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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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ster, schon als Kind voll naiver Einfälle, soll einmal zu ihr gesagt haben: Madame Clause, je voudrais bien vous donner un Küschen, mais votre Näschen sent le tabac.

Die junge Wittwe meines Onkels David Nicolai war nach ihrem kurzen Ehestande zu ihren Aeltern zurückgekommen, und verkehrte viel im Nicolaischen Hause, wo sie von uns Kindern wegen ihrer unbeschreiblichen Sanftmuth und Herzensgüte überaus gern gesehn war. Mein Vater glaubte daher, nicht besser für sein und unser Glück sorgen zu können, als durch eine Verbindung mit ihr. Als wir eines Abends auf seinen Knieen saßen, fragte er uns zärtlich, ob wir nicht die "kleine Tante Lottchen" (so hieß sie zum Unterschiede von Nicolais Tochter, der "großen Tante Lottchen") zur Mutter haben möchten. Wir antworteten beide durch die lebhafteste Zustimmung. - Nun, so bittet sie schön darum, wenn sie morgen zu uns kommt. - Dies geschah denn mit großer Freudigkeit, wobei meine Schwester, wie gewöhnlich, das Wort führte, während ich mit unendlicher Blödigkeit, aber mit wahrer Herzensfreude, meinen Beifall zu erkennen gab.

So hatte mein Grosvater Nicolai den Schmerz gehabt, zwei seiner Kinder, meine Mutter und meinen Onkel David zu verlieren; er erlebte nun die Freude, daß seine beiden Schwiegerkinder sich zur Erheiterung seiner alten Tage vereinigten.

Die Hochzeit fand am 17. Juni 1806 Statt, und am 12. Mai 1807, am Pancratiustage, wurde meinem Vater ein zweiter Sohn geboren, den der Dichter Moritz von Thümmel, ein alter Freund meines Vaters, aus der Taufe hob. Deshalb erhielt der Täufling die Namen Moritz Pancratius. Sehr genau entsinne ich mich des berühmten


ster, schon als Kind voll naiver Einfälle, soll einmal zu ihr gesagt haben: Madame Clause, je voudrais bien vous donner un Küschen, mais votre Näschen sent le tabac.

Die junge Wittwe meines Onkels David Nicolai war nach ihrem kurzen Ehestande zu ihren Aeltern zurückgekommen, und verkehrte viel im Nicolaischen Hause, wo sie von uns Kindern wegen ihrer unbeschreiblichen Sanftmuth und Herzensgüte überaus gern gesehn war. Mein Vater glaubte daher, nicht besser für sein und unser Glück sorgen zu können, als durch eine Verbindung mit ihr. Als wir eines Abends auf seinen Knieen saßen, fragte er uns zärtlich, ob wir nicht die „kleine Tante Lottchen“ (so hieß sie zum Unterschiede von Nicolais Tochter, der „großen Tante Lottchen“) zur Mutter haben möchten. Wir antworteten beide durch die lebhafteste Zustimmung. – Nun, so bittet sie schön darum, wenn sie morgen zu uns kommt. – Dies geschah denn mit großer Freudigkeit, wobei meine Schwester, wie gewöhnlich, das Wort führte, während ich mit unendlicher Blödigkeit, aber mit wahrer Herzensfreude, meinen Beifall zu erkennen gab.

So hatte mein Grosvater Nicolai den Schmerz gehabt, zwei seiner Kinder, meine Mutter und meinen Onkel David zu verlieren; er erlebte nun die Freude, daß seine beiden Schwiegerkinder sich zur Erheiterung seiner alten Tage vereinigten.

Die Hochzeit fand am 17. Juni 1806 Statt, und am 12. Mai 1807, am Pancratiustage, wurde meinem Vater ein zweiter Sohn geboren, den der Dichter Moritz von Thümmel, ein alter Freund meines Vaters, aus der Taufe hob. Deshalb erhielt der Täufling die Namen Moritz Pancratius. Sehr genau entsinne ich mich des berühmten

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[14/0026] ster, schon als Kind voll naiver Einfälle, soll einmal zu ihr gesagt haben: Madame Clause, je voudrais bien vous donner un Küschen, mais votre Näschen sent le tabac. Die junge Wittwe meines Onkels David Nicolai war nach ihrem kurzen Ehestande zu ihren Aeltern zurückgekommen, und verkehrte viel im Nicolaischen Hause, wo sie von uns Kindern wegen ihrer unbeschreiblichen Sanftmuth und Herzensgüte überaus gern gesehn war. Mein Vater glaubte daher, nicht besser für sein und unser Glück sorgen zu können, als durch eine Verbindung mit ihr. Als wir eines Abends auf seinen Knieen saßen, fragte er uns zärtlich, ob wir nicht die „kleine Tante Lottchen“ (so hieß sie zum Unterschiede von Nicolais Tochter, der „großen Tante Lottchen“) zur Mutter haben möchten. Wir antworteten beide durch die lebhafteste Zustimmung. – Nun, so bittet sie schön darum, wenn sie morgen zu uns kommt. – Dies geschah denn mit großer Freudigkeit, wobei meine Schwester, wie gewöhnlich, das Wort führte, während ich mit unendlicher Blödigkeit, aber mit wahrer Herzensfreude, meinen Beifall zu erkennen gab. So hatte mein Grosvater Nicolai den Schmerz gehabt, zwei seiner Kinder, meine Mutter und meinen Onkel David zu verlieren; er erlebte nun die Freude, daß seine beiden Schwiegerkinder sich zur Erheiterung seiner alten Tage vereinigten. Die Hochzeit fand am 17. Juni 1806 Statt, und am 12. Mai 1807, am Pancratiustage, wurde meinem Vater ein zweiter Sohn geboren, den der Dichter Moritz von Thümmel, ein alter Freund meines Vaters, aus der Taufe hob. Deshalb erhielt der Täufling die Namen Moritz Pancratius. Sehr genau entsinne ich mich des berühmten

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/26>, abgerufen am 25.04.2024.