Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

blieben in ihren Augen die zwei Narren und gewan¬
nen durch nichts etwas. Da er also gewiß bemerk¬
te, daß aus einer flüchtigen Bouderie wahre Reue
über ihre bisherige Offenheit geworden war, von der
er einen zu freimüthigen Gebrauch und eine zu ei¬
gennützige Auslegung gemacht zu haben schien: so
war es jetzt seine Pflicht, das, was er bisher aus
Scherz gethan hatte, im Ernste zu thun, nämlich sie
aufzusuchen und auszusöhnen.

Aber sie stand immer an der Fürstin und es war
nichts.

Ich hab' es nicht selber gesagt, weil ich wußte,
der Leser seh' es ohne mich, daß der Held glaubt,
Joachime halt' ihn für den Bilderdiener ihrer Reize
und für den zu ihr gezognen Satelliten: der Held
nahm sich daher längst vor, ihr diesen Irrthum --
zu lassen. Einen solchen Irrthum zu benehmen, dazu
hat selten ein Mann oder ein Weib Stärke genug
-- Viktor hatt' aber noch mehr Gründe, ihr den
Glauben an seine Liebe (d. h. auch sich den seinigen
an ihre) zu gönnen: erstlich er wollte verstecken, war¬
um er komme -- zweitens er wußte, in der großen
Welt und unter den Joachimen wird ein Liebhaber
nur wie der dritte Mann zum Spiel gesucht, man
stirbt da nicht von der Liebe, man lebt da nicht ein¬
mal davon -- Drittens er hob sich immer den Noth¬
anker auf, aus Spas Ernst zu machen: "wenn mir

Hesperus. II Th. L

blieben in ihren Augen die zwei Narren und gewan¬
nen durch nichts etwas. Da er alſo gewiß bemerk¬
te, daß aus einer fluͤchtigen Bouderie wahre Reue
uͤber ihre bisherige Offenheit geworden war, von der
er einen zu freimuͤthigen Gebrauch und eine zu ei¬
gennuͤtzige Auslegung gemacht zu haben ſchien: ſo
war es jetzt ſeine Pflicht, das, was er bisher aus
Scherz gethan hatte, im Ernſte zu thun, naͤmlich ſie
aufzuſuchen und auszuſoͤhnen.

Aber ſie ſtand immer an der Fuͤrſtin und es war
nichts.

Ich hab' es nicht ſelber geſagt, weil ich wußte,
der Leſer ſeh' es ohne mich, daß der Held glaubt,
Joachime halt' ihn fuͤr den Bilderdiener ihrer Reize
und fuͤr den zu ihr gezognen Satelliten: der Held
nahm ſich daher laͤngſt vor, ihr dieſen Irrthum —
zu laſſen. Einen ſolchen Irrthum zu benehmen, dazu
hat ſelten ein Mann oder ein Weib Staͤrke genug
— Viktor hatt' aber noch mehr Gruͤnde, ihr den
Glauben an ſeine Liebe (d. h. auch ſich den ſeinigen
an ihre) zu goͤnnen: erſtlich er wollte verſtecken, war¬
um er komme — zweitens er wußte, in der großen
Welt und unter den Joachimen wird ein Liebhaber
nur wie der dritte Mann zum Spiel geſucht, man
ſtirbt da nicht von der Liebe, man lebt da nicht ein¬
mal davon — Drittens er hob ſich immer den Noth¬
anker auf, aus Spas Ernſt zu machen: »wenn mir

