Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Patzig, Gotthilf: Vorträge über physische Geographie des Freiherrn Alexander von Humbold: gehalten im großen Hörsaale des Universitäts-Gebäudes zu Berlin im Wintersemester 1827/28 vom 3ten Novbr. 1827. bis 26 April 1828. Aus schriftlichen Notizen nach jedem Vortrage zusammengestellt vom Rechnungsrath Gotthilf Friedrich Patzig. Berlin, 1827/28. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

Verhältniß des Empirikers
u. Philosophen

der Philosoph sollten sich nictht scheel ansehen.
Das Zeitalter zeichnet sich merkwürdig ge-
nug durch diese zwei besondern Tendenzen
Zwei besondern Tenden-
zen des jetzigen Zeitalters

aus. Eine Anhäufung nur von sinnlichen
Wahrnehmungen ohne Folgerungen
; u. dann
mit Verachtung sich bei den Thatsachen
verweilen u. nur der neuere Jdee folgen,
u. Luftschlösser bauen. So giebt es
Chemiker die es sein wollen mit unbenez-
ten Händen a priori, ohne Thatsachen,
welches nur zum dogmatischen Schematis-
dogmatischer Schema-
tismus.

mus führt. Begriffe ohne Beobachtung
seit am gefährlichsten, weil die Wissenschaft
vernachläßigt wird u. das Studium,
wodurch die wichtigste Entdeckung für die
Wohlfahrt des Staats verlohren gehen.
Mathematische Hypothesen
müssen nicht verbaut
werden.

Unrecht ist es hiebei mathem. Hypothesen
zu verbauen
. Jrrthümer schleichen sich sofort
ein. Wir wissen daß es aber so wenig einen
Wärmestoff u. Lichtstoff giebt, als einen
Schallstoff giebt. Diese mathem. Hypothesen sind
nothwendig u. nicht bloß unschädlich.

Dritter Gegenstand
der Prolegomenen
Geschichte der Wissenschaft.

Wir kommen zum 3ten Theile der Prolego-
menen, nämlich zur Geschichte der Wissenschaft

nicht an sich betrachtet, sondern wie die
Völker die Natur anschauten. Man hat
Auge an Contrasten gehangen; allein mit
den Phantasie kommt man hier nicht durch;
sondern durch den Verstand gelangt man zur

Kenntniß

Verhältniß des Empirikers
u. Philoſophen

der Philoſoph ſollten ſich nictht ſcheel anſehen.
Das Zeitalter zeichnet ſich merkwürdig ge-
nug durch dieſe zwei beſondern Tendenzen
Zwei beſondern Tenden-
zen des jetzigen Zeitalters

aus. Eine Anhäufung nur von ſinnlichen
Wahrnehmungen ohne Folgerungen
; u. dañ
mit Verachtung ſich bei den Thatſachen
verweilen u. nur der neuere Jdee folgen,
u. Luftſchlöſſer bauen. So giebt es
Chemiker die es ſein wollen mit unbenez-
ten Händen a priori, ohne Thatſachen,
welches nur zum dogmatiſchen Schematis-
dogmatiſcher Schema-
tiſmus.

mus führt. Begriffe ohne Beobachtung
ſeit am gefährlichſten, weil die Wiſſenſchaft
vernachläßigt wird u. das Studium,
wodurch die wichtigſte Entdeckung für die
Wohlfahrt des Staats verlohren gehen.
Mathematiſche Hypotheſen
müſſen nicht verbaut
werden.

Unrecht iſt es hiebei mathem. Hypotheſen
zu verbauen
. Jrrthümer ſchleichen ſich ſofort
ein. Wir wiſſen daß es aber ſo wenig einen
Wärmeſtoff u. Lichtſtoff giebt, als einen
Schallſtoff giebt. Dieſe mathem. Hypotheſen ſind
nothwendig u. nicht bloß unſchädlich.

Dritter Gegenſtand
der Prolegomenen
Geſchichte der Wiſſenſchaft.

Wir kom̃en zum 3ten Theile der Prolego-
menen, nämlich zur Geſchichte der Wiſſenſchaft

nicht an ſich betrachtet, ſondern wie die
Völker die Natur anſchauten. Man hat
Auge an Contraſten gehangen; allein mit
den Phantaſie kom̃t man hier nicht durch;
ſondern durch den Verſtand gelangt man zur

