O geliebter Gustav! die ausgewinterten Tage un¬ serer Liebe schlagen in meinem Dintenfasse wieder in Blüten aus, indem ich sie verzeichne! Hast du, Leser, irgend einen Frühling deines Lebens gehabt, und hängt noch sein Bild in dir: so leg' es im Wintermonat des Lebens an deinen warmen Bu¬ sen und gieb seinen Farben Leben, wie Erwär¬ mung das unsichtbare Frühlingsgemälde des Ofens enthüllt und belebt -- denk' dir alsdann deine Blu¬ mentage, wenn ich unsere zeichne . . . . . Unsere vier kleinen Wände waren die Staketen eines rei¬ chern Paradieses als sich durch einen Augarten aus¬ streckt, unser Kirschbaum am Fenster war unser Dessauisches Philantropinwäldchen und zwei Men¬ schen waren glücklich, ob sie gleich befahlen und gehorchten. Das Maschinenwerk des Lobes, das ich in dem Regulativ meinem Informator so sehr anpries, legt' ich bei Seite, weil es nicht an ei¬ nen, sondern an eine ganze Schule anzusetzen ist:
Siebzehnter Sektor.
Abendmahl — darauf Liebesmahl und Liebeskuß.
O geliebter Guſtav! die ausgewinterten Tage un¬ ſerer Liebe ſchlagen in meinem Dintenfaſſe wieder in Bluͤten aus, indem ich ſie verzeichne! Haſt du, Leſer, irgend einen Fruͤhling deines Lebens gehabt, und haͤngt noch ſein Bild in dir: ſo leg' es im Wintermonat des Lebens an deinen warmen Bu¬ ſen und gieb ſeinen Farben Leben, wie Erwaͤr¬ mung das unſichtbare Fruͤhlingsgemaͤlde des Ofens enthuͤllt und belebt — denk' dir alsdann deine Blu¬ mentage, wenn ich unſere zeichne . . . . . Unſere vier kleinen Waͤnde waren die Staketen eines rei¬ chern Paradieſes als ſich durch einen Augarten aus¬ ſtreckt, unſer Kirſchbaum am Fenſter war unſer Deſſauiſches Philantropinwaͤldchen und zwei Men¬ ſchen waren gluͤcklich, ob ſie gleich befahlen und gehorchten. Das Maſchinenwerk des Lobes, das ich in dem Regulativ meinem Informator ſo ſehr anpries, legt' ich bei Seite, weil es nicht an ei¬ nen, ſondern an eine ganze Schule anzuſetzen iſt:
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Siebzehnter Sektor.
Abendmahl — darauf Liebesmahl und Liebeskuß.
O geliebter Guſtav! die ausgewinterten Tage un¬
ſerer Liebe ſchlagen in meinem Dintenfaſſe wieder
in Bluͤten aus, indem ich ſie verzeichne! Haſt du,
Leſer, irgend einen Fruͤhling deines Lebens gehabt,
und haͤngt noch ſein Bild in dir: ſo leg' es im
Wintermonat des Lebens an deinen warmen Bu¬
ſen und gieb ſeinen Farben Leben, wie Erwaͤr¬
mung das unſichtbare Fruͤhlingsgemaͤlde des Ofens
enthuͤllt und belebt — denk' dir alsdann deine Blu¬
mentage, wenn ich unſere zeichne . . . . . Unſere
vier kleinen Waͤnde waren die Staketen eines rei¬
chern Paradieſes als ſich durch einen Augarten aus¬
ſtreckt, unſer Kirſchbaum am Fenſter war unſer
Deſſauiſches Philantropinwaͤldchen und zwei Men¬
ſchen waren gluͤcklich, ob ſie gleich befahlen und
gehorchten. Das Maſchinenwerk des Lobes, das
ich in dem Regulativ meinem Informator ſo ſehr
anpries, legt' ich bei Seite, weil es nicht an ei¬
nen, ſondern an eine ganze Schule anzuſetzen iſt:
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/239>, abgerufen am 09.10.2024.
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