Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862].

Bild:
<< vorherige Seite

gehabt, um durch seinen Humor meine unwill-
kührliche Bangigkeit verscheuchen zu lassen.
Der Brief von Zelter steckte in der linken
Busentasche, und ich fühlte mehr als einmal
danach, um mich zu überzeugen, dass er noch
da sei. Nach einem beträchtlichen Umwege
gelangte ich endlich an das Haus, und stieg
die flachen Treppen, die ich aus Zelters Be-
schreibung schon kannte, nicht ohne Herzklo-
pfen hinan. Oben fand ich einen Diener, der
mich in einen geräumigen Saal führte, und
Zelters Brief nebst meiner Karte nach Goethes
Zimmer trug.

Nicht lange war ich allein, da öffnete sich
die Thür, und er trat mit freundlich ernster
Miene herein. Wir setzten uns, und er be-
gann :

"Mein Freund Zelter schreibt mir, dass
Sie den Orient besucht haben; von wo aus
haben Sie die Reise begonnen?"

Zunächst von Malta aus, nachdem ich vor-
her Jtalien und Sicilien gesehn.

"Bleiben wir vorläufig bei Malta stehn.
Dieser dürre Kalkfelsen zwischen Sicilien und

gehabt, um durch seinen Humor meine unwill-
kührliche Bangigkeit verscheuchen zu lassen.
Der Brief von Zelter steckte in der linken
Busentasche, und ich fühlte mehr als einmal
danach, um mich zu überzeugen, dass er noch
da sei. Nach einem beträchtlichen Umwege
gelangte ich endlich an das Haus, und stieg
die flachen Treppen, die ich aus Zelters Be-
schreibung schon kannte, nicht ohne Herzklo-
pfen hinan. Oben fand ich einen Diener, der
mich in einen geräumigen Saal führte, und
Zelters Brief nebst meiner Karte nach Goethes
Zimmer trug.

Nicht lange war ich allein, da öffnete sich
die Thür, und er trat mit freundlich ernster
Miene herein. Wir setzten uns, und er be-
gann :

„Mein Freund Zelter schreibt mir, dass
Sie den Orient besucht haben; von wo aus
haben Sie die Reise begonnen?“

Zunächst von Malta aus, nachdem ich vor-
her Jtalien und Sicilien gesehn.

„Bleiben wir vorläufig bei Malta stehn.
Dieser dürre Kalkfelsen zwischen Sicilien und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0050" n="45"/>
        <p xml:id="ID_177" prev="#ID_176">     gehabt, um durch seinen Humor meine unwill-<lb/>
kührliche Bangigkeit verscheuchen zu lassen.<lb/>
Der Brief von Zelter steckte in der linken<lb/>
Busentasche, und ich fühlte mehr als einmal<lb/>
danach, um mich zu überzeugen, dass er noch<lb/>
da sei. Nach einem beträchtlichen Umwege<lb/>
gelangte ich endlich an das Haus, und stieg<lb/>
die flachen Treppen, die ich aus Zelters Be-<lb/>
schreibung schon kannte, nicht ohne Herzklo-<lb/>
pfen hinan. Oben fand ich einen Diener, der<lb/>
mich in einen geräumigen Saal führte, und<lb/>
Zelters Brief nebst meiner Karte nach Goethes<lb/>
Zimmer trug.     </p><lb/>
        <p xml:id="ID_178">     Nicht lange war ich allein, da öffnete sich<lb/>
die Thür, und er trat mit freundlich ernster<lb/>
Miene herein. Wir setzten uns, und er be-<lb/>
gann :     </p><lb/>
        <p xml:id="ID_179">     &#x201E;Mein Freund Zelter schreibt mir, dass<lb/>
Sie den Orient besucht haben; von wo aus<lb/>
haben Sie die Reise begonnen?&#x201C;     </p><lb/>
        <p xml:id="ID_180">     Zunächst von Malta aus, nachdem ich vor-<lb/>
her Jtalien und Sicilien gesehn.     </p><lb/>
        <p xml:id="ID_181" next="#ID_182"> &#x201E;Bleiben wir vorläufig bei Malta stehn.<lb/>
Dieser dürre Kalkfelsen zwischen Sicilien und     </p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0050] gehabt, um durch seinen Humor meine unwill- kührliche Bangigkeit verscheuchen zu lassen. Der Brief von Zelter steckte in der linken Busentasche, und ich fühlte mehr als einmal danach, um mich zu überzeugen, dass er noch da sei. Nach einem beträchtlichen Umwege gelangte ich endlich an das Haus, und stieg die flachen Treppen, die ich aus Zelters Be- schreibung schon kannte, nicht ohne Herzklo- pfen hinan. Oben fand ich einen Diener, der mich in einen geräumigen Saal führte, und Zelters Brief nebst meiner Karte nach Goethes Zimmer trug. Nicht lange war ich allein, da öffnete sich die Thür, und er trat mit freundlich ernster Miene herein. Wir setzten uns, und er be- gann : „Mein Freund Zelter schreibt mir, dass Sie den Orient besucht haben; von wo aus haben Sie die Reise begonnen?“ Zunächst von Malta aus, nachdem ich vor- her Jtalien und Sicilien gesehn. „Bleiben wir vorläufig bei Malta stehn. Dieser dürre Kalkfelsen zwischen Sicilien und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-08-05T13:43:06Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819/50
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862], S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819/50>, abgerufen am 29.03.2024.