"In einem französischen Dorfe waren zwei Schwestern so gut, daß jede verdiente, das Ro¬ senmädchen zu werden, und so uneigennützig, daß jede wollte, die andre würd' es. Ma¬ rie hieß die eine und Jeanne die andre. Am Tage vor der Austheilung der Preismedaille von Rosen stritten sie sich darüber, wer sie -- ausschlagen sollte: denn sie wusten von recht guter Hand, daß blos auf eine von ihnen die Rosenkro¬ ne fallen würde. Jeanne -- von der Ministerin gespielt -- wischte durch den schönen Einfall unter der Laubkrone hinweg, daß sie ihren Liebhaber Perrin -- Oefel stellte den vor -- öfter und öf¬ fentlicher um sich hatte als eine Rosen-Kompeten¬ tin soll. Marie (die Rolle von Beata) konnte also die Krönung nicht von sich wie es schien abwen¬ den; indessen bat sie ihren Bruder Henri (Gustav wars,) der sie besonders liebte und der seit seiner Kindheit aus ihrem Hause durch seine Reisen weg¬ gewesen, diesen bat sie um Sieg in diesem unei¬ gennützigen Wettstreite. Er suchte sie zum entge¬ gengesetzten Siege zu bereden; endlich aber, da
Dekokt aus dem Geburtstags-Drama.
„In einem franzoͤſiſchen Dorfe waren zwei Schweſtern ſo gut, daß jede verdiente, das Ro¬ ſenmaͤdchen zu werden, und ſo uneigennuͤtzig, daß jede wollte, die andre wuͤrd' es. Ma¬ rie hieß die eine und Jeanne die andre. Am Tage vor der Austheilung der Preismedaille von Roſen ſtritten ſie ſich daruͤber, wer ſie — ausſchlagen ſollte: denn ſie wuſten von recht guter Hand, daß blos auf eine von ihnen die Roſenkro¬ ne fallen wuͤrde. Jeanne — von der Miniſterin geſpielt — wiſchte durch den ſchoͤnen Einfall unter der Laubkrone hinweg, daß ſie ihren Liebhaber Perrin — Oefel ſtellte den vor — oͤfter und oͤf¬ fentlicher um ſich hatte als eine Roſen-Kompeten¬ tin ſoll. Marie (die Rolle von Beata) konnte alſo die Kroͤnung nicht von ſich wie es ſchien abwen¬ den; indeſſen bat ſie ihren Bruder Henri (Guſtav wars,) der ſie beſonders liebte und der ſeit ſeiner Kindheit aus ihrem Hauſe durch ſeine Reiſen weg¬ geweſen, dieſen bat ſie um Sieg in dieſem unei¬ gennuͤtzigen Wettſtreite. Er ſuchte ſie zum entge¬ gengeſetzten Siege zu bereden; endlich aber, da
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Dekokt aus dem Geburtstags-Drama.
„In einem franzoͤſiſchen Dorfe waren zwei
Schweſtern ſo gut, daß jede verdiente, das Ro¬
ſenmaͤdchen zu werden, und ſo uneigennuͤtzig,
daß jede wollte, die andre wuͤrd' es. Ma¬
rie hieß die eine und Jeanne die andre. Am Tage
vor der Austheilung der Preismedaille von Roſen
ſtritten ſie ſich daruͤber, wer ſie — ausſchlagen
ſollte: denn ſie wuſten von recht guter Hand,
daß blos auf eine von ihnen die Roſenkro¬
ne fallen wuͤrde. Jeanne — von der Miniſterin
geſpielt — wiſchte durch den ſchoͤnen Einfall unter
der Laubkrone hinweg, daß ſie ihren Liebhaber
Perrin — Oefel ſtellte den vor — oͤfter und oͤf¬
fentlicher um ſich hatte als eine Roſen-Kompeten¬
tin ſoll. Marie (die Rolle von Beata) konnte alſo
die Kroͤnung nicht von ſich wie es ſchien abwen¬
den; indeſſen bat ſie ihren Bruder Henri (Guſtav
wars,) der ſie beſonders liebte und der ſeit ſeiner
Kindheit aus ihrem Hauſe durch ſeine Reiſen weg¬
geweſen, dieſen bat ſie um Sieg in dieſem unei¬
gennuͤtzigen Wettſtreite. Er ſuchte ſie zum entge¬
gengeſetzten Siege zu bereden; endlich aber, da
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/190>, abgerufen am 07.12.2023.
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