Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite
Nro. 6. Kupfernickel.

Quod Deus Vultiana.

Nach dem Ende der Geschichte trat der Flö¬
tenist mit grimmigem Gesicht an den betrübten
Schulmeister fragend: "wäret ihr nicht werth,
daß ich sogleich ins Prisma sähe und Euch dar¬
inn als lange Leiche anträfe? Wie, Ihr mora¬
lischer Mikrolog, Ihr moralischer esprit de ba¬
gatelle,
Ihr konntet Euch aus Furcht vor schäz¬
baren Weissagungen erfrechen, gegen Euer Gewis¬
sen die Geheimnisse zweier bedeutender Brüder und
Eltern aus dem Laub heraus zu ziehen? Es soll
Euch gereuen, wenn ich Euch entdecke, daß ich
kein wahres Wort gesagt und daß ich die Geheim¬
nisse nicht vom Prisma, sondern von dem davon
gelaufenen Flötenisten Vult selber erfahren, der ein
ganz anderer Mensch ist. Ich habe mit dem
Manne im andern Elterlein, nämlich im
Bergstädtlein bei Annaberg, vereint geblasen. Da¬
mit ich aber nach dem bisherigen Weismachen,
der Gesellschaft glaubhaft werde, so will ichs ihr
so beschwören: ewig verdammt will ich seyn,
kenn' ich ihn nicht und habe ich nicht alles von
ihm."

Nro. 6. Kupfernickel.

Quod Deus Vultiana.

Nach dem Ende der Geſchichte trat der Floͤ¬
teniſt mit grimmigem Geſicht an den betruͤbten
Schulmeiſter fragend: „waͤret ihr nicht werth,
daß ich ſogleich ins Prisma ſaͤhe und Euch dar¬
inn als lange Leiche antraͤfe? Wie, Ihr mora¬
liſcher Mikrolog, Ihr moraliſcher esprit de ba¬
gatelle,
Ihr konntet Euch aus Furcht vor ſchaͤz¬
baren Weiſſagungen erfrechen, gegen Euer Gewiſ¬
ſen die Geheimniſſe zweier bedeutender Bruͤder und
Eltern aus dem Laub heraus zu ziehen? Es ſoll
Euch gereuen, wenn ich Euch entdecke, daß ich
kein wahres Wort geſagt und daß ich die Geheim¬
niſſe nicht vom Prisma, ſondern von dem davon
gelaufenen Floͤteniſten Vult ſelber erfahren, der ein
ganz anderer Menſch iſt. Ich habe mit dem
Manne im andern Elterlein, naͤmlich im
Bergſtaͤdtlein bei Annaberg, vereint geblaſen. Da¬
mit ich aber nach dem bisherigen Weismachen,
der Geſellſchaft glaubhaft werde, ſo will ichs ihr
ſo beſchwoͤren: ewig verdammt will ich ſeyn,
kenn' ich ihn nicht und habe ich nicht alles von
ihm.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0079" n="69"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#aq #b">N</hi> <hi rendition="#aq #sup">ro</hi> <hi rendition="#b">. 6.</hi> <hi rendition="#b #g">Kupfernickel</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/>
        </head>
        <argument>
          <p rendition="#c">Quod Deus Vultiana.</p>
        </argument><lb/>
        <p>Nach dem Ende der Ge&#x017F;chichte trat der Flo&#x0364;¬<lb/>
teni&#x017F;t mit grimmigem Ge&#x017F;icht an den betru&#x0364;bten<lb/>
Schulmei&#x017F;ter fragend: &#x201E;wa&#x0364;ret ihr nicht werth,<lb/>
daß ich &#x017F;ogleich ins Prisma &#x017F;a&#x0364;he und Euch dar¬<lb/>
inn als lange Leiche antra&#x0364;fe? Wie, Ihr mora¬<lb/>
li&#x017F;cher Mikrolog, Ihr morali&#x017F;cher <hi rendition="#aq">esprit de ba¬<lb/>
gatelle,</hi> Ihr konntet Euch aus Furcht vor &#x017F;cha&#x0364;<lb/>
baren Wei&#x017F;&#x017F;agungen erfrechen, gegen Euer Gewi&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en die Geheimni&#x017F;&#x017F;e zweier bedeutender Bru&#x0364;der und<lb/>
Eltern aus dem Laub heraus zu ziehen? Es &#x017F;oll<lb/>
Euch gereuen, wenn ich Euch entdecke, daß ich<lb/>
kein wahres Wort ge&#x017F;agt und daß ich die Geheim¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e nicht vom Prisma, &#x017F;ondern von dem davon<lb/>
gelaufenen Flo&#x0364;teni&#x017F;ten Vult &#x017F;elber erfahren, der ein<lb/>
ganz anderer Men&#x017F;ch i&#x017F;t. Ich habe mit dem<lb/>
Manne im andern <hi rendition="#g">Elterlein</hi>, na&#x0364;mlich im<lb/>
Berg&#x017F;ta&#x0364;dtlein bei Annaberg, vereint gebla&#x017F;en. Da¬<lb/>
mit ich aber nach dem bisherigen Weismachen,<lb/>
der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft glaubhaft werde, &#x017F;o will ichs ihr<lb/>
&#x017F;o be&#x017F;chwo&#x0364;ren: ewig verdammt will ich &#x017F;eyn,<lb/>
kenn' ich ihn nicht und habe ich nicht alles von<lb/>
ihm.&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0079] Nro. 6. Kupfernickel. Quod Deus Vultiana. Nach dem Ende der Geſchichte trat der Floͤ¬ teniſt mit grimmigem Geſicht an den betruͤbten Schulmeiſter fragend: „waͤret ihr nicht werth, daß ich ſogleich ins Prisma ſaͤhe und Euch dar¬ inn als lange Leiche antraͤfe? Wie, Ihr mora¬ liſcher Mikrolog, Ihr moraliſcher esprit de ba¬ gatelle, Ihr konntet Euch aus Furcht vor ſchaͤz¬ baren Weiſſagungen erfrechen, gegen Euer Gewiſ¬ ſen die Geheimniſſe zweier bedeutender Bruͤder und Eltern aus dem Laub heraus zu ziehen? Es ſoll Euch gereuen, wenn ich Euch entdecke, daß ich kein wahres Wort geſagt und daß ich die Geheim¬ niſſe nicht vom Prisma, ſondern von dem davon gelaufenen Floͤteniſten Vult ſelber erfahren, der ein ganz anderer Menſch iſt. Ich habe mit dem Manne im andern Elterlein, naͤmlich im Bergſtaͤdtlein bei Annaberg, vereint geblaſen. Da¬ mit ich aber nach dem bisherigen Weismachen, der Geſellſchaft glaubhaft werde, ſo will ichs ihr ſo beſchwoͤren: ewig verdammt will ich ſeyn, kenn' ich ihn nicht und habe ich nicht alles von ihm.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/79
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/79>, abgerufen am 25.04.2024.