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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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schlimmsten, die liegend das edle Menschengesicht
durch den Koth durchziehen, wenn er aber unter
diesen Seethieren einige aufrecht gehende hohe Men¬
schen zu ihm aufblicken sähe -- wenn er sähe, wie
sie, gedrückt von der Wassersäule über ihrem Haup¬
te, umstrickt vom Geniste und Schlamm ihres Fu߬
bodens, sich durch die Wellen drängten und lechze¬
ten nach einem Athemzuge aus dem weiten Aether
über ihnen, wie sie mehr liebten als geliebt wür¬
den, das Leben mehr ertrügen als genössen, gleich
fern von stehendem Emporstaunen und rennender
Geschäftsleben Hände und Füße dem Meeresboden
und das aufwärts steigende Herz und Haupt dem
Aether ausser dem Meere gäben und auf nichts sä¬
hen als auf die Hand, die das Gewicht des Kör¬
pers, das den Täucher mit den Boden verbindet,
von ihm trennt und ihn aufsteigen lässet in sein Ele¬
ment . . . . o dieser Engel könnte diese Menschen für
untergesunkne Engel halten und ihre Tiefe bedauern
und ihre Thränen im Meer . . . . Könnte man die
Gräber eines Pythagoras (der schönsten Seele un¬
ter den Alten) -- Plato's -- Sokrates -- Anto¬
nins (aber nicht so gut des großen Kato oder Epik¬
tets) -- Shakespears (wenn sein Leben wie sein

ſchlimmſten, die liegend das edle Menſchengeſicht
durch den Koth durchziehen, wenn er aber unter
dieſen Seethieren einige aufrecht gehende hohe Men¬
ſchen zu ihm aufblicken ſaͤhe — wenn er ſaͤhe, wie
ſie, gedruͤckt von der Waſſerſaͤule uͤber ihrem Haup¬
te, umſtrickt vom Geniſte und Schlamm ihres Fu߬
bodens, ſich durch die Wellen draͤngten und lechze¬
ten nach einem Athemzuge aus dem weiten Aether
uͤber ihnen, wie ſie mehr liebten als geliebt wuͤr¬
den, das Leben mehr ertruͤgen als genoͤſſen, gleich
fern von ſtehendem Emporſtaunen und rennender
Geſchaͤftsleben Haͤnde und Fuͤße dem Meeresboden
und das aufwaͤrts ſteigende Herz und Haupt dem
Aether auſſer dem Meere gaͤben und auf nichts ſaͤ¬
hen als auf die Hand, die das Gewicht des Koͤr¬
pers, das den Taͤucher mit den Boden verbindet,
von ihm trennt und ihn aufſteigen laͤſſet in ſein Ele¬
ment . . . . o dieſer Engel koͤnnte dieſe Menſchen fuͤr
untergeſunkne Engel halten und ihre Tiefe bedauern
und ihre Thraͤnen im Meer . . . . Koͤnnte man die
Graͤber eines Pythagoras (der ſchoͤnſten Seele un¬
ter den Alten) — Plato's — Sokrates — Anto¬
nins (aber nicht ſo gut des großen Kato oder Epik¬
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[372/0408] ſchlimmſten, die liegend das edle Menſchengeſicht durch den Koth durchziehen, wenn er aber unter dieſen Seethieren einige aufrecht gehende hohe Men¬ ſchen zu ihm aufblicken ſaͤhe — wenn er ſaͤhe, wie ſie, gedruͤckt von der Waſſerſaͤule uͤber ihrem Haup¬ te, umſtrickt vom Geniſte und Schlamm ihres Fu߬ bodens, ſich durch die Wellen draͤngten und lechze¬ ten nach einem Athemzuge aus dem weiten Aether uͤber ihnen, wie ſie mehr liebten als geliebt wuͤr¬ den, das Leben mehr ertruͤgen als genoͤſſen, gleich fern von ſtehendem Emporſtaunen und rennender Geſchaͤftsleben Haͤnde und Fuͤße dem Meeresboden und das aufwaͤrts ſteigende Herz und Haupt dem Aether auſſer dem Meere gaͤben und auf nichts ſaͤ¬ hen als auf die Hand, die das Gewicht des Koͤr¬ pers, das den Taͤucher mit den Boden verbindet, von ihm trennt und ihn aufſteigen laͤſſet in ſein Ele¬ ment . . . . o dieſer Engel koͤnnte dieſe Menſchen fuͤr untergeſunkne Engel halten und ihre Tiefe bedauern und ihre Thraͤnen im Meer . . . . Koͤnnte man die Graͤber eines Pythagoras (der ſchoͤnſten Seele un¬ ter den Alten) — Plato's — Sokrates — Anto¬ nins (aber nicht ſo gut des großen Kato oder Epik¬ tets) — Shakeſpears (wenn ſein Leben wie ſein

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/408>, abgerufen am 28.03.2024.