Keñtniß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div xml:id="Ms_germ_fol_841" next="#Ms_germ_fol_842">
        <div type="session" n="5">
          <p><pb facs="#f0037" n="33."/><note place="left"><hi rendition="#u">Verhältniß des Empirikers<lb/>
u. Philo&#x017F;ophen</hi><lb/></note><choice><sic/><corr resp="#BF">der </corr></choice><hi rendition="#u">Philo&#x017F;oph &#x017F;ollten &#x017F;ich <unclear reason="illegible" cert="low" resp="#BF">nic<subst><del rendition="#ow" hand="#pencil">t</del><add place="across" hand="#pencil">ht</add></subst></unclear> &#x017F;cheel an&#x017F;ehen</hi>.<lb/>
Das Zeitalter zeichnet &#x017F;ich merkwürdig ge-<lb/>
nug <hi rendition="#u">durch die&#x017F;e zwei be&#x017F;ondern Tendenzen</hi><lb/><note place="left"><hi rendition="#u">Zwei be&#x017F;ondern Tenden-<lb/>
zen des jetzigen Zeitalters</hi><lb/></note><hi rendition="#u">aus. Eine Anhäufung nur von &#x017F;innlichen<lb/>
Wahrnehmungen ohne Folgerungen</hi>; u. dan&#x0303;<lb/>
mit Verachtung &#x017F;ich bei den That&#x017F;achen<lb/>
verweilen u. <add place="superlinear"><metamark/>nur </add>der neuere Jdee folgen,<lb/>
u. Luft&#x017F;chlö&#x017F;&#x017F;er bauen. So giebt es<lb/>
Chemiker die <add place="superlinear"><metamark/>es </add>&#x017F;ein wollen mit unbenez-<lb/>
ten Händen <hi rendition="#aq">a priori</hi>, ohne That&#x017F;achen,<lb/><hi rendition="#u">welches nur zum dogmati&#x017F;chen Schematis-</hi><lb/><note place="left"><hi rendition="#u">dogmati&#x017F;cher Schema-<lb/>
ti&#x017F;mus.</hi><lb/></note><hi rendition="#u">mus führt</hi>. Begriffe ohne Beobachtung<lb/>
&#x017F;eit am gefährlich&#x017F;ten, weil die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
vernachläßigt wird u. das Studium,<lb/>
wodurch die wichtig&#x017F;te Entdeckung für die<lb/>
Wohlfahrt des Staats verlohren gehen.<lb/><note place="left"><hi rendition="#u">Mathemati&#x017F;che Hypothe&#x017F;en<lb/>&#x017F;&#x017F;en nicht verbaut<lb/>
werden.</hi><lb/></note><hi rendition="#u">Unrecht i&#x017F;t es hiebei mathem. Hypothe&#x017F;en<lb/>
zu verbauen</hi>. Jrrthümer &#x017F;chleichen &#x017F;ich &#x017F;ofort<lb/>
ein. Wir wi&#x017F;&#x017F;en <choice><abbr></abbr><expan resp="#BF">daß</expan></choice> es aber &#x017F;o wenig einen<lb/>
Wärme&#x017F;toff u. Licht&#x017F;toff<del rendition="#s"> giebt</del>, als einen<lb/>
Schall&#x017F;toff<add place="superlinear"><metamark/> giebt</add>. Die&#x017F;e mathem. Hypothe&#x017F;en &#x017F;ind<lb/>
nothwendig u. nicht bloß un&#x017F;chädlich.</p><lb/>
          <p><note place="left"><hi rendition="#u">Dritter Gegen&#x017F;tand<lb/>
der Prolegomenen<lb/>
Ge&#x017F;chichte der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft.</hi><lb/></note><hi rendition="#u">Wir kom&#x0303;en zum 3ten Theile der Prolego-<lb/>
menen, nämlich zur Ge&#x017F;chichte der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft</hi><lb/>
nicht an &#x017F;ich betrachtet, &#x017F;ondern wie die<lb/>
Völker die Natur an&#x017F;chauten. Man hat<lb/>
Auge an Contra&#x017F;ten gehangen; allein mit<lb/>
den Phanta&#x017F;ie kom&#x0303;t man hier nicht durch;<lb/>
&#x017F;ondern durch den Ver&#x017F;tand gelangt man zur<lb/>
<fw type="catch" place="bottom">Ken&#x0303;tniß</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33./0037] der Philoſoph ſollten ſich nictht ſcheel anſehen. Das Zeitalter zeichnet ſich merkwürdig ge- nug durch dieſe zwei beſondern Tendenzen aus. Eine Anhäufung nur von ſinnlichen Wahrnehmungen ohne Folgerungen; u. dañ mit Verachtung ſich bei den Thatſachen verweilen u. nur der neuere Jdee folgen, u. Luftſchlöſſer bauen. So giebt es Chemiker die es ſein wollen mit unbenez- ten Händen a priori, ohne Thatſachen, welches nur zum dogmatiſchen Schematis- mus führt. Begriffe ohne Beobachtung ſeit am gefährlichſten, weil die Wiſſenſchaft vernachläßigt wird u. das Studium, wodurch die wichtigſte Entdeckung für die Wohlfahrt des Staats verlohren gehen. Unrecht iſt es hiebei mathem. Hypotheſen zu verbauen. Jrrthümer ſchleichen ſich ſofort ein. Wir wiſſen dß es aber ſo wenig einen Wärmeſtoff u. Lichtſtoff giebt, als einen Schallſtoff giebt. Dieſe mathem. Hypotheſen ſind nothwendig u. nicht bloß unſchädlich. Verhältniß des Empirikers u. Philoſophen Zwei beſondern Tenden- zen des jetzigen Zeitalters dogmatiſcher Schema- tiſmus. Mathematiſche Hypotheſen müſſen nicht verbaut werden. Wir kom̃en zum 3ten Theile der Prolego- menen, nämlich zur Geſchichte der Wiſſenſchaft nicht an ſich betrachtet, ſondern wie die Völker die Natur anſchauten. Man hat Auge an Contraſten gehangen; allein mit den Phantaſie kom̃t man hier nicht durch; ſondern durch den Verſtand gelangt man zur Keñtniß Dritter Gegenſtand der Prolegomenen Geſchichte der Wiſſenſchaft.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/patzig_msgermfol841842_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/patzig_msgermfol841842_1828/37
Zitationshilfe: Patzig, Gotthilf: Vorträge über physische Geographie des Freiherrn Alexander von Humbold: gehalten im großen Hörsaale des Universitäts-Gebäudes zu Berlin im Wintersemester 1827/28 vom 3ten Novbr. 1827. bis 26 April 1828. Aus schriftlichen Notizen nach jedem Vortrage zusammengestellt vom Rechnungsrath Gotthilf Friedrich Patzig. Berlin, 1827/28. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 33.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/patzig_msgermfol841842_1828/37>, abgerufen am 25.04.2024.