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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Sie war eine Antike von großer Schönheit, die
aber nach den Verwüstungen der Jahre und Men¬
schen nicht mehr unbeschädigt zu haben war: sie
muste also durch geschickte Bildhauer mit neuen
Gliedern -- z. B. Busen, Zähnen -- ergänzet
werden.

Auf den Wangen war die Legierung mit
Roth, die tiefere Nachbarschaft wurde mit
Weis *) legiert.

Diejenigen Zähne, die den Menschen in die
Reihe der graßfressenden Thiere setzen, die Schnei¬
dezähne, waren um so mehr so weis wie Elfenbein,
weil sie selber welches waren und waren aus dem
Munde eines graßfressenden Thieres -- ich mag
nun darunter einen Elephanten oder einen gemei¬
nen Mann verstehen, der die Zähne, die er als
Ableger einem edlern Stamm einimpfet, selten in
etwas anders als Vegetabilien setzet: so ist doch
so viel gewiß daß kein andrer Nachsatz dieses Perio¬
dens herpasset als der; sie hatte noch einmal so
viel Zähne als andre Christinnen, und zwei Gold¬
fäden dazu, weil der Dentist die einen allemal im

*) Legierung des Goldes mit Kupfer heißet die mit Roth,
die mit Silber heißt die mit Weiß.

Sie war eine Antike von großer Schoͤnheit, die
aber nach den Verwuͤſtungen der Jahre und Men¬
ſchen nicht mehr unbeſchaͤdigt zu haben war: ſie
muſte alſo durch geſchickte Bildhauer mit neuen
Gliedern — z. B. Buſen, Zaͤhnen — ergaͤnzet
werden.

Auf den Wangen war die Legierung mit
Roth, die tiefere Nachbarſchaft wurde mit
Weis *) legiert.

Diejenigen Zaͤhne, die den Menſchen in die
Reihe der graßfreſſenden Thiere ſetzen, die Schnei¬
dezaͤhne, waren um ſo mehr ſo weis wie Elfenbein,
weil ſie ſelber welches waren und waren aus dem
Munde eines graßfreſſenden Thieres — ich mag
nun darunter einen Elephanten oder einen gemei¬
nen Mann verſtehen, der die Zaͤhne, die er als
Ableger einem edlern Stamm einimpfet, ſelten in
etwas anders als Vegetabilien ſetzet: ſo iſt doch
ſo viel gewiß daß kein andrer Nachſatz dieſes Perio¬
dens herpaſſet als der; ſie hatte noch einmal ſo
viel Zaͤhne als andre Chriſtinnen, und zwei Gold¬
faͤden dazu, weil der Dentiſt die einen allemal im

*) Legierung des Goldes mit Kupfer heißet die mit Roth,
die mit Silber heißt die mit Weiß.
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[203/0213] Sie war eine Antike von großer Schoͤnheit, die aber nach den Verwuͤſtungen der Jahre und Men¬ ſchen nicht mehr unbeſchaͤdigt zu haben war: ſie muſte alſo durch geſchickte Bildhauer mit neuen Gliedern — z. B. Buſen, Zaͤhnen — ergaͤnzet werden. Auf den Wangen war die Legierung mit Roth, die tiefere Nachbarſchaft wurde mit Weis *) legiert. Diejenigen Zaͤhne, die den Menſchen in die Reihe der graßfreſſenden Thiere ſetzen, die Schnei¬ dezaͤhne, waren um ſo mehr ſo weis wie Elfenbein, weil ſie ſelber welches waren und waren aus dem Munde eines graßfreſſenden Thieres — ich mag nun darunter einen Elephanten oder einen gemei¬ nen Mann verſtehen, der die Zaͤhne, die er als Ableger einem edlern Stamm einimpfet, ſelten in etwas anders als Vegetabilien ſetzet: ſo iſt doch ſo viel gewiß daß kein andrer Nachſatz dieſes Perio¬ dens herpaſſet als der; ſie hatte noch einmal ſo viel Zaͤhne als andre Chriſtinnen, und zwei Gold¬ faͤden dazu, weil der Dentiſt die einen allemal im *) Legierung des Goldes mit Kupfer heißet die mit Roth, die mit Silber heißt die mit Weiß.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/213>, abgerufen am 28.03.2024.