Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

sonne, wo es Licht stäubt und man sich ganz
mit Flimmern überlegt.

Ganz verdrüslich zulezt darüber, daß er
nicht traurig werden wollte, fuhr er ohne Gebet
aus den Federn, und hörte sein Herz ab. Er mochte
aber fragen und zanken, so lang' er wollte, und
dem Herzen den blaßen jungen Leichnam auf
dem Thurme hinhalten, und dessen zugedrückte
Augen, die mit keiner Morgensonne mehr auf¬
giengen: es half gar nichts, die Reise und mit¬
hin die Reisegelder behielten ihren Goldglanz,
und das Herz sah sehr gern hinein. Endlich
fragt' er aufgebracht, ob es denn, wie er sehe,
des Teufels lebendig sei und ob es, wenn es
könnte, etwa den armen Testator nicht sogleich
und mit Freuden rettete und aufbrächte? Man
besänftigte ihn ein wenig durch die Antwort:
mit Freuden und auf der Stelle. Hier fiel ihm
das Versprechen des Thürmers ein, ein weisses
Schnupftuch als Trauerflagge am Thurme aus¬
zustecken, wenn der junge Mensch verschieden
wäre. Da er aber droben keines fand, und doch
darüber einige Freude verspürte: so entlies er das

ſonne, wo es Licht ſtaͤubt und man ſich ganz
mit Flimmern uͤberlegt.

Ganz verdruͤslich zulezt daruͤber, daß er
nicht traurig werden wollte, fuhr er ohne Gebet
aus den Federn, und hoͤrte ſein Herz ab. Er mochte
aber fragen und zanken, ſo lang' er wollte, und
dem Herzen den blaßen jungen Leichnam auf
dem Thurme hinhalten, und deſſen zugedruͤckte
Augen, die mit keiner Morgenſonne mehr auf¬
giengen: es half gar nichts, die Reiſe und mit¬
hin die Reiſegelder behielten ihren Goldglanz,
und das Herz ſah ſehr gern hinein. Endlich
fragt' er aufgebracht, ob es denn, wie er ſehe,
des Teufels lebendig ſei und ob es, wenn es
koͤnnte, etwa den armen Teſtator nicht ſogleich
und mit Freuden rettete und aufbraͤchte? Man
beſaͤnftigte ihn ein wenig durch die Antwort:
mit Freuden und auf der Stelle. Hier fiel ihm
das Verſprechen des Thuͤrmers ein, ein weiſſes
Schnupftuch als Trauerflagge am Thurme aus¬
zuſtecken, wenn der junge Menſch verſchieden
waͤre. Da er aber droben keines fand, und doch
daruͤber einige Freude verſpuͤrte: ſo entlies er das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0066" n="58"/>
&#x017F;onne, wo es Licht &#x017F;ta&#x0364;ubt und man &#x017F;ich ganz<lb/>
mit Flimmern u&#x0364;berlegt.</p><lb/>
        <p>Ganz verdru&#x0364;slich zulezt daru&#x0364;ber, daß er<lb/>
nicht traurig werden wollte, fuhr er ohne Gebet<lb/>
aus den Federn, und ho&#x0364;rte &#x017F;ein Herz ab. Er mochte<lb/>
aber fragen und zanken, &#x017F;o lang' er wollte, und<lb/>
dem Herzen den blaßen jungen Leichnam auf<lb/>
dem Thurme hinhalten, und de&#x017F;&#x017F;en zugedru&#x0364;ckte<lb/>
Augen, die mit keiner Morgen&#x017F;onne mehr auf¬<lb/>
giengen: es half gar nichts, die Rei&#x017F;e und mit¬<lb/>
hin die Rei&#x017F;egelder behielten ihren Goldglanz,<lb/>
und das Herz &#x017F;ah &#x017F;ehr gern hinein. Endlich<lb/>
fragt' er aufgebracht, ob es denn, wie er &#x017F;ehe,<lb/>
des Teufels lebendig &#x017F;ei und ob es, wenn es<lb/>
ko&#x0364;nnte, etwa den armen Te&#x017F;tator nicht &#x017F;ogleich<lb/>
und mit Freuden rettete und aufbra&#x0364;chte? Man<lb/>
be&#x017F;a&#x0364;nftigte ihn ein wenig durch die Antwort:<lb/>
mit Freuden und auf der Stelle. Hier fiel ihm<lb/>
das Ver&#x017F;prechen des Thu&#x0364;rmers ein, ein wei&#x017F;&#x017F;es<lb/>
Schnupftuch als Trauerflagge am Thurme aus¬<lb/>
zu&#x017F;tecken, wenn der junge Men&#x017F;ch ver&#x017F;chieden<lb/>
wa&#x0364;re. Da er aber droben keines fand, und doch<lb/>
daru&#x0364;ber einige Freude ver&#x017F;pu&#x0364;rte: &#x017F;o entlies er das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0066] ſonne, wo es Licht ſtaͤubt und man ſich ganz mit Flimmern uͤberlegt. Ganz verdruͤslich zulezt daruͤber, daß er nicht traurig werden wollte, fuhr er ohne Gebet aus den Federn, und hoͤrte ſein Herz ab. Er mochte aber fragen und zanken, ſo lang' er wollte, und dem Herzen den blaßen jungen Leichnam auf dem Thurme hinhalten, und deſſen zugedruͤckte Augen, die mit keiner Morgenſonne mehr auf¬ giengen: es half gar nichts, die Reiſe und mit¬ hin die Reiſegelder behielten ihren Goldglanz, und das Herz ſah ſehr gern hinein. Endlich fragt' er aufgebracht, ob es denn, wie er ſehe, des Teufels lebendig ſei und ob es, wenn es koͤnnte, etwa den armen Teſtator nicht ſogleich und mit Freuden rettete und aufbraͤchte? Man beſaͤnftigte ihn ein wenig durch die Antwort: mit Freuden und auf der Stelle. Hier fiel ihm das Verſprechen des Thuͤrmers ein, ein weiſſes Schnupftuch als Trauerflagge am Thurme aus¬ zuſtecken, wenn der junge Menſch verſchieden waͤre. Da er aber droben keines fand, und doch daruͤber einige Freude verſpuͤrte: ſo entlies er das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/66
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/66>, abgerufen am 24.04.2024.