Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Passatwind des Visitenfächers für uns eine Winds¬
braut ist und der kühle Athem über die Theetasse
herüber ein Seewind -- wo man weniger am Kum¬
mer des andern Antheil nahm als an seinem Fraße
-- wo die Damen und die Herren in Bärenhäuten
mit nichts verwundeten (mit Blicken, Reizen, Locken
am allerwenigsten) mit nichts als mit Keulen und
wo sie sich zwar so gut wie heute und morgen des
Herzens eines ehrlichen Mannes bemächtigten, aber
doch nur so, daß sie den Inhaber desselben vorher
auf einen Altar hinstreckten und ordentlich abschlachte¬
ten, eh' sie ihm den Himmelsglobus aus dem Brust¬
gehäuse ausschnitten. -- --

Um diese Zeiten sind wir nun alle gebracht: in
den jetzigen siehts schlecht aus. Beim Himmel, man
hat ja nicht viel weniger als Alles vonnöthen, um
glücklich, und nicht viel mehr als Nichts, um un¬
glücklich zu seyn -- zu jenem braucht man eine
Sonne, zu diesem ein Sonnenstäubgen! -- Gut wä¬
ren wir daran und große Zimmer im Luftschloß mon
repos
am Rhein hätten wir innen, wenn es uns
vom Schicksal bescheeret wäre, daß wir etwan so
viele Foltern erlitten wie die Juristen haben, näm¬
lich drei -- nicht mehr Plagen als die Aegypter tru¬
gen, nämlich sieben -- nicht mehr Verfolgungen als
die ersten Christen ausstanden, nämlich zehn. Aber
auf solche Glücks-Ziehungen sieht ein Mann von

Paſſatwind des Viſitenfaͤchers fuͤr uns eine Winds¬
braut iſt und der kuͤhle Athem uͤber die Theetaſſe
heruͤber ein Seewind — wo man weniger am Kum¬
mer des andern Antheil nahm als an ſeinem Fraße
— wo die Damen und die Herren in Baͤrenhaͤuten
mit nichts verwundeten (mit Blicken, Reizen, Locken
am allerwenigſten) mit nichts als mit Keulen und
wo ſie ſich zwar ſo gut wie heute und morgen des
Herzens eines ehrlichen Mannes bemaͤchtigten, aber
doch nur ſo, daß ſie den Inhaber deſſelben vorher
auf einen Altar hinſtreckten und ordentlich abſchlachte¬
ten, eh' ſie ihm den Himmelsglobus aus dem Bruſt¬
gehaͤuſe ausſchnitten. — —

