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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Der Genius bereitete ihn auf diese Auferste¬
hung aus seinem heiligen Grabe lange vor. Er sag¬
te zu ihm: "wenn du recht gut bist und nicht un¬
geduldig und mich und den Pudel recht lieb hast:
so darfst du sterben. Wenn du gestorben bist: so
sterb' ich auch mit und wir kommen in den Him¬
mel (womit er die Oberfläche der Erde meinte) --
da ists recht hübsch und prächtig. Da brennt man
am Tage kein Licht an, sondern eines so groß wie
mein Kopf steht in der Luft über dir und geht al¬
le Tage schön um dich herum -- die Stubendecke
ist blau und so hoch, daß sie kein Mensch erlan¬
gen kann auf tausend Leitern -- und der Fußboden
ist weich und grün und noch schöner, die Pudel
sind da so groß wie unsere Stube -- im Himmel
ist alles voll Seeliger und da sind alle die guten
Leute, von denen ich dir so oft erzählet habe,
und deine Eltern, (deren Portraits er ihm lang
gegeben hatte) die dich so lieb haben, wie ich und
dir alles geben wollen. Aber recht schön mußt du
seyn." -- "Ach wenn sterben wir denn einmal?"
sagte der Kleine und seine glühende Phantasie ar¬
beitete in ihm und er lief unter jeden solchen
Schilderung zu einem Landschaftsgemälde, wovon
er jede Grasspitze betastete und ausfragte.

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Der Genius bereitete ihn auf dieſe Auferſte¬
hung aus ſeinem heiligen Grabe lange vor. Er ſag¬
te zu ihm: „wenn du recht gut biſt und nicht un¬
geduldig und mich und den Pudel recht lieb haſt:
ſo darfſt du ſterben. Wenn du geſtorben biſt: ſo
ſterb' ich auch mit und wir kommen in den Him¬
mel (womit er die Oberflaͤche der Erde meinte) —
da iſts recht huͤbſch und praͤchtig. Da brennt man
am Tage kein Licht an, ſondern eines ſo groß wie
mein Kopf ſteht in der Luft uͤber dir und geht al¬
le Tage ſchoͤn um dich herum — die Stubendecke
iſt blau und ſo hoch, daß ſie kein Menſch erlan¬
gen kann auf tauſend Leitern — und der Fußboden
iſt weich und gruͤn und noch ſchoͤner, die Pudel
ſind da ſo groß wie unſere Stube — im Himmel
iſt alles voll Seeliger und da ſind alle die guten
Leute, von denen ich dir ſo oft erzaͤhlet habe,
und deine Eltern, (deren Portraits er ihm lang
gegeben hatte) die dich ſo lieb haben, wie ich und
dir alles geben wollen. Aber recht ſchoͤn mußt du
ſeyn.“ — „Ach wenn ſterben wir denn einmal?“
ſagte der Kleine und ſeine gluͤhende Phantaſie ar¬
beitete in ihm und er lief unter jeden ſolchen
Schilderung zu einem Landſchaftsgemaͤlde, wovon
er jede Grasſpitze betaſtete und ausfragte.

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[49/0085] Der Genius bereitete ihn auf dieſe Auferſte¬ hung aus ſeinem heiligen Grabe lange vor. Er ſag¬ te zu ihm: „wenn du recht gut biſt und nicht un¬ geduldig und mich und den Pudel recht lieb haſt: ſo darfſt du ſterben. Wenn du geſtorben biſt: ſo ſterb' ich auch mit und wir kommen in den Him¬ mel (womit er die Oberflaͤche der Erde meinte) — da iſts recht huͤbſch und praͤchtig. Da brennt man am Tage kein Licht an, ſondern eines ſo groß wie mein Kopf ſteht in der Luft uͤber dir und geht al¬ le Tage ſchoͤn um dich herum — die Stubendecke iſt blau und ſo hoch, daß ſie kein Menſch erlan¬ gen kann auf tauſend Leitern — und der Fußboden iſt weich und gruͤn und noch ſchoͤner, die Pudel ſind da ſo groß wie unſere Stube — im Himmel iſt alles voll Seeliger und da ſind alle die guten Leute, von denen ich dir ſo oft erzaͤhlet habe, und deine Eltern, (deren Portraits er ihm lang gegeben hatte) die dich ſo lieb haben, wie ich und dir alles geben wollen. Aber recht ſchoͤn mußt du ſeyn.“ — „Ach wenn ſterben wir denn einmal?“ ſagte der Kleine und ſeine gluͤhende Phantaſie ar¬ beitete in ihm und er lief unter jeden ſolchen Schilderung zu einem Landſchaftsgemaͤlde, wovon er jede Grasſpitze betaſtete und ausfragte. D

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/85>, abgerufen am 19.04.2024.