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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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wenig Gewerbfleiß besaß, und alle seine Bedürfnisse an Fabrikaten aus dem betriebsamen England bezog, so durfte man jenes Verlangen wohl ein unbilliges nennen. Daher erfolgte eine abschlägige Antwort, und sofort schickte Napoleon im Jahre 1807 seinen Marschall Junot mit einer Armee queer durch Spanien nach Portugal. Dieser hielt seinen Einzug in Lissabon, und eroberte fast das ganze Land für französische Rechnung. Der König von Portugal ging mit seiner Familie auf englischen Schiffen nach seiner amerikanischen Provinz Brasilien, und nahm dort den Titel eines Kaisers von Brasilien an.

Nicht mit Unrecht vermuthete man damals, Napoleon habe diesen Eroberungszug nur deshalb unternommen, weil er gehofft, die amerikanischen Kolonien würden sich nicht vom Mutterlande lossagen, sondern ihm als dem Beherrscher von Portugal zufallen.

Spanien hatte den Durchzug der Franzosen erlaubt, weil ihm ein Stück der portugiesischen Beute versprochen war, aber bald sollte es erfahren, daß in Napoleons starkem Kopfe die Begriffe von Recht und Unrecht, von Mein und Dein einen andern Inhalt hatten, als bei den meisten übrigen Menschen.

Im Frühjahre 1808 ging der alterschwache König von Spanien, Karl IV. mit seinen beiden Söhnen Fernando und Carlos nach Bayonne, wohin auch Napoleon gekommen war, und entsagte hier für sich und seine Kinder allen seinen Regentenrechten auf Spanien und Amerika zu Gunsten desjenigen Prinzen, den der französische Kaiser auf den spanischen Thron setzen werde. Dafür erhielt er ein jährliches Einkommen von 30 Millionen Realen. Vermöge dieser Cession, von der man nie recht erfahren, ob sie

wenig Gewerbfleiß besaß, und alle seine Bedürfnisse an Fabrikaten aus dem betriebsamen England bezog, so durfte man jenes Verlangen wohl ein unbilliges nennen. Daher erfolgte eine abschlägige Antwort, und sofort schickte Napoléon im Jahre 1807 seinen Marschall Junot mit einer Armee queer durch Spanien nach Portugal. Dieser hielt seinen Einzug in Lissabon, und eroberte fast das ganze Land für französische Rechnung. Der König von Portugal ging mit seiner Familie auf englischen Schiffen nach seiner amerikanischen Provinz Brasilien, und nahm dort den Titel eines Kaisers von Brasilien an.

Nicht mit Unrecht vermuthete man damals, Napoléon habe diesen Eroberungszug nur deshalb unternommen, weil er gehofft, die amerikanischen Kolonien würden sich nicht vom Mutterlande lossagen, sondern ihm als dem Beherrscher von Portugal zufallen.

Spanien hatte den Durchzug der Franzosen erlaubt, weil ihm ein Stück der portugiesischen Beute versprochen war, aber bald sollte es erfahren, daß in Napoléons starkem Kopfe die Begriffe von Recht und Unrecht, von Mein und Dein einen andern Inhalt hatten, als bei den meisten übrigen Menschen.

Im Frühjahre 1808 ging der alterschwache König von Spanien, Karl IV. mit seinen beiden Söhnen Fernando und Carlos nach Bayonne, wohin auch Napoléon gekommen war, und entsagte hier für sich und seine Kinder allen seinen Regentenrechten auf Spanien und Amerika zu Gunsten desjenigen Prinzen, den der französische Kaiser auf den spanischen Thron setzen werde. Dafür erhielt er ein jährliches Einkommen von 30 Millionen Realen. Vermöge dieser Cession, von der man nie recht erfahren, ob sie

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[263/0275] wenig Gewerbfleiß besaß, und alle seine Bedürfnisse an Fabrikaten aus dem betriebsamen England bezog, so durfte man jenes Verlangen wohl ein unbilliges nennen. Daher erfolgte eine abschlägige Antwort, und sofort schickte Napoléon im Jahre 1807 seinen Marschall Junot mit einer Armee queer durch Spanien nach Portugal. Dieser hielt seinen Einzug in Lissabon, und eroberte fast das ganze Land für französische Rechnung. Der König von Portugal ging mit seiner Familie auf englischen Schiffen nach seiner amerikanischen Provinz Brasilien, und nahm dort den Titel eines Kaisers von Brasilien an. Nicht mit Unrecht vermuthete man damals, Napoléon habe diesen Eroberungszug nur deshalb unternommen, weil er gehofft, die amerikanischen Kolonien würden sich nicht vom Mutterlande lossagen, sondern ihm als dem Beherrscher von Portugal zufallen. Spanien hatte den Durchzug der Franzosen erlaubt, weil ihm ein Stück der portugiesischen Beute versprochen war, aber bald sollte es erfahren, daß in Napoléons starkem Kopfe die Begriffe von Recht und Unrecht, von Mein und Dein einen andern Inhalt hatten, als bei den meisten übrigen Menschen. Im Frühjahre 1808 ging der alterschwache König von Spanien, Karl IV. mit seinen beiden Söhnen Fernando und Carlos nach Bayonne, wohin auch Napoléon gekommen war, und entsagte hier für sich und seine Kinder allen seinen Regentenrechten auf Spanien und Amerika zu Gunsten desjenigen Prinzen, den der französische Kaiser auf den spanischen Thron setzen werde. Dafür erhielt er ein jährliches Einkommen von 30 Millionen Realen. Vermöge dieser Cession, von der man nie recht erfahren, ob sie

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/275>, abgerufen am 28.03.2024.