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Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862].

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den spionirenden Postillon und über unsere Ver-
legenheit, wenn der versiegelte Brief wirklich
aufgefunden worden wäre, auf der ganzen Sta-
tion unerschöpflichen Lachstoff.

Jch würde doch, sagte Paul, auch wenn
der Brief entdeckt worden wäre, einen Versuch
gemacht haben ihn zu retten, und zwar durch
den Visitator selbst:

"So klammert sich der Schiffer endlich noch
Am Felsen fest, an dem er scheitern sollte."

Herr Visitator, würde ich gesagt haben,
Jhr humanes Wesen berechtigt mich zu dem
Schlusse, dass die humaniora Jhnen nicht fremd
sind. Ohne Zweifel kennen Sie unsern grossen
deutschen Dichter, den berühmten Goethe? Jhr
wohlwollendes Lächeln lässt mich vermuthen,
dass Sie sogar seine Werke besitzen. Sie wer-
den vielleicht gehört haben, dass dieser excel-
lente Autor selber eine Excellenz ist:

"Er ward gar bald Minister
Und hatt' einen grossen Stern."

Jhr richtiges Gefühl wird Jhnen sagen,
dass es gegen den Anstand ist, einer Excellenz
einen unversiegelten Brief zu überreichen. Mit-

den spionirenden Postillon und über unsere Ver-
legenheit, wenn der versiegelte Brief wirklich
aufgefunden worden wäre, auf der ganzen Sta-
tion unerschöpflichen Lachstoff.

Jch würde doch, sagte Paul, auch wenn
der Brief entdeckt worden wäre, einen Versuch
gemacht haben ihn zu retten, und zwar durch
den Visitator selbst:

„So klammert sich der Schiffer endlich noch
Am Felsen fest, an dem er scheitern sollte.“

Herr Visitator, würde ich gesagt haben,
Jhr humanes Wesen berechtigt mich zu dem
Schlusse, dass die humaniora Jhnen nicht fremd
sind. Ohne Zweifel kennen Sie unsern grossen
deutschen Dichter, den berühmten Goethe? Jhr
wohlwollendes Lächeln lässt mich vermuthen,
dass Sie sogar seine Werke besitzen. Sie wer-
den vielleicht gehört haben, dass dieser excel-
lente Autor selber eine Excellenz ist:

„Er ward gar bald Minister
Und hatt’ einen groſsen Stern.“

Jhr richtiges Gefühl wird Jhnen sagen,
dass es gegen den Anstand ist, einer Excellenz
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[9/0014] den spionirenden Postillon und über unsere Ver- legenheit, wenn der versiegelte Brief wirklich aufgefunden worden wäre, auf der ganzen Sta- tion unerschöpflichen Lachstoff. Jch würde doch, sagte Paul, auch wenn der Brief entdeckt worden wäre, einen Versuch gemacht haben ihn zu retten, und zwar durch den Visitator selbst: „So klammert sich der Schiffer endlich noch Am Felsen fest, an dem er scheitern sollte.“ Herr Visitator, würde ich gesagt haben, Jhr humanes Wesen berechtigt mich zu dem Schlusse, dass die humaniora Jhnen nicht fremd sind. Ohne Zweifel kennen Sie unsern grossen deutschen Dichter, den berühmten Goethe? Jhr wohlwollendes Lächeln lässt mich vermuthen, dass Sie sogar seine Werke besitzen. Sie wer- den vielleicht gehört haben, dass dieser excel- lente Autor selber eine Excellenz ist: „Er ward gar bald Minister Und hatt’ einen groſsen Stern.“ Jhr richtiges Gefühl wird Jhnen sagen, dass es gegen den Anstand ist, einer Excellenz einen unversiegelten Brief zu überreichen. Mit-

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862], S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819/14>, abgerufen am 25.04.2024.