Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Es ist nicht viel besser, Alter, als wenn sie als
Falkenier zu dir Falken sagte, und sich als Tau¬
be dir vorwürfe: rupf' an, Männgen!"

"Die Möglichkeit solcher Täuschungen --
sagte Walt -- seh' ich wohl auch voraus, und
dein Argwohn ist mir oft nichts neues; aber
über die Wirklichkeit in jedem Falle, dar¬
über ist der Skrupel. Und Liebe kann ja eben
so wohl stimmen als Haß verstimmen. Ist Ra¬
phaelens Freude über mein Lob auf ihre Freun¬
din kein schönes Zeichen?" -- "Nein, sagte
Vult. Nur eine Schönheit ist an ausschliessen¬
de Grade des Lobes und Feuers verwöhnt und
hasset jede Unvollständigkeit und Theilung der
fremden Empfindung; aber eine untergeordnete
Gestalt ist genöthigt zur Zufriedenheit mit mitt¬
lern Stufen, und vergiebt manches, ausgenom¬
men manches."

Walt hatte nichts weiter zu berichten, als
seinen Plan, den reinen Himmel zu athmen auf
einigen Tagreisen, wo er auf nichts ausgehe,
als auf den Weg. Vult genehmigte ihn stark.
Jener wollte sehr scheiden; aber der Flötenspieler,

Es iſt nicht viel beſſer, Alter, als wenn ſie als
Falkenier zu dir Falken ſagte, und ſich als Tau¬
be dir vorwuͤrfe: rupf' an, Maͤnngen!“

„Die Moͤglichkeit ſolcher Taͤuſchungen —
ſagte Walt — ſeh' ich wohl auch voraus, und
dein Argwohn iſt mir oft nichts neues; aber
uͤber die Wirklichkeit in jedem Falle, dar¬
uͤber iſt der Skrupel. Und Liebe kann ja eben
ſo wohl ſtimmen als Haß verſtimmen. Iſt Ra¬
phaelens Freude uͤber mein Lob auf ihre Freun¬
din kein ſchoͤnes Zeichen?“ — „Nein, ſagte
Vult. Nur eine Schoͤnheit iſt an ausſchlieſſen¬
de Grade des Lobes und Feuers verwoͤhnt und
haſſet jede Unvollſtaͤndigkeit und Theilung der
fremden Empfindung; aber eine untergeordnete
Geſtalt iſt genoͤthigt zur Zufriedenheit mit mitt¬
lern Stufen, und vergiebt manches, ausgenom¬
men manches.“

Walt hatte nichts weiter zu berichten, als
ſeinen Plan, den reinen Himmel zu athmen auf
einigen Tagreiſen, wo er auf nichts ausgehe,
als auf den Weg. Vult genehmigte ihn ſtark.
Jener wollte ſehr ſcheiden; aber der Floͤtenſpieler,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0076" n="68"/>
Es i&#x017F;t nicht viel be&#x017F;&#x017F;er, Alter, als wenn &#x017F;ie als<lb/>
Falkenier zu dir Falken &#x017F;agte, und &#x017F;ich als Tau¬<lb/>
be dir vorwu&#x0364;rfe: rupf' an, Ma&#x0364;nngen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die <hi rendition="#g">Mo&#x0364;glichkeit</hi> &#x017F;olcher Ta&#x0364;u&#x017F;chungen &#x2014;<lb/>
&#x017F;agte Walt &#x2014; &#x017F;eh' ich wohl auch voraus, und<lb/>
dein Argwohn i&#x017F;t mir oft nichts neues; aber<lb/>
u&#x0364;ber die <hi rendition="#g">Wirklichkeit</hi> in jedem Falle, dar¬<lb/>
u&#x0364;ber i&#x017F;t der Skrupel. Und Liebe kann ja eben<lb/>
&#x017F;o wohl &#x017F;timmen als Haß ver&#x017F;timmen. I&#x017F;t Ra¬<lb/>
phaelens Freude u&#x0364;ber mein Lob auf ihre Freun¬<lb/>
din kein &#x017F;cho&#x0364;nes Zeichen?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Nein, &#x017F;agte<lb/>
Vult. Nur eine Scho&#x0364;nheit i&#x017F;t an aus&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en¬<lb/>
de Grade des Lobes und Feuers verwo&#x0364;hnt und<lb/>
ha&#x017F;&#x017F;et jede Unvoll&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit und Theilung der<lb/>
fremden Empfindung; aber eine untergeordnete<lb/>
Ge&#x017F;talt i&#x017F;t geno&#x0364;thigt zur Zufriedenheit mit mitt¬<lb/>
lern Stufen, und vergiebt manches, ausgenom¬<lb/>
men manches.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Walt hatte nichts weiter zu berichten, als<lb/>
&#x017F;einen Plan, den reinen Himmel zu athmen auf<lb/>
einigen Tagrei&#x017F;en, wo er auf nichts ausgehe,<lb/>
als auf den Weg. Vult genehmigte ihn &#x017F;tark.<lb/>
Jener wollte &#x017F;ehr &#x017F;cheiden; aber der Flo&#x0364;ten&#x017F;pieler,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0076] Es iſt nicht viel beſſer, Alter, als wenn ſie als Falkenier zu dir Falken ſagte, und ſich als Tau¬ be dir vorwuͤrfe: rupf' an, Maͤnngen!“ „Die Moͤglichkeit ſolcher Taͤuſchungen — ſagte Walt — ſeh' ich wohl auch voraus, und dein Argwohn iſt mir oft nichts neues; aber uͤber die Wirklichkeit in jedem Falle, dar¬ uͤber iſt der Skrupel. Und Liebe kann ja eben ſo wohl ſtimmen als Haß verſtimmen. Iſt Ra¬ phaelens Freude uͤber mein Lob auf ihre Freun¬ din kein ſchoͤnes Zeichen?“ — „Nein, ſagte Vult. Nur eine Schoͤnheit iſt an ausſchlieſſen¬ de Grade des Lobes und Feuers verwoͤhnt und haſſet jede Unvollſtaͤndigkeit und Theilung der fremden Empfindung; aber eine untergeordnete Geſtalt iſt genoͤthigt zur Zufriedenheit mit mitt¬ lern Stufen, und vergiebt manches, ausgenom¬ men manches.“ Walt hatte nichts weiter zu berichten, als ſeinen Plan, den reinen Himmel zu athmen auf einigen Tagreiſen, wo er auf nichts ausgehe, als auf den Weg. Vult genehmigte ihn ſtark. Jener wollte ſehr ſcheiden; aber der Floͤtenſpieler,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/76
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/76>, abgerufen am 29.03.2024.