Der Wirth, der die Gesellschaft immer hin- ter Büchern und Schreibfedern sah, vermuthete, er könne sie als Ziehbrunnen benutzen und sei- nen Eimer einsenken; er brachte ein Werk in Folio und eins in Oktav zum Verkaufe getra- gen. Das kleinere war ein zerlesener Band von Theudobachs Theater. Aber der Doktor sagte, es wäre kein Kauf für das Gewissen seiner Tochter, da das Buch vielleicht aus einer Leih- bibliothek unrechtmäßig versetzt sey. Auch fragt' er sie, ob sie denn nicht glaube, daß in Maul- bronn der Dichter selber sie als seine so warme Anbeterin und Götzen-Dienerin mit einem schö- nen Freiexemplare überraschen werde, das er wieder selber umsonst habe vom Verleger. Ich komme ihn zuvor, sagte Nieß, ich habe von ihm selber fünf Prachtexemplare zum Geschenk und gebe gern eines davon um den Preis hin,
14. Summula. Misgeburten-Geſchichte.
Der Wirth, der die Geſellſchaft immer hin- ter Buͤchern und Schreibfedern ſah, vermuthete, er koͤnne ſie als Ziehbrunnen benutzen und ſei- nen Eimer einſenken; er brachte ein Werk in Folio und eins in Oktav zum Verkaufe getra- gen. Das kleinere war ein zerleſener Band von Theudobachs Theater. Aber der Doktor ſagte, es wäre kein Kauf fuͤr das Gewiſſen ſeiner Tochter, da das Buch vielleicht aus einer Leih- bibliothek unrechtmaͤßig verſetzt ſey. Auch fragt’ er ſie, ob ſie denn nicht glaube, daß in Maul- bronn der Dichter ſelber ſie als ſeine ſo warme Anbeterin und Goͤtzen-Dienerin mit einem ſchö- nen Freiexemplare uͤberraſchen werde, das er wieder ſelber umſonſt habe vom Verleger. Ich komme ihn zuvor, ſagte Nieß, ich habe von ihm ſelber fuͤnf Prachtexemplare zum Geſchenk und gebe gern eines davon um den Preis hin,
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14. Summula.
Misgeburten-Geſchichte.
Der Wirth, der die Geſellſchaft immer hin-
ter Buͤchern und Schreibfedern ſah, vermuthete,
er koͤnne ſie als Ziehbrunnen benutzen und ſei-
nen Eimer einſenken; er brachte ein Werk in
Folio und eins in Oktav zum Verkaufe getra-
gen. Das kleinere war ein zerleſener Band
von Theudobachs Theater. Aber der Doktor
ſagte, es wäre kein Kauf fuͤr das Gewiſſen ſeiner
Tochter, da das Buch vielleicht aus einer Leih-
bibliothek unrechtmaͤßig verſetzt ſey. Auch fragt’
er ſie, ob ſie denn nicht glaube, daß in Maul-
bronn der Dichter ſelber ſie als ſeine ſo warme
Anbeterin und Goͤtzen-Dienerin mit einem ſchö-
nen Freiexemplare uͤberraſchen werde, das er
wieder ſelber umſonſt habe vom Verleger. Ich
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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/96>, abgerufen am 25.04.2024.
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