ich nachfärben wollte und sank Gott und der Göt¬ tin zu Füßen . . . .
Ich stand auf mit gelähmter Hand und über¬ gab mich dem steigenden Meere, das mich hob. -- Ich gieng jetzt an alle Ecken der großen Tafel mit Millionen Gedecken für kolossalische Gäste und für unsichtbare: denn meine Brust war noch nicht voll und ich ließ die Wellen, die hineinschlugen, leidend in mir steigen. -- Ich drängte mich in den tiefsten Schatten der Schattenwelt, in den die in einen Stern zergangne Sonne entlegner schimmer¬ te. -- Ich gieng im Fichtenwald vor dem Gezänk der Kohlmeise und dem einsamen Wüstenlaut der Drossel vorüber unter die singende Lerche heraus -- Ich gieng im langen Abendthal an dem bewohnten Bach hinauf und ein entzücktes Wesenchor gieng mit mir, die hineingetauchte Sonne und die Mücke mit ihrem Schrittschuh-Füßen liefen neben mir auf dem Wasser weiter, die großäugige Was¬ serlibelle floß auf einem Weidenblatte dahin, ich watete durch grünes aus- und einathmendes Leben, umflogen, umsungen, umhüpfet, umkrochen von freudigen Kindern kurzer warmer Augenblicke. -- Ich gieng auf den Eremitenberg und meine Brust
ich nachfaͤrben wollte und ſank Gott und der Goͤt¬ tin zu Fuͤßen . . . .
Ich ſtand auf mit gelaͤhmter Hand und uͤber¬ gab mich dem ſteigenden Meere, das mich hob. — Ich gieng jetzt an alle Ecken der großen Tafel mit Millionen Gedecken fuͤr koloſſaliſche Gaͤſte und fuͤr unſichtbare: denn meine Bruſt war noch nicht voll und ich ließ die Wellen, die hineinſchlugen, leidend in mir ſteigen. — Ich draͤngte mich in den tiefſten Schatten der Schattenwelt, in den die in einen Stern zergangne Sonne entlegner ſchimmer¬ te. — Ich gieng im Fichtenwald vor dem Gezaͤnk der Kohlmeiſe und dem einſamen Wuͤſtenlaut der Droſſel voruͤber unter die ſingende Lerche heraus — Ich gieng im langen Abendthal an dem bewohnten Bach hinauf und ein entzuͤcktes Weſenchor gieng mit mir, die hineingetauchte Sonne und die Muͤcke mit ihrem Schrittſchuh-Fuͤßen liefen neben mir auf dem Waſſer weiter, die großaͤugige Waſ¬ ſerlibelle floß auf einem Weidenblatte dahin, ich watete durch gruͤnes aus- und einathmendes Leben, umflogen, umſungen, umhuͤpfet, umkrochen von freudigen Kindern kurzer warmer Augenblicke. — Ich gieng auf den Eremitenberg und meine Bruſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0018"n="8"/>
ich nachfaͤrben wollte und ſank Gott und der Goͤt¬<lb/>
tin zu Fuͤßen . . . .</p><lb/><p>Ich ſtand auf mit gelaͤhmter Hand und uͤber¬<lb/>
gab mich dem ſteigenden Meere, das mich hob. —<lb/>
Ich gieng jetzt an alle Ecken der großen Tafel mit<lb/>
Millionen Gedecken fuͤr koloſſaliſche Gaͤſte und fuͤr<lb/>
unſichtbare: denn meine Bruſt war noch nicht<lb/>
voll und ich ließ die Wellen, die hineinſchlugen,<lb/>
leidend in mir ſteigen. — Ich draͤngte mich in den<lb/>
tiefſten Schatten der Schattenwelt, in den die in<lb/>
einen Stern zergangne Sonne entlegner ſchimmer¬<lb/>
te. — Ich gieng im Fichtenwald vor dem Gezaͤnk<lb/>
der Kohlmeiſe und dem einſamen Wuͤſtenlaut der<lb/>
Droſſel voruͤber unter die ſingende Lerche heraus —<lb/>
Ich gieng im langen Abendthal an dem bewohnten<lb/>
Bach hinauf und ein entzuͤcktes Weſenchor gieng<lb/>
mit mir, die hineingetauchte Sonne und die<lb/>
Muͤcke mit ihrem Schrittſchuh-Fuͤßen liefen neben<lb/>
mir auf dem Waſſer weiter, die großaͤugige Waſ¬<lb/>ſerlibelle floß auf einem Weidenblatte dahin, ich<lb/>
watete durch gruͤnes aus- und einathmendes Leben,<lb/>
umflogen, umſungen, umhuͤpfet, umkrochen von<lb/>
freudigen Kindern kurzer warmer Augenblicke. —<lb/>
Ich gieng auf den Eremitenberg und meine Bruſt<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[8/0018]
ich nachfaͤrben wollte und ſank Gott und der Goͤt¬
tin zu Fuͤßen . . . .
Ich ſtand auf mit gelaͤhmter Hand und uͤber¬
gab mich dem ſteigenden Meere, das mich hob. —
Ich gieng jetzt an alle Ecken der großen Tafel mit
Millionen Gedecken fuͤr koloſſaliſche Gaͤſte und fuͤr
unſichtbare: denn meine Bruſt war noch nicht
voll und ich ließ die Wellen, die hineinſchlugen,
leidend in mir ſteigen. — Ich draͤngte mich in den
tiefſten Schatten der Schattenwelt, in den die in
einen Stern zergangne Sonne entlegner ſchimmer¬
te. — Ich gieng im Fichtenwald vor dem Gezaͤnk
der Kohlmeiſe und dem einſamen Wuͤſtenlaut der
Droſſel voruͤber unter die ſingende Lerche heraus —
Ich gieng im langen Abendthal an dem bewohnten
Bach hinauf und ein entzuͤcktes Weſenchor gieng
mit mir, die hineingetauchte Sonne und die
Muͤcke mit ihrem Schrittſchuh-Fuͤßen liefen neben
mir auf dem Waſſer weiter, die großaͤugige Waſ¬
ſerlibelle floß auf einem Weidenblatte dahin, ich
watete durch gruͤnes aus- und einathmendes Leben,
umflogen, umſungen, umhuͤpfet, umkrochen von
freudigen Kindern kurzer warmer Augenblicke. —
Ich gieng auf den Eremitenberg und meine Bruſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/18>, abgerufen am 24.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.