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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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tispiz seines Musentempels -- der Kandidat that
mit der einen Hand in der Weste, mit der andern
in der Hose drei StrekSchritte nach Vults Fenster,
um hinaus zu -- spuken. Stotternd, aber mit
schreiender ungebildeter Stimme fieng der Dich¬
ter an:


Nro. 9. Schwefelblumen.

Strekverse.

"Ich weis nicht, ich finde jezt kein rechtes
Gedicht, ich muß auf gerathewohl ausheben:
Der Wiederschein des Vesuvs im Meer.

"Seht, wie fliegen drunten die Flammen un¬
ter die Sterne, rothe Ströme wälzen sich schwer
um den Berg der Tiefe, und fressen die schönen
Gärten. Aber unversehrt gleiten wir über die
kühlen Flammen, und unsere Bilder lächeln aus
brennender Woge." Das sagte der Schiffer er¬
freut, und blikte besorgt nach dem donnernden
Berg' auf. Aber ich sagte: siehe, so trägt die
Muse leicht im ewigen Spiegel den schweren
Jammer der Welt, und die Unglüklichen blicken
hinein, aber auch sie erfreuet der Schmerz.

tiſpiz ſeines Muſentempels — der Kandidat that
mit der einen Hand in der Weſte, mit der andern
in der Hoſe drei StrekSchritte nach Vults Fenſter,
um hinaus zu — ſpuken. Stotternd, aber mit
ſchreiender ungebildeter Stimme fieng der Dich¬
ter an:


Nro. 9. Schwefelblumen.

Strekverſe.

„Ich weis nicht, ich finde jezt kein rechtes
Gedicht, ich muß auf gerathewohl ausheben:
Der Wiederſchein des Veſuvs im Meer.

„Seht, wie fliegen drunten die Flammen un¬
ter die Sterne, rothe Stroͤme waͤlzen ſich ſchwer
um den Berg der Tiefe, und freſſen die ſchoͤnen
Gaͤrten. Aber unverſehrt gleiten wir uͤber die
kuͤhlen Flammen, und unſere Bilder laͤcheln aus
brennender Woge.“ Das ſagte der Schiffer er¬
freut, und blikte beſorgt nach dem donnernden
Berg' auf. Aber ich ſagte: ſiehe, ſo traͤgt die
Muſe leicht im ewigen Spiegel den ſchweren
Jammer der Welt, und die Ungluͤklichen blicken
hinein, aber auch ſie erfreuet der Schmerz.

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[105/0115] tiſpiz ſeines Muſentempels — der Kandidat that mit der einen Hand in der Weſte, mit der andern in der Hoſe drei StrekSchritte nach Vults Fenſter, um hinaus zu — ſpuken. Stotternd, aber mit ſchreiender ungebildeter Stimme fieng der Dich¬ ter an: Nro. 9. Schwefelblumen. Strekverſe. „Ich weis nicht, ich finde jezt kein rechtes Gedicht, ich muß auf gerathewohl ausheben: Der Wiederſchein des Veſuvs im Meer. „Seht, wie fliegen drunten die Flammen un¬ ter die Sterne, rothe Stroͤme waͤlzen ſich ſchwer um den Berg der Tiefe, und freſſen die ſchoͤnen Gaͤrten. Aber unverſehrt gleiten wir uͤber die kuͤhlen Flammen, und unſere Bilder laͤcheln aus brennender Woge.“ Das ſagte der Schiffer er¬ freut, und blikte beſorgt nach dem donnernden Berg' auf. Aber ich ſagte: ſiehe, ſo traͤgt die Muſe leicht im ewigen Spiegel den ſchweren Jammer der Welt, und die Ungluͤklichen blicken hinein, aber auch ſie erfreuet der Schmerz.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/115>, abgerufen am 28.03.2024.