Während ich die Aebtissin befragte: kam ich von der humoristischen Rittmeisterin weg. Ich will se¬ tzen, ich oder der Leser hätten sie geheirathet: so würden wir zwar dem Himmel danken, an ihren Ringfinger unsern brillantirten Ring geschraubt zu haben -- aber doch würden wir uns täglich wie man sieht, mit ihr herum zu beissen haben: so ge¬ wiß bleibts, daß nicht die weiblichen Laster, sondern die weiblichen Launen so viel Pferdestaub und Dor¬ nen in das Ehelager säen, daß oft der Satan dar¬ auf liegen möchte. --
Ohne Gustav, der soviel zuschleppt, kämen wir vor zehn Minuten nicht aus dem Schlosse. Mein Leser malt sich ihn wider meine Erwartung ganz falsch vor, traurig nämlich, weil er aus seiner Kind¬ heits-Erdenwiege, aus seinem Adamsgarten und von seinem Abendberge weichen soll. So falsch! -- Ein anderer Leser würde sich ihn freudig denken, weil für Kinder, denen noch jede andre Szene eine neue ist, Reisen die Schöpfung eines neuen Him¬ mels und einer neuen Erde ist und weil die Phan¬
Fortſetzung des vorigen Sektors.
Waͤhrend ich die Aebtiſſin befragte: kam ich von der humoriſtiſchen Rittmeiſterin weg. Ich will ſe¬ tzen, ich oder der Leſer haͤtten ſie geheirathet: ſo wuͤrden wir zwar dem Himmel danken, an ihren Ringfinger unſern brillantirten Ring geſchraubt zu haben — aber doch wuͤrden wir uns taͤglich wie man ſieht, mit ihr herum zu beiſſen haben: ſo ge¬ wiß bleibts, daß nicht die weiblichen Laſter, ſondern die weiblichen Launen ſo viel Pferdeſtaub und Dor¬ nen in das Ehelager ſaͤen, daß oft der Satan dar¬ auf liegen moͤchte. —
Ohne Guſtav, der ſoviel zuſchleppt, kaͤmen wir vor zehn Minuten nicht aus dem Schloſſe. Mein Leſer malt ſich ihn wider meine Erwartung ganz falſch vor, traurig naͤmlich, weil er aus ſeiner Kind¬ heits-Erdenwiege, aus ſeinem Adamsgarten und von ſeinem Abendberge weichen ſoll. So falſch! — Ein anderer Leſer wuͤrde ſich ihn freudig denken, weil fuͤr Kinder, denen noch jede andre Szene eine neue iſt, Reiſen die Schoͤpfung eines neuen Him¬ mels und einer neuen Erde iſt und weil die Phan¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0141"n="105"/></div><divn="2"><head><hirendition="#b">Fortſetzung des vorigen Sektors.</hi><lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">W</hi>aͤhrend ich die Aebtiſſin befragte: kam ich von<lb/>
der humoriſtiſchen Rittmeiſterin weg. Ich will ſe¬<lb/>
tzen, ich oder der Leſer haͤtten ſie geheirathet: ſo<lb/>
wuͤrden wir zwar dem Himmel danken, an ihren<lb/>
Ringfinger unſern brillantirten Ring geſchraubt zu<lb/>
haben — aber doch wuͤrden wir uns taͤglich wie<lb/>
man ſieht, mit ihr herum zu beiſſen haben: ſo ge¬<lb/>
wiß bleibts, daß nicht die weiblichen Laſter, ſondern<lb/>
die weiblichen Launen ſo viel Pferdeſtaub und Dor¬<lb/>
nen in das Ehelager ſaͤen, daß oft der Satan dar¬<lb/>
auf liegen moͤchte. —</p><lb/><p>Ohne Guſtav, der ſoviel zuſchleppt, kaͤmen wir<lb/>
vor zehn Minuten nicht aus dem Schloſſe. Mein<lb/>
Leſer malt ſich ihn wider meine Erwartung ganz<lb/>
falſch vor, traurig naͤmlich, weil er aus ſeiner Kind¬<lb/>
heits-Erdenwiege, aus ſeinem Adamsgarten und<lb/>
von ſeinem Abendberge weichen ſoll. So falſch! —<lb/>
Ein anderer Leſer wuͤrde ſich ihn freudig denken,<lb/>
weil fuͤr Kinder, denen noch jede andre Szene eine<lb/>
neue iſt, Reiſen die Schoͤpfung eines neuen Him¬<lb/>
mels und einer neuen Erde iſt und weil die Phan¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[105/0141]
Fortſetzung des vorigen Sektors.
Waͤhrend ich die Aebtiſſin befragte: kam ich von
der humoriſtiſchen Rittmeiſterin weg. Ich will ſe¬
tzen, ich oder der Leſer haͤtten ſie geheirathet: ſo
wuͤrden wir zwar dem Himmel danken, an ihren
Ringfinger unſern brillantirten Ring geſchraubt zu
haben — aber doch wuͤrden wir uns taͤglich wie
man ſieht, mit ihr herum zu beiſſen haben: ſo ge¬
wiß bleibts, daß nicht die weiblichen Laſter, ſondern
die weiblichen Launen ſo viel Pferdeſtaub und Dor¬
nen in das Ehelager ſaͤen, daß oft der Satan dar¬
auf liegen moͤchte. —
Ohne Guſtav, der ſoviel zuſchleppt, kaͤmen wir
vor zehn Minuten nicht aus dem Schloſſe. Mein
Leſer malt ſich ihn wider meine Erwartung ganz
falſch vor, traurig naͤmlich, weil er aus ſeiner Kind¬
heits-Erdenwiege, aus ſeinem Adamsgarten und
von ſeinem Abendberge weichen ſoll. So falſch! —
Ein anderer Leſer wuͤrde ſich ihn freudig denken,
weil fuͤr Kinder, denen noch jede andre Szene eine
neue iſt, Reiſen die Schoͤpfung eines neuen Him¬
mels und einer neuen Erde iſt und weil die Phan¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/141>, abgerufen am 15.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.