Um dieſe Zeiten ſind wir nun alle gebracht: in
den jetzigen ſiehts ſchlecht aus. Beim Himmel, man
hat ja nicht viel weniger als Alles vonnoͤthen, um
gluͤcklich, und nicht viel mehr als Nichts, um un¬
gluͤcklich zu ſeyn — zu jenem braucht man eine
Sonne, zu dieſem ein Sonnenſtaͤubgen! — Gut waͤ¬
ren wir daran und große Zimmer im Luftſchloß mon
répos
am Rhein haͤtten wir innen, wenn es uns
vom Schickſal beſcheeret waͤre, daß wir etwan ſo
viele Foltern erlitten wie die Juriſten haben, naͤm¬
lich drei — nicht mehr Plagen als die Aegypter tru¬
gen, naͤmlich ſieben — nicht mehr Verfolgungen als
die erſten Chriſten ausſtanden, naͤmlich zehn. Aber
auf ſolche Gluͤcks-Ziehungen ſieht ein Mann von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0014" n="4"/>
Pa&#x017F;&#x017F;atwind des Vi&#x017F;itenfa&#x0364;chers fu&#x0364;r uns eine Winds¬<lb/>
braut i&#x017F;t und der ku&#x0364;hle Athem u&#x0364;ber die Theeta&#x017F;&#x017F;e<lb/>
heru&#x0364;ber ein Seewind &#x2014; wo man weniger am Kum¬<lb/>
mer des andern Antheil nahm als an &#x017F;einem Fraße<lb/>
&#x2014; wo die Damen und die Herren in Ba&#x0364;renha&#x0364;uten<lb/>
mit nichts verwundeten (mit Blicken, Reizen, Locken<lb/>
am allerwenig&#x017F;ten) mit nichts als mit Keulen und<lb/>
wo &#x017F;ie &#x017F;ich zwar &#x017F;o gut wie heute und morgen des<lb/>
Herzens eines ehrlichen Mannes bema&#x0364;chtigten, aber<lb/>
doch nur &#x017F;o, daß &#x017F;ie den Inhaber de&#x017F;&#x017F;elben vorher<lb/>
auf einen Altar hin&#x017F;treckten und ordentlich ab&#x017F;chlachte¬<lb/>
ten, eh' &#x017F;ie ihm den Himmelsglobus aus dem Bru&#x017F;<lb/>
geha&#x0364;u&#x017F;e aus&#x017F;chnitten. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
            <p>Um die&#x017F;e Zeiten &#x017F;ind wir nun alle gebracht: in<lb/>
den jetzigen &#x017F;iehts &#x017F;chlecht aus. Beim Himmel, man<lb/>
hat ja nicht viel weniger als Alles vonno&#x0364;then, um<lb/>
glu&#x0364;cklich, und nicht viel mehr als Nichts, um un¬<lb/>
glu&#x0364;cklich zu &#x017F;eyn &#x2014; zu jenem braucht man eine<lb/>
Sonne, zu die&#x017F;em ein Sonnen&#x017F;ta&#x0364;ubgen! &#x2014; Gut wa&#x0364;¬<lb/>
ren wir daran und große Zimmer im Luft&#x017F;chloß <hi rendition="#aq">mon<lb/>
répos</hi> am Rhein ha&#x0364;tten wir innen, wenn es uns<lb/>
vom Schick&#x017F;al be&#x017F;cheeret wa&#x0364;re, daß wir etwan &#x017F;o<lb/>
viele Foltern erlitten wie die Juri&#x017F;ten haben, na&#x0364;<lb/>
lich drei &#x2014; nicht mehr Plagen als die Aegypter tru¬<lb/>
gen, na&#x0364;mlich &#x017F;ieben &#x2014; nicht mehr Verfolgungen als<lb/>
die er&#x017F;ten Chri&#x017F;ten aus&#x017F;tanden, na&#x0364;mlich zehn. Aber<lb/>
auf &#x017F;olche Glu&#x0364;cks-Ziehungen &#x017F;ieht ein Mann von<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0014] Paſſatwind des Viſitenfaͤchers fuͤr uns eine Winds¬ braut iſt und der kuͤhle Athem uͤber die Theetaſſe heruͤber ein Seewind — wo man weniger am Kum¬ mer des andern Antheil nahm als an ſeinem Fraße — wo die Damen und die Herren in Baͤrenhaͤuten mit nichts verwundeten (mit Blicken, Reizen, Locken am allerwenigſten) mit nichts als mit Keulen und wo ſie ſich zwar ſo gut wie heute und morgen des Herzens eines ehrlichen Mannes bemaͤchtigten, aber doch nur ſo, daß ſie den Inhaber deſſelben vorher auf einen Altar hinſtreckten und ordentlich abſchlachte¬ ten, eh' ſie ihm den Himmelsglobus aus dem Bruſt¬ gehaͤuſe ausſchnitten. — — Um dieſe Zeiten ſind wir nun alle gebracht: in den jetzigen ſiehts ſchlecht aus. Beim Himmel, man hat ja nicht viel weniger als Alles vonnoͤthen, um gluͤcklich, und nicht viel mehr als Nichts, um un¬ gluͤcklich zu ſeyn — zu jenem braucht man eine Sonne, zu dieſem ein Sonnenſtaͤubgen! — Gut waͤ¬ ren wir daran und große Zimmer im Luftſchloß mon répos am Rhein haͤtten wir innen, wenn es uns vom Schickſal beſcheeret waͤre, daß wir etwan ſo viele Foltern erlitten wie die Juriſten haben, naͤm¬ lich drei — nicht mehr Plagen als die Aegypter tru¬ gen, naͤmlich ſieben — nicht mehr Verfolgungen als die erſten Chriſten ausſtanden, naͤmlich zehn. Aber auf ſolche Gluͤcks-Ziehungen ſieht ein Mann von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/14
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/14>, abgerufen am 20.04.2024.