Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm und seinem armen Rufe nachgestellt. Er litt
viel; -- es richtete ihn nicht auf, daß er sich
der besten Behauptungen seines Bruders erinnerte,
daß z. B. solche Befleckungen des Rufs heut zu
Tage, gleich den Flecken von wohlriechenden Was¬
sern, aus den Schnupftüchern und der weissen Wä¬
sche von selber heraus gehen, ohne alle Prinzes¬
sen-Waschwasser und Fleckausmacher -- es trö¬
stete ihn nicht, daß Vult ihn einmal gefragt,
ob denn die jezigen Fürsten noch wie die alten ge¬
wisse moralische Devisen und Symbola hätten,
dergleichen gewesen "praesis ut prosis" und an¬
dere spielende, und daß der Flötenist selber, ge¬
antwortet, dergleichen habe jezt nicht einmal ein
tiefer Stand, und es könne überhaupt, wenn schon in
Tasso's und Milton's christliche Heldengedichte die
heidnische Götterlehre hab' eindringen dürfen, auch
in unserem Christenthum so viel Götterlehre (wenig¬
stens in Betref der schönsten Abgöttin) Plaz grei¬
fen, als wir gerade bedürfen und begehren."

Darauf dachte Walt wieder an die Möglich¬
keit, daß irgend jemand das arme unschuldige
Mädgen gesehen, und daß er ihren unbescholtnen

ihm und ſeinem armen Rufe nachgeſtellt. Er litt
viel; — es richtete ihn nicht auf, daß er ſich
der beſten Behauptungen ſeines Bruders erinnerte,
daß z. B. ſolche Befleckungen des Rufs heut zu
Tage, gleich den Flecken von wohlriechenden Waſ¬
ſern, aus den Schnupftuͤchern und der weiſſen Waͤ¬
ſche von ſelber heraus gehen, ohne alle Prinzeſ¬
ſen-Waſchwaſſer und Fleckausmacher — es troͤ¬
ſtete ihn nicht, daß Vult ihn einmal gefragt,
ob denn die jezigen Fuͤrſten noch wie die alten ge¬
wiſſe moraliſche Deviſen und Symbola haͤtten,
dergleichen geweſen „praesis ut prosis“ und an¬
dere ſpielende, und daß der Floͤteniſt ſelber, ge¬
antwortet, dergleichen habe jezt nicht einmal ein
tiefer Stand, und es koͤnne uͤberhaupt, wenn ſchon in
Taſſo's und Milton's chriſtliche Heldengedichte die
heidniſche Goͤtterlehre hab' eindringen duͤrfen, auch
in unſerem Chriſtenthum ſo viel Goͤtterlehre (wenig¬
ſtens in Betref der ſchoͤnſten Abgoͤttin) Plaz grei¬
fen, als wir gerade beduͤrfen und begehren.“

Darauf dachte Walt wieder an die Moͤglich¬
keit, daß irgend jemand das arme unſchuldige
Maͤdgen geſehen, und daß er ihren unbeſcholtnen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0205" n="197"/>
ihm und &#x017F;einem armen Rufe nachge&#x017F;tellt. Er litt<lb/>
viel; &#x2014; es richtete ihn nicht auf, daß er &#x017F;ich<lb/>
der be&#x017F;ten Behauptungen &#x017F;eines Bruders erinnerte,<lb/>
daß z. B. &#x017F;olche Befleckungen des Rufs heut zu<lb/>
Tage, gleich den Flecken von wohlriechenden Wa&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;ern, aus den Schnupftu&#x0364;chern und der wei&#x017F;&#x017F;en Wa&#x0364;¬<lb/>
&#x017F;che von &#x017F;elber heraus gehen, ohne alle Prinze&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en-Wa&#x017F;chwa&#x017F;&#x017F;er und Fleckausmacher &#x2014; es tro&#x0364;¬<lb/>
&#x017F;tete ihn nicht, daß Vult ihn einmal gefragt,<lb/>
ob denn die jezigen Fu&#x0364;r&#x017F;ten noch wie die alten ge¬<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e morali&#x017F;che Devi&#x017F;en und <hi rendition="#aq">Symbola</hi> ha&#x0364;tten,<lb/>
dergleichen gewe&#x017F;en &#x201E;<hi rendition="#aq">praesis ut prosis</hi>&#x201C; und an¬<lb/>
dere &#x017F;pielende, und daß der Flo&#x0364;teni&#x017F;t &#x017F;elber, ge¬<lb/>
antwortet, dergleichen habe jezt nicht einmal ein<lb/>
tiefer Stand, und es ko&#x0364;nne u&#x0364;berhaupt, wenn &#x017F;chon in<lb/>
Ta&#x017F;&#x017F;o's und Milton's chri&#x017F;tliche Heldengedichte die<lb/>
heidni&#x017F;che Go&#x0364;tterlehre hab' eindringen du&#x0364;rfen, auch<lb/>
in un&#x017F;erem Chri&#x017F;tenthum &#x017F;o viel Go&#x0364;tterlehre (wenig¬<lb/>
&#x017F;tens in Betref der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Abgo&#x0364;ttin) Plaz grei¬<lb/>
fen, als wir gerade bedu&#x0364;rfen und begehren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Darauf dachte Walt wieder an die Mo&#x0364;glich¬<lb/>
keit, daß irgend jemand das arme un&#x017F;chuldige<lb/>
Ma&#x0364;dgen ge&#x017F;ehen, und daß er ihren unbe&#x017F;choltnen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0205] ihm und ſeinem armen Rufe nachgeſtellt. Er litt viel; — es richtete ihn nicht auf, daß er ſich der beſten Behauptungen ſeines Bruders erinnerte, daß z. B. ſolche Befleckungen des Rufs heut zu Tage, gleich den Flecken von wohlriechenden Waſ¬ ſern, aus den Schnupftuͤchern und der weiſſen Waͤ¬ ſche von ſelber heraus gehen, ohne alle Prinzeſ¬ ſen-Waſchwaſſer und Fleckausmacher — es troͤ¬ ſtete ihn nicht, daß Vult ihn einmal gefragt, ob denn die jezigen Fuͤrſten noch wie die alten ge¬ wiſſe moraliſche Deviſen und Symbola haͤtten, dergleichen geweſen „praesis ut prosis“ und an¬ dere ſpielende, und daß der Floͤteniſt ſelber, ge¬ antwortet, dergleichen habe jezt nicht einmal ein tiefer Stand, und es koͤnne uͤberhaupt, wenn ſchon in Taſſo's und Milton's chriſtliche Heldengedichte die heidniſche Goͤtterlehre hab' eindringen duͤrfen, auch in unſerem Chriſtenthum ſo viel Goͤtterlehre (wenig¬ ſtens in Betref der ſchoͤnſten Abgoͤttin) Plaz grei¬ fen, als wir gerade beduͤrfen und begehren.“ Darauf dachte Walt wieder an die Moͤglich¬ keit, daß irgend jemand das arme unſchuldige Maͤdgen geſehen, und daß er ihren unbeſcholtnen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/205
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/205>, abgerufen am 29.03.2024.