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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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mit denen der Mensch, er überschnüre sie mit Or¬
densbändern oder Tragriemen, allemal seine Höl¬
lennoth hat. Ich will der Intestinenkapsel nur drei
Schritte nachziehen, weil der Medizinalrath jetzt
-- nach seiner humoristischen Sitte, an allen Or¬
ten, in Theater- und Kirchenlogen und Gasthöfen,
nur in seinem Museum nicht, zu schreiben -- in
der Begräbnißkirche der Intestinen seine Schreibta¬
fel aufwickelte und Sachen hineinschrieb die wahr¬
haftig so lauten: "Da Fürsten sich an mehrerern
"Orten auf einmal beerdigen lassen, wie sie auch
"so leben, so möcht' ichs auch -- allein nicht an¬
"ders als so: mein Magen müßte in die Episkopal¬
"kirche beigesetzt werden -- meine Leber mit ihrer
"bittern Blase in eine Hofkapelle -- das dicke Ge¬
"därm in ein jüdisches Bethaus -- die Lunge in
"die Universitätskirche -- das Herz in die triumphi¬
"rende, und die Milz in ein Filial. Wenn ich
"aber erster Leichenprediger eines gekrönten Un¬
"terleibes wäre: so hätt' ich einen andern Gang;
"ich nähm' den Schlund zum Eingange des -- Ser¬
"mons, und den Blinddarm zum Beschluß! Könnt'
"ich nicht in den edlern Theilen der Predigt die ed¬
"lern Theile durchgehen und die Galle hinein brin¬

mit denen der Menſch, er uͤberſchnuͤre ſie mit Or¬
densbaͤndern oder Tragriemen, allemal ſeine Hoͤl¬
lennoth hat. Ich will der Inteſtinenkapſel nur drei
Schritte nachziehen, weil der Medizinalrath jetzt
— nach ſeiner humoriſtiſchen Sitte, an allen Or¬
ten, in Theater- und Kirchenlogen und Gaſthoͤfen,
nur in ſeinem Muſeum nicht, zu ſchreiben — in
der Begraͤbnißkirche der Inteſtinen ſeine Schreibta¬
fel aufwickelte und Sachen hineinſchrieb die wahr¬
haftig ſo lauten: „Da Fuͤrſten ſich an mehrerern
„Orten auf einmal beerdigen laſſen, wie ſie auch
„ſo leben, ſo moͤcht' ichs auch — allein nicht an¬
„ders als ſo: mein Magen muͤßte in die Epiſkopal¬
„kirche beigeſetzt werden — meine Leber mit ihrer
„bittern Blaſe in eine Hofkapelle — das dicke Ge¬
„daͤrm in ein juͤdiſches Bethaus — die Lunge in
„die Univerſitaͤtskirche — das Herz in die triumphi¬
„rende, und die Milz in ein Filial. Wenn ich
„aber erſter Leichenprediger eines gekroͤnten Un¬
„terleibes waͤre: ſo haͤtt' ich einen andern Gang;
„ich naͤhm' den Schlund zum Eingange des — Ser¬
„mons, und den Blinddarm zum Beſchluß! Koͤnnt'
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[114/0150] mit denen der Menſch, er uͤberſchnuͤre ſie mit Or¬ densbaͤndern oder Tragriemen, allemal ſeine Hoͤl¬ lennoth hat. Ich will der Inteſtinenkapſel nur drei Schritte nachziehen, weil der Medizinalrath jetzt — nach ſeiner humoriſtiſchen Sitte, an allen Or¬ ten, in Theater- und Kirchenlogen und Gaſthoͤfen, nur in ſeinem Muſeum nicht, zu ſchreiben — in der Begraͤbnißkirche der Inteſtinen ſeine Schreibta¬ fel aufwickelte und Sachen hineinſchrieb die wahr¬ haftig ſo lauten: „Da Fuͤrſten ſich an mehrerern „Orten auf einmal beerdigen laſſen, wie ſie auch „ſo leben, ſo moͤcht' ichs auch — allein nicht an¬ „ders als ſo: mein Magen muͤßte in die Epiſkopal¬ „kirche beigeſetzt werden — meine Leber mit ihrer „bittern Blaſe in eine Hofkapelle — das dicke Ge¬ „daͤrm in ein juͤdiſches Bethaus — die Lunge in „die Univerſitaͤtskirche — das Herz in die triumphi¬ „rende, und die Milz in ein Filial. Wenn ich „aber erſter Leichenprediger eines gekroͤnten Un¬ „terleibes waͤre: ſo haͤtt' ich einen andern Gang; „ich naͤhm' den Schlund zum Eingange des — Ser¬ „mons, und den Blinddarm zum Beſchluß! Koͤnnt' „ich nicht in den edlern Theilen der Predigt die ed¬ „lern Theile durchgehen und die Galle hinein brin¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/150>, abgerufen am 18.04.2024.