ne Uebertreibung an die Seite setzte. Ja er dispu¬ tirte unter dem Hauptliede mit ihm über die jura stolae eines todtgebohrnen Fötus und that mit We¬ nigem dar, daß ein Pfarrer von jedem Fötus -- und wär' er fünf Nächte alt -- die gehörigen Be¬ gräbnißgebühren, die filzigen Eltern möchten immer¬ hin für das Ding keinen Leichensermon bestellen, fodern könnte. Der Kaplan machte einen wichtigen Einwurf; aber Viktor hob ihn durch den wichtigen Vorschlag, daß ein Geistlicher sich (weil sonst die besten Fötusse unterschlagen würden) so oft Leichen¬ gebühren von jedem Paare zahlen ließe, als es Tauf¬ gebühren entrichten könnte. Der Kaplan versetzte: "es ist dumm, daß die besten Pastoraltheologien über "diesen Punkt so hurtig weg sind wie Schnupf¬ "tabak."
Bei soviel Laune meines Helden und bei soviel Lustigkeit meines Pfarrers -- der an jedem h. Abend keifte und urthelte wie ein Revoluzionstribunal, und der sich jeden Feiertag milderte bis er am dritten ein Engel war -- sollte sich die Welt etwas anders versprechen als was doch kömmt: daß nämlich Vik¬ tor aus jeder Minute des kommenden Abends, der Klotilden zum vorletztenmale in seine Gesellschaft brachte, ein vorragendes Inzisionsmesser blinken sah, in das er seinen wunden Busen drücken muß. Sie
ne Uebertreibung an die Seite ſetzte. Ja er diſpu¬ tirte unter dem Hauptliede mit ihm uͤber die jura stolae eines todtgebohrnen Foͤtus und that mit We¬ nigem dar, daß ein Pfarrer von jedem Foͤtus — und waͤr' er fuͤnf Naͤchte alt — die gehoͤrigen Be¬ graͤbnißgebuͤhren, die filzigen Eltern moͤchten immer¬ hin fuͤr das Ding keinen Leichenſermon beſtellen, fodern koͤnnte. Der Kaplan machte einen wichtigen Einwurf; aber Viktor hob ihn durch den wichtigen Vorſchlag, daß ein Geiſtlicher ſich (weil ſonſt die beſten Foͤtuſſe unterſchlagen wuͤrden) ſo oft Leichen¬ gebuͤhren von jedem Paare zahlen ließe, als es Tauf¬ gebuͤhren entrichten koͤnnte. Der Kaplan verſetzte: »es iſt dumm, daß die beſten Paſtoraltheologien uͤber »dieſen Punkt ſo hurtig weg ſind wie Schnupf¬ »tabak.»
Bei ſoviel Laune meines Helden und bei ſoviel Luſtigkeit meines Pfarrers — der an jedem h. Abend keifte und urthelte wie ein Revoluzionstribunal, und der ſich jeden Feiertag milderte bis er am dritten ein Engel war — ſollte ſich die Welt etwas anders verſprechen als was doch koͤmmt: daß naͤmlich Vik¬ tor aus jeder Minute des kommenden Abends, der Klotilden zum vorletztenmale in ſeine Geſellſchaft brachte, ein vorragendes Inziſionsmeſſer blinken ſah, in das er ſeinen wunden Buſen druͤcken muß. Sie
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ne Uebertreibung an die Seite ſetzte. Ja er diſpu¬
tirte unter dem Hauptliede mit ihm uͤber die jura
stolae eines todtgebohrnen Foͤtus und that mit We¬
nigem dar, daß ein Pfarrer von jedem Foͤtus —
und waͤr' er fuͤnf Naͤchte alt — die gehoͤrigen Be¬
graͤbnißgebuͤhren, die filzigen Eltern moͤchten immer¬
hin fuͤr das Ding keinen Leichenſermon beſtellen,
fodern koͤnnte. Der Kaplan machte einen wichtigen
Einwurf; aber Viktor hob ihn durch den wichtigen
Vorſchlag, daß ein Geiſtlicher ſich (weil ſonſt die
beſten Foͤtuſſe unterſchlagen wuͤrden) ſo oft Leichen¬
gebuͤhren von jedem Paare zahlen ließe, als es Tauf¬
gebuͤhren entrichten koͤnnte. Der Kaplan verſetzte:
»es iſt dumm, daß die beſten Paſtoraltheologien uͤber
»dieſen Punkt ſo hurtig weg ſind wie Schnupf¬
»tabak.»
Bei ſoviel Laune meines Helden und bei ſoviel
Luſtigkeit meines Pfarrers — der an jedem h. Abend
keifte und urthelte wie ein Revoluzionstribunal, und
der ſich jeden Feiertag milderte bis er am dritten
ein Engel war — ſollte ſich die Welt etwas anders
verſprechen als was doch koͤmmt: daß naͤmlich Vik¬
tor aus jeder Minute des kommenden Abends, der
Klotilden zum vorletztenmale in ſeine Geſellſchaft
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/351>, abgerufen am 28.03.2024.
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