Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pahl, Johann Gottfried]: Die Philosophen aus dem Uranus. Konstantinopel, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

kein Strom so breit, über den man nicht mit diesem wunderthätigen Erze eine Brüke zu bauen - kein Berg so hoch, den man nicht vermittelst desselben, abzutragen vermöchte. Dieser junge Mann, der heute den Doktorsgrad erhalten hat, ward von seinen Aeltern zum Arzte bestimmt. Er hat seit sechs Jahren hier gelebt, um zu studieren, aber bei seinem gänzlichen Mangel an Talent, und bei seiner wüsten Lebensart, nicht einmal die ersten Elemente seiner Wissenschaft aufgefaßt. Nun war die Zeit da, daß er nach Hause kommen, und als ausübender Arzt in seiner Vaterstadt angestellt werden sollte. Er befand sich also in der traurigen Notwendigkeit, Doktor zu werden, und seine Ansprüche auf diese Würde durch eine öffentliche Probe seiner Gelehrsamkeit, geltend zu machen. Zuerst mußte die Dissertation geschrieben seyn, die beym Kampfe zu Grunde lag. Eine Dissertation zu schreiben, war aber für den armen Doktoranten eine eben so schwere Aufgabe, als die Komposition eines Konzerts - für

kein Strom so breit, über den man nicht mit diesem wunderthätigen Erze eine Brüke zu bauen – kein Berg so hoch, den man nicht vermittelst desselben, abzutragen vermöchte. Dieser junge Mann, der heute den Doktorsgrad erhalten hat, ward von seinen Aeltern zum Arzte bestimmt. Er hat seit sechs Jahren hier gelebt, um zu studieren, aber bei seinem gänzlichen Mangel an Talent, und bei seiner wüsten Lebensart, nicht einmal die ersten Elemente seiner Wissenschaft aufgefaßt. Nun war die Zeit da, daß er nach Hause kommen, und als ausübender Arzt in seiner Vaterstadt angestellt werden sollte. Er befand sich also in der traurigen Notwendigkeit, Doktor zu werden, und seine Ansprüche auf diese Würde durch eine öffentliche Probe seiner Gelehrsamkeit, geltend zu machen. Zuerst mußte die Dissertation geschrieben seyn, die beym Kampfe zu Grunde lag. Eine Dissertation zu schreiben, war aber für den armen Doktoranten eine eben so schwere Aufgabe, als die Komposition eines Konzerts – für

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0230" n="226"/>
kein Strom so breit, über den man nicht mit diesem wunderthätigen Erze eine Brüke zu bauen &#x2013; kein Berg so hoch, den man nicht vermittelst desselben, abzutragen vermöchte. Dieser junge Mann, der heute den Doktorsgrad erhalten hat, ward von seinen Aeltern zum Arzte bestimmt. Er hat seit sechs Jahren hier gelebt, um zu studieren, aber bei seinem gänzlichen Mangel an Talent, und bei seiner wüsten Lebensart, nicht einmal die ersten Elemente seiner Wissenschaft aufgefaßt. Nun war die Zeit da, daß er nach Hause kommen, und als ausübender Arzt in seiner Vaterstadt angestellt werden sollte. Er befand sich also in der traurigen Notwendigkeit, <hi rendition="#g">Doktor</hi> zu werden, und seine Ansprüche auf diese Würde durch eine öffentliche Probe seiner Gelehrsamkeit, geltend zu machen. Zuerst mußte die Dissertation geschrieben seyn, die beym Kampfe zu Grunde lag. Eine Dissertation zu schreiben, war aber für den armen <hi rendition="#g">Doktoranten</hi> eine eben so schwere Aufgabe, als die Komposition eines Konzerts &#x2013; für
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0230] kein Strom so breit, über den man nicht mit diesem wunderthätigen Erze eine Brüke zu bauen – kein Berg so hoch, den man nicht vermittelst desselben, abzutragen vermöchte. Dieser junge Mann, der heute den Doktorsgrad erhalten hat, ward von seinen Aeltern zum Arzte bestimmt. Er hat seit sechs Jahren hier gelebt, um zu studieren, aber bei seinem gänzlichen Mangel an Talent, und bei seiner wüsten Lebensart, nicht einmal die ersten Elemente seiner Wissenschaft aufgefaßt. Nun war die Zeit da, daß er nach Hause kommen, und als ausübender Arzt in seiner Vaterstadt angestellt werden sollte. Er befand sich also in der traurigen Notwendigkeit, Doktor zu werden, und seine Ansprüche auf diese Würde durch eine öffentliche Probe seiner Gelehrsamkeit, geltend zu machen. Zuerst mußte die Dissertation geschrieben seyn, die beym Kampfe zu Grunde lag. Eine Dissertation zu schreiben, war aber für den armen Doktoranten eine eben so schwere Aufgabe, als die Komposition eines Konzerts – für

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_philosophen_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_philosophen_1796/230
Zitationshilfe: [Pahl, Johann Gottfried]: Die Philosophen aus dem Uranus. Konstantinopel, 1796, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_philosophen_1796/230>, abgerufen am 29.04.2024.