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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Ehe leben bevor sie zur Scheidung taugen. Das
ist die wahre Auflösung eines Scheinwiderspruchs,
der so viele Dumme schon verleitet hat, uns sämt¬
lich im Konsistorio für sportultüchtig, mich für den
Marqueur und unsre grüne Sessionstische für grü¬
ne Billards zu halten, um welche sich Präsident
und Räthe mit langen Quees herumtreiben um die
Parthien auszuspielen: ein Konsistorialsekretair
schneidet ohnehin mehr Federn als Geld.

Warum wird uns überhaupt nicht von den Pa¬
storen jedes eingepfarrte Ehepaar, das über 3 Jah¬
re beisammen geschlafen, einberichtet, damit man's
scheide zu rechter Zeit? Eine solche Scheidung, wo¬
zu man keine weitern Gründe braucht als den, daß
die zwei Leute lange beisammen waren, hat in al¬
len Ländern ja keine andere Absicht als die, daß sie
nachher sich wieder ordentlich kopuliren lassen mit
den erneuerten Leibern. Das Konsistorium und ich
sind dabei am fatalsten dran, falls die Sache sich
nicht bessert wenn der neue Minister den Thron be¬
steigt. Warlich ein solches hohes Landeskollegium
legte oft die lange Säge an und zersägte Eheblö¬
cher oder Betten, in denen Ehepaare 21 Jahre lang
gehauset hatten, die in so langer Zeit wenigstens

Ehe leben bevor ſie zur Scheidung taugen. Das
iſt die wahre Aufloͤſung eines Scheinwiderſpruchs,
der ſo viele Dumme ſchon verleitet hat, uns ſaͤmt¬
lich im Konſiſtorio fuͤr ſportultuͤchtig, mich fuͤr den
Marqueur und unſre gruͤne Seſſionstiſche fuͤr gruͤ¬
ne Billards zu halten, um welche ſich Praͤſident
und Raͤthe mit langen Quees herumtreiben um die
Parthien auszuſpielen: ein Konſiſtorialſekretair
ſchneidet ohnehin mehr Federn als Geld.

Warum wird uns uͤberhaupt nicht von den Pa¬
ſtoren jedes eingepfarrte Ehepaar, das uͤber 3 Jah¬
re beiſammen geſchlafen, einberichtet, damit man's
ſcheide zu rechter Zeit? Eine ſolche Scheidung, wo¬
zu man keine weitern Gruͤnde braucht als den, daß
die zwei Leute lange beiſammen waren, hat in al¬
len Laͤndern ja keine andere Abſicht als die, daß ſie
nachher ſich wieder ordentlich kopuliren laſſen mit
den erneuerten Leibern. Das Konſiſtorium und ich
ſind dabei am fatalſten dran, falls die Sache ſich
nicht beſſert wenn der neue Miniſter den Thron be¬
ſteigt. Warlich ein ſolches hohes Landeskollegium
legte oft die lange Saͤge an und zerſaͤgte Ehebloͤ¬
cher oder Betten, in denen Ehepaare 21 Jahre lang
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[82/0118] Ehe leben bevor ſie zur Scheidung taugen. Das iſt die wahre Aufloͤſung eines Scheinwiderſpruchs, der ſo viele Dumme ſchon verleitet hat, uns ſaͤmt¬ lich im Konſiſtorio fuͤr ſportultuͤchtig, mich fuͤr den Marqueur und unſre gruͤne Seſſionstiſche fuͤr gruͤ¬ ne Billards zu halten, um welche ſich Praͤſident und Raͤthe mit langen Quees herumtreiben um die Parthien auszuſpielen: ein Konſiſtorialſekretair ſchneidet ohnehin mehr Federn als Geld. Warum wird uns uͤberhaupt nicht von den Pa¬ ſtoren jedes eingepfarrte Ehepaar, das uͤber 3 Jah¬ re beiſammen geſchlafen, einberichtet, damit man's ſcheide zu rechter Zeit? Eine ſolche Scheidung, wo¬ zu man keine weitern Gruͤnde braucht als den, daß die zwei Leute lange beiſammen waren, hat in al¬ len Laͤndern ja keine andere Abſicht als die, daß ſie nachher ſich wieder ordentlich kopuliren laſſen mit den erneuerten Leibern. Das Konſiſtorium und ich ſind dabei am fatalſten dran, falls die Sache ſich nicht beſſert wenn der neue Miniſter den Thron be¬ ſteigt. Warlich ein ſolches hohes Landeskollegium legte oft die lange Saͤge an und zerſaͤgte Ehebloͤ¬ cher oder Betten, in denen Ehepaare 21 Jahre lang gehauſet hatten, die in ſo langer Zeit wenigſtens

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/118>, abgerufen am 29.03.2024.