzlich fiel mir's wieder Zentner schwer aufs Herz, daß Kunz und all' jene Wonne, die mir in ihm bereitet war, für mich verschwunden sey. O! dann wälzte und krümmte ich mich auf meinem Lager, wie ein getrettener Wurm, und girrte und schluchzte überlaut, daß es der Wächter auf die Warte hinunter hören konnte. Lange wog ich den Gedanken zu entfliehen,

aber ich kann nicht. Gelübde zu brechen, steht nicht in Menschen Macht.“

Ich schwankte durchs Thor hinein, und warf mich in meiner Kammer auf mein Lager hin. Was das für eine Nacht war, Mechthilde! und – ach! wie viel solcher Nächte werd ich noch durchweinen müssen?

Mein Geblüt war in der grösten Empörung, und keinen Augenblik fand ich Rast. Stets stand Kunzens Bild vor mir, in seinem ganzen Reize, und bot mir die Hand, ihm zu folgen. All’ die Wonne, die ich mir an seiner Seite geträumt hatte, stellte sich mir im höchsten Glanze dar, und meine ganze Seele hieng sich fest daran; aber plötzlich fiel mir’s wieder Zentner schwer aufs Herz, daß Kunz und all’ jene Wonne, die mir in ihm bereitet war, für mich verschwunden sey. O! dann wälzte und krümmte ich mich auf meinem Lager, wie ein getrettener Wurm, und girrte und schluchzte überlaut, daß es der Wächter auf die Warte hinunter hören konnte. Lange wog ich den Gedanken zu entfliehen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0047" n="43"/>
aber ich kann nicht. Gelübde zu brechen, steht nicht in Menschen Macht.&#x201C;</p>
          <p>Ich schwankte durchs Thor hinein, und warf mich in meiner Kammer auf mein Lager hin. Was das für eine Nacht war, <hi rendition="#g">Mechthilde!</hi> und &#x2013; ach! wie viel solcher Nächte werd ich noch durchweinen müssen?</p>
          <p>Mein Geblüt war in der grösten Empörung, und keinen Augenblik fand ich Rast. Stets stand <hi rendition="#g">Kunzens</hi> Bild vor mir, in seinem ganzen Reize, und bot mir die Hand, ihm zu folgen. All&#x2019; die Wonne, die ich mir an seiner Seite geträumt hatte, stellte sich mir im höchsten Glanze dar, und meine ganze Seele hieng sich fest daran; aber plötzlich fiel mir&#x2019;s wieder Zentner schwer aufs Herz, daß <hi rendition="#g">Kunz</hi> und all&#x2019; jene Wonne, die mir in ihm bereitet war, für mich verschwunden sey. O! dann wälzte und krümmte ich mich auf meinem Lager, wie ein getrettener Wurm, und girrte und schluchzte überlaut, daß es der Wächter auf die Warte hinunter hören konnte. Lange wog ich den Gedanken zu entfliehen,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0047] aber ich kann nicht. Gelübde zu brechen, steht nicht in Menschen Macht.“ Ich schwankte durchs Thor hinein, und warf mich in meiner Kammer auf mein Lager hin. Was das für eine Nacht war, Mechthilde! und – ach! wie viel solcher Nächte werd ich noch durchweinen müssen? Mein Geblüt war in der grösten Empörung, und keinen Augenblik fand ich Rast. Stets stand Kunzens Bild vor mir, in seinem ganzen Reize, und bot mir die Hand, ihm zu folgen. All’ die Wonne, die ich mir an seiner Seite geträumt hatte, stellte sich mir im höchsten Glanze dar, und meine ganze Seele hieng sich fest daran; aber plötzlich fiel mir’s wieder Zentner schwer aufs Herz, daß Kunz und all’ jene Wonne, die mir in ihm bereitet war, für mich verschwunden sey. O! dann wälzte und krümmte ich mich auf meinem Lager, wie ein getrettener Wurm, und girrte und schluchzte überlaut, daß es der Wächter auf die Warte hinunter hören konnte. Lange wog ich den Gedanken zu entfliehen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/47
Zitationshilfe: Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/47>, abgerufen am 25.04.2024.