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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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nige Stunden von Maulbronn. Theoda bestand
auf schnelle Ankunft; sie wollte wenigstens mit
dem schlafenden Dichter in demselben gelobten
Lande und unter Einer Wolke seyn. Der Edel-
mann sagte; er habe den eigennützigen Wunsch,
erst morgen anzukommen, weil ein Wagen
enger vereinige als ein Baddorf. Die heimli-
chern Gründe seines Wunsches waren, am Tage
vom Thurm herab mit dem Bade-Ständchen
angeblasen zu werden -- ferner sich den Genuß
des Inkognito's und das Hineinfühlen in Theo-
das wachsende Herzens-Spannung zu verlän-
gern -- und endlich um mit ihr Abends durch
das gewachsene Mondlicht spatzieren zu wa-
ten. Der Doktor schlug sich mit Freuden zu
ihm; Nieß trug mit dichterischer Großmuth die
Frachtkosten für ihn und kürzte aus dichterischer
Weichlichkeit alles Reise-Gezänk durch Doppel-
Gaben ab, um auch die kleinsten Himmelsstür-
mer von seinen Freuden-Himmel fern zu halten.
"Ohnehin -- sagte der Doktor -- müss' er in
Fugnitz eine neue Scheide für seinen gefährli-
chen Giftpfeil machen lassen; und er reise ja

nige Stunden von Maulbronn. Theoda beſtand
auf ſchnelle Ankunft; ſie wollte wenigſtens mit
dem ſchlafenden Dichter in demſelben gelobten
Lande und unter Einer Wolke ſeyn. Der Edel-
mann ſagte; er habe den eigennuͤtzigen Wunſch,
erſt morgen anzukommen, weil ein Wagen
enger vereinige als ein Baddorf. Die heimli-
chern Gruͤnde ſeines Wunſches waren, am Tage
vom Thurm herab mit dem Bade-Staͤndchen
angeblaſen zu werden — ferner ſich den Genuß
des Inkognito’s und das Hineinfuͤhlen in Theo-
das wachſende Herzens-Spannung zu verlaͤn-
gern — und endlich um mit ihr Abends durch
das gewachſene Mondlicht ſpatzieren zu wa-
ten. Der Doktor ſchlug ſich mit Freuden zu
ihm; Nieß trug mit dichteriſcher Großmuth die
Frachtkoſten fuͤr ihn und kuͤrzte aus dichteriſcher
Weichlichkeit alles Reiſe-Gezaͤnk durch Doppel-
Gaben ab, um auch die kleinſten Himmelsſtuͤr-
mer von ſeinen Freuden-Himmel fern zu halten.
„Ohnehin — ſagte der Doktor — muͤſſ’ er in
Fugnitz eine neue Scheide fuͤr ſeinen gefaͤhrli-
chen Giftpfeil machen laſſen; und er reiſe ja

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[99/0117] nige Stunden von Maulbronn. Theoda beſtand auf ſchnelle Ankunft; ſie wollte wenigſtens mit dem ſchlafenden Dichter in demſelben gelobten Lande und unter Einer Wolke ſeyn. Der Edel- mann ſagte; er habe den eigennuͤtzigen Wunſch, erſt morgen anzukommen, weil ein Wagen enger vereinige als ein Baddorf. Die heimli- chern Gruͤnde ſeines Wunſches waren, am Tage vom Thurm herab mit dem Bade-Staͤndchen angeblaſen zu werden — ferner ſich den Genuß des Inkognito’s und das Hineinfuͤhlen in Theo- das wachſende Herzens-Spannung zu verlaͤn- gern — und endlich um mit ihr Abends durch das gewachſene Mondlicht ſpatzieren zu wa- ten. Der Doktor ſchlug ſich mit Freuden zu ihm; Nieß trug mit dichteriſcher Großmuth die Frachtkoſten fuͤr ihn und kuͤrzte aus dichteriſcher Weichlichkeit alles Reiſe-Gezaͤnk durch Doppel- Gaben ab, um auch die kleinſten Himmelsſtuͤr- mer von ſeinen Freuden-Himmel fern zu halten. „Ohnehin — ſagte der Doktor — muͤſſ’ er in Fugnitz eine neue Scheide fuͤr ſeinen gefaͤhrli- chen Giftpfeil machen laſſen; und er reiſe ja

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/117>, abgerufen am 29.03.2024.