Heſperus. II Th. L
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0171" n="161"/>
blieben in ihren Augen die zwei Narren und gewan¬<lb/>
nen durch nichts etwas. Da er al&#x017F;o gewiß bemerk¬<lb/>
te, daß aus einer flu&#x0364;chtigen Bouderie wahre Reue<lb/>
u&#x0364;ber ihre bisherige Offenheit geworden war, von der<lb/>
er einen zu freimu&#x0364;thigen Gebrauch und eine zu ei¬<lb/>
gennu&#x0364;tzige Auslegung gemacht zu haben &#x017F;chien: &#x017F;o<lb/>
war es jetzt &#x017F;eine Pflicht, das, was er bisher aus<lb/>
Scherz gethan hatte, im Ern&#x017F;te zu thun, na&#x0364;mlich &#x017F;ie<lb/>
aufzu&#x017F;uchen und auszu&#x017F;o&#x0364;hnen.</p><lb/>
            <p>Aber &#x017F;ie &#x017F;tand immer an der Fu&#x0364;r&#x017F;tin und es war<lb/>
nichts.</p><lb/>
            <p>Ich hab' es nicht &#x017F;elber ge&#x017F;agt, weil ich wußte,<lb/>
der Le&#x017F;er &#x017F;eh' es ohne mich, daß der Held glaubt,<lb/>
Joachime halt' ihn fu&#x0364;r den Bilderdiener ihrer Reize<lb/>
und fu&#x0364;r den zu ihr gezognen Satelliten: der Held<lb/>
nahm &#x017F;ich daher la&#x0364;ng&#x017F;t vor, ihr die&#x017F;en Irrthum &#x2014;<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en. Einen &#x017F;olchen Irrthum zu benehmen, dazu<lb/>
hat &#x017F;elten ein Mann oder ein Weib Sta&#x0364;rke genug<lb/>
&#x2014; Viktor hatt' aber noch mehr Gru&#x0364;nde, ihr den<lb/>
Glauben an &#x017F;eine Liebe (d. h. auch &#x017F;ich den &#x017F;einigen<lb/>
an ihre) zu go&#x0364;nnen: er&#x017F;tlich er wollte ver&#x017F;tecken, war¬<lb/>
um er komme &#x2014; zweitens er wußte, in der großen<lb/>
Welt und unter den Joachimen wird ein Liebhaber<lb/>
nur wie der dritte Mann zum Spiel ge&#x017F;ucht, man<lb/>
&#x017F;tirbt da nicht von der Liebe, man lebt da nicht ein¬<lb/>
mal davon &#x2014; Drittens er hob &#x017F;ich immer den Noth¬<lb/>
anker auf, aus Spas Ern&#x017F;t zu machen: »wenn mir<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">He&#x017F;perus. <hi rendition="#aq">II</hi> Th. L<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0171] blieben in ihren Augen die zwei Narren und gewan¬ nen durch nichts etwas. Da er alſo gewiß bemerk¬ te, daß aus einer fluͤchtigen Bouderie wahre Reue uͤber ihre bisherige Offenheit geworden war, von der er einen zu freimuͤthigen Gebrauch und eine zu ei¬ gennuͤtzige Auslegung gemacht zu haben ſchien: ſo war es jetzt ſeine Pflicht, das, was er bisher aus Scherz gethan hatte, im Ernſte zu thun, naͤmlich ſie aufzuſuchen und auszuſoͤhnen. Aber ſie ſtand immer an der Fuͤrſtin und es war nichts. Ich hab' es nicht ſelber geſagt, weil ich wußte, der Leſer ſeh' es ohne mich, daß der Held glaubt, Joachime halt' ihn fuͤr den Bilderdiener ihrer Reize und fuͤr den zu ihr gezognen Satelliten: der Held nahm ſich daher laͤngſt vor, ihr dieſen Irrthum — zu laſſen. Einen ſolchen Irrthum zu benehmen, dazu hat ſelten ein Mann oder ein Weib Staͤrke genug — Viktor hatt' aber noch mehr Gruͤnde, ihr den Glauben an ſeine Liebe (d. h. auch ſich den ſeinigen an ihre) zu goͤnnen: erſtlich er wollte verſtecken, war¬ um er komme — zweitens er wußte, in der großen Welt und unter den Joachimen wird ein Liebhaber nur wie der dritte Mann zum Spiel geſucht, man ſtirbt da nicht von der Liebe, man lebt da nicht ein¬ mal davon — Drittens er hob ſich immer den Noth¬ anker auf, aus Spas Ernſt zu machen: »wenn mir Heſperus. II Th. L

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/171
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/171>, abgerufen am 23.04.2024.