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Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862].

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"Wohin gedenken die Herren zu raisen?"
Nach Heidelberg, um dort zu studiren.

"Also beede studiosi! Na, da werden Se
wohl keene Kunterbande bei sich führen?"

Wie Sie sehen, nur unsere Kleider und
Wäsche; die Bücher werden uns nachge-
schickt.

Damit war die Sache abgethan und sehr
vergnügt setzten wir unsere Reise fort.

Welche Unvorsichtigkeit! rief ich aus, als
wir wieder zusammen im Wagen sassen; wusste
ich doch schon in Berlin, dass man keine ver-
siegelten Briefe mitnehmen darf.

Nur nicht so laut, sagte Paul, der Postillon
könnte ja den Auftrag haben uns auszuhorchen
und in Leipzig an die Steuerbehörde zu ver-
rathen,
"Und so umschlingt ein heimlich Labyrinth
Verschmitzten Wirkens doppelt unser Loos!"

Paul hatte nebst andern vortrefflichen Ei-
genschaften auch die glückliche Gabe, irgend
einen paradoxen Satz oder eine komische Si-
tuation mit Humor bis ins unendliche auszuspin-
nen, und so gaben uns denn Betrachtungen über

„Wohin gedenken die Herren zu raisen?“
Nach Heidelberg, um dort zu studiren.

„Also beede studiosi! Na, da werden Se
wohl keene Kunterbande bei sich führen?“

Wie Sie sehen, nur unsere Kleider und
Wäsche; die Bücher werden uns nachge-
schickt.

Damit war die Sache abgethan und sehr
vergnügt setzten wir unsere Reise fort.

Welche Unvorsichtigkeit! rief ich aus, als
wir wieder zusammen im Wagen sassen; wusste
ich doch schon in Berlin, dass man keine ver-
siegelten Briefe mitnehmen darf.

Nur nicht so laut, sagte Paul, der Postillon
könnte ja den Auftrag haben uns auszuhorchen
und in Leipzig an die Steuerbehörde zu ver-
rathen,
„Und so umschlingt ein heimlich Labyrinth
Verschmitzten Wirkens doppelt unser Loos!“

Paul hatte nebst andern vortrefflichen Ei-
genschaften auch die glückliche Gabe, irgend
einen paradoxen Satz oder eine komische Si-
tuation mit Humor bis ins unendliche auszuspin-
nen, und so gaben uns denn Betrachtungen über

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[8/0013] „Wohin gedenken die Herren zu raisen?“ Nach Heidelberg, um dort zu studiren. „Also beede studiosi! Na, da werden Se wohl keene Kunterbande bei sich führen?“ Wie Sie sehen, nur unsere Kleider und Wäsche; die Bücher werden uns nachge- schickt. Damit war die Sache abgethan und sehr vergnügt setzten wir unsere Reise fort. Welche Unvorsichtigkeit! rief ich aus, als wir wieder zusammen im Wagen sassen; wusste ich doch schon in Berlin, dass man keine ver- siegelten Briefe mitnehmen darf. Nur nicht so laut, sagte Paul, der Postillon könnte ja den Auftrag haben uns auszuhorchen und in Leipzig an die Steuerbehörde zu ver- rathen, „Und so umschlingt ein heimlich Labyrinth Verschmitzten Wirkens doppelt unser Loos!“ Paul hatte nebst andern vortrefflichen Ei- genschaften auch die glückliche Gabe, irgend einen paradoxen Satz oder eine komische Si- tuation mit Humor bis ins unendliche auszuspin- nen, und so gaben uns denn Betrachtungen über

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862], S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819/13>, abgerufen am 24.04.2024.