und am Himmel blinkende Nacht erhob seine Brust durch grössere Szenen. Mit welcher Liebe dachte er da an seinen Vater, dessen philosophische Kälte dem Jennerschnee gleich war, der die Saat gegen Frost bedeckt, indes die höfische dem Märzschnee ähnlicht, der die Keime zerfrisset! Wie sehr warf er sich jeden unzufriedenen Gedanken gegen seines rechtschaffenen Flamins kleinen Mangel an Feinheit vor! O wie richtete sich sein innerer Mensch wie ein gefallener und begnadigter Engel auf, da er sich Emanuel an der Hand Klotildens dachte, der ihn seelig frag¬ te: "wo fandest du heute ein Ebenbild von meiner Freundin?" -- Jetzt sehnte er sich unaussprechlich in sein St. Lüne zurück. . . .
Seine steigenden Herzensschläge hielt auf einmal Joachime an, die mit einem ins Zimmer gerich¬ teten Gelächter herauskam. Da es ihr schwer fiel, nur eine Stunde zu sitzen (mich wundert wie sie ei¬ ne ganze Nacht im Bette blieb) so machte sie sich so oft sie konnte vom Stangengebiß des Spieles los. Dasmal band die Fürstin sie ab, die wegen ihrer kranken Augen diese Nachtarbeit der Großen aussetzte. Joachime war keine Klotilde, aber sie hatte doch zwei Augen wie zwei Rosensteine geschlif¬ fen -- zwei Lippen wie gemahlt -- zwei Hände wie gegossen -- und überhaupt alle Glieder-Doubletten recht hübsch . . . . Und damit hält ein Hofmedi¬
und am Himmel blinkende Nacht erhob ſeine Bruſt durch groͤſſere Szenen. Mit welcher Liebe dachte er da an ſeinen Vater, deſſen philoſophiſche Kaͤlte dem Jennerſchnee gleich war, der die Saat gegen Froſt bedeckt, indes die hoͤfiſche dem Maͤrzſchnee aͤhnlicht, der die Keime zerfriſſet! Wie ſehr warf er ſich jeden unzufriedenen Gedanken gegen ſeines rechtſchaffenen Flamins kleinen Mangel an Feinheit vor! O wie richtete ſich ſein innerer Menſch wie ein gefallener und begnadigter Engel auf, da er ſich Emanuel an der Hand Klotildens dachte, der ihn ſeelig frag¬ te: »wo fandeſt du heute ein Ebenbild von meiner Freundin?» — Jetzt ſehnte er ſich unausſprechlich in ſein St. Luͤne zuruͤck. . . .
Seine ſteigenden Herzensſchlaͤge hielt auf einmal Joachime an, die mit einem ins Zimmer gerich¬ teten Gelaͤchter herauskam. Da es ihr ſchwer fiel, nur eine Stunde zu ſitzen (mich wundert wie ſie ei¬ ne ganze Nacht im Bette blieb) ſo machte ſie ſich ſo oft ſie konnte vom Stangengebiß des Spieles los. Dasmal band die Fuͤrſtin ſie ab, die wegen ihrer kranken Augen dieſe Nachtarbeit der Großen ausſetzte. Joachime war keine Klotilde, aber ſie hatte doch zwei Augen wie zwei Roſenſteine geſchlif¬ fen — zwei Lippen wie gemahlt — zwei Haͤnde wie gegoſſen — und uͤberhaupt alle Glieder-Doubletten recht huͤbſch . . . . Und damit haͤlt ein Hofmedi¬
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und am Himmel blinkende Nacht erhob ſeine Bruſt
durch groͤſſere Szenen. Mit welcher Liebe dachte er
da an ſeinen Vater, deſſen philoſophiſche Kaͤlte dem
Jennerſchnee gleich war, der die Saat gegen Froſt
bedeckt, indes die hoͤfiſche dem Maͤrzſchnee aͤhnlicht,
der die Keime zerfriſſet! Wie ſehr warf er ſich jeden
unzufriedenen Gedanken gegen ſeines rechtſchaffenen
Flamins kleinen Mangel an Feinheit vor! O wie
richtete ſich ſein innerer Menſch wie ein gefallener
und begnadigter Engel auf, da er ſich Emanuel an
der Hand Klotildens dachte, der ihn ſeelig frag¬
te: »wo fandeſt du heute ein Ebenbild von meiner
Freundin?» — Jetzt ſehnte er ſich unausſprechlich
in ſein St. Luͤne zuruͤck. . . .
Seine ſteigenden Herzensſchlaͤge hielt auf einmal
Joachime an, die mit einem ins Zimmer gerich¬
teten Gelaͤchter herauskam. Da es ihr ſchwer fiel,
nur eine Stunde zu ſitzen (mich wundert wie ſie ei¬
ne ganze Nacht im Bette blieb) ſo machte ſie ſich
ſo oft ſie konnte vom Stangengebiß des Spieles los.
Dasmal band die Fuͤrſtin ſie ab, die wegen ihrer
kranken Augen dieſe Nachtarbeit der Großen
ausſetzte. Joachime war keine Klotilde, aber ſie
hatte doch zwei Augen wie zwei Roſenſteine geſchlif¬
fen — zwei Lippen wie gemahlt — zwei Haͤnde wie
gegoſſen — und uͤberhaupt alle Glieder-Doubletten
recht huͤbſch . . . . Und damit haͤlt ein Hofmedi¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/35>, abgerufen am 20.04.2024.
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