Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

und links standen die Wiesen, die wallenden Fel¬
der und der Sommer. Aus der Stadt lief das
Nachmittags-Geläute der Kirche in die grüne
warme Welt heraus, und er dachte sich hinein,
wie jezt die Kirchengänger sich heraus dencken
und ihn und das freie luftige Leben göttlich fin¬
den würden in den schmalen, kalten, steinernen
Kirchen auf langen leeren Bänken einzeln schrei¬
end, mit schönen breiten Sonnenstreifen auf
den Schenkeln und mit der Hoffnung, nach der
Kirche nachzumarschieren so schnell als möglich.

Die Zugheerings-Heerde von Menschen leg¬
te sich in die Bucht des Rosenthals an. Die
Laubbäume thaten sich auf und zeigten ihm die
glänzende offne Tafel des July Sonntags, die
aus einbeinigen Täfelgen unter Bäumen be¬
stand -- "köstlich, sagte der Notar zu sich, ist
doch warlich das allgemeine Sesselholen, Zelt¬
aufschlagen, Rennen grüner Lauferschürzen, Weg¬
legen der Schauls und Stöcke, Ausziehen der
Körke, und Wählen eines Tischgens, die stolzen
Federhüte zwischen durch, die Kinder im Grase,
die Musikanten hinten, die gewiß gleich anfan¬

Flegeljahre I. Bd. 15

und links ſtanden die Wieſen, die wallenden Fel¬
der und der Sommer. Aus der Stadt lief das
Nachmittags-Gelaͤute der Kirche in die gruͤne
warme Welt heraus, und er dachte ſich hinein,
wie jezt die Kirchengaͤnger ſich heraus dencken
und ihn und das freie luftige Leben goͤttlich fin¬
den wuͤrden in den ſchmalen, kalten, ſteinernen
Kirchen auf langen leeren Baͤnken einzeln ſchrei¬
end, mit ſchoͤnen breiten Sonnenſtreifen auf
den Schenkeln und mit der Hoffnung, nach der
Kirche nachzumarſchieren ſo ſchnell als moͤglich.

Die Zugheerings-Heerde von Menſchen leg¬
te ſich in die Bucht des Roſenthals an. Die
Laubbaͤume thaten ſich auf und zeigten ihm die
glaͤnzende offne Tafel des July Sonntags, die
aus einbeinigen Taͤfelgen unter Baͤumen be¬
ſtand — „koͤſtlich, ſagte der Notar zu ſich, iſt
doch warlich das allgemeine Seſſelholen, Zelt¬
aufſchlagen, Rennen gruͤner Lauferſchuͤrzen, Weg¬
legen der Schauls und Stoͤcke, Ausziehen der
Koͤrke, und Waͤhlen eines Tiſchgens, die ſtolzen
Federhuͤte zwiſchen durch, die Kinder im Graſe,
die Muſikanten hinten, die gewiß gleich anfan¬

Flegeljahre I. Bd. 15
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0235" n="225"/>
und links &#x017F;tanden die Wie&#x017F;en, die wallenden Fel¬<lb/>
der und der Sommer. Aus der Stadt lief das<lb/>
Nachmittags-Gela&#x0364;ute der Kirche in die gru&#x0364;ne<lb/>
warme Welt heraus, und er dachte &#x017F;ich hinein,<lb/>
wie jezt die Kirchenga&#x0364;nger &#x017F;ich heraus dencken<lb/>
und ihn und das freie luftige Leben go&#x0364;ttlich fin¬<lb/>
den wu&#x0364;rden in den &#x017F;chmalen, kalten, &#x017F;teinernen<lb/>
Kirchen auf langen leeren Ba&#x0364;nken einzeln &#x017F;chrei¬<lb/>
end, mit &#x017F;cho&#x0364;nen breiten Sonnen&#x017F;treifen auf<lb/>
den Schenkeln und mit der Hoffnung, nach der<lb/>
Kirche nachzumar&#x017F;chieren &#x017F;o &#x017F;chnell als mo&#x0364;glich.</p><lb/>
        <p>Die Zugheerings-Heerde von Men&#x017F;chen leg¬<lb/>
te &#x017F;ich in die Bucht des Ro&#x017F;enthals an. Die<lb/>
Laubba&#x0364;ume thaten &#x017F;ich auf und zeigten ihm die<lb/>
gla&#x0364;nzende offne Tafel des July Sonntags, die<lb/>
aus einbeinigen Ta&#x0364;felgen unter Ba&#x0364;umen be¬<lb/>
&#x017F;tand &#x2014; &#x201E;ko&#x0364;&#x017F;tlich, &#x017F;agte der Notar zu &#x017F;ich, i&#x017F;t<lb/>
doch warlich das allgemeine Se&#x017F;&#x017F;elholen, Zelt¬<lb/>
auf&#x017F;chlagen, Rennen gru&#x0364;ner Laufer&#x017F;chu&#x0364;rzen, Weg¬<lb/>
legen der Schauls und Sto&#x0364;cke, Ausziehen der<lb/>
Ko&#x0364;rke, und Wa&#x0364;hlen eines Ti&#x017F;chgens, die &#x017F;tolzen<lb/>
Federhu&#x0364;te zwi&#x017F;chen durch, die Kinder im Gra&#x017F;e,<lb/>
die Mu&#x017F;ikanten hinten, die gewiß gleich anfan¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Flegeljahre <hi rendition="#aq">I</hi>. Bd. 15<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0235] und links ſtanden die Wieſen, die wallenden Fel¬ der und der Sommer. Aus der Stadt lief das Nachmittags-Gelaͤute der Kirche in die gruͤne warme Welt heraus, und er dachte ſich hinein, wie jezt die Kirchengaͤnger ſich heraus dencken und ihn und das freie luftige Leben goͤttlich fin¬ den wuͤrden in den ſchmalen, kalten, ſteinernen Kirchen auf langen leeren Baͤnken einzeln ſchrei¬ end, mit ſchoͤnen breiten Sonnenſtreifen auf den Schenkeln und mit der Hoffnung, nach der Kirche nachzumarſchieren ſo ſchnell als moͤglich. Die Zugheerings-Heerde von Menſchen leg¬ te ſich in die Bucht des Roſenthals an. Die Laubbaͤume thaten ſich auf und zeigten ihm die glaͤnzende offne Tafel des July Sonntags, die aus einbeinigen Taͤfelgen unter Baͤumen be¬ ſtand — „koͤſtlich, ſagte der Notar zu ſich, iſt doch warlich das allgemeine Seſſelholen, Zelt¬ aufſchlagen, Rennen gruͤner Lauferſchuͤrzen, Weg¬ legen der Schauls und Stoͤcke, Ausziehen der Koͤrke, und Waͤhlen eines Tiſchgens, die ſtolzen Federhuͤte zwiſchen durch, die Kinder im Graſe, die Muſikanten hinten, die gewiß gleich anfan¬ Flegeljahre I. Bd. 15

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/235
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/235>, abgerufen am 20.04.2024.