Mein guter und gemarterter Bruder will haben, daß ich dieses Buch ausmache. Ach seine Schwester würd' es ja vor Schmerzen nicht vermögen, wenns so wäre. Ich hoff' aber zum Himmel, daß mein Bruder nicht so kränklich ist als er meint. -- Nach dem Essen denkt ers wohl. -- Und ich muß ihn, wenn wir beide Friede haben sollen, darin bestär¬ ken und ihn für eben so krank ausgeben wie er sel¬ ber. Gestern mußt' ihm der Schulmeister an die Brust klopfen, damit er hörte, ob sie hallete, weil ein gewisser Avenbrügger in Wien geschrie¬ ben hatte, dieses Hallen zeige eine gute Lunge an. Zum Unglück hallete sie wenig: und er giebt sich deswegen auf; ich will aber ohne sein Wissen an den H. Doktor Fenk schreiben, damit er seine Qualen stille. -- -- Ich soll noch berichten, daß der junge Herr v. Falkenberg krank in Oberschae¬ rau bei seinen Eltern ist und daß meine Freundin Beata auch kränklich bei den ihrigen ist . . . . Es ist für uns alle ein finstrer Winter: der Frühling heile jedes Herz und gebe mir und den Lesern dieses Buchs meinen lieben Bruder wieder!
Sieben und vierzigſter oder Invokavit-Sektor.
Mein guter und gemarterter Bruder will haben, daß ich dieſes Buch ausmache. Ach ſeine Schweſter wuͤrd' es ja vor Schmerzen nicht vermoͤgen, wenns ſo waͤre. Ich hoff' aber zum Himmel, daß mein Bruder nicht ſo kraͤnklich iſt als er meint. — Nach dem Eſſen denkt ers wohl. — Und ich muß ihn, wenn wir beide Friede haben ſollen, darin beſtaͤr¬ ken und ihn fuͤr eben ſo krank ausgeben wie er ſel¬ ber. Geſtern mußt' ihm der Schulmeiſter an die Bruſt klopfen, damit er hoͤrte, ob ſie hallete, weil ein gewiſſer Avenbruͤgger in Wien geſchrie¬ ben hatte, dieſes Hallen zeige eine gute Lunge an. Zum Ungluͤck hallete ſie wenig: und er giebt ſich deswegen auf; ich will aber ohne ſein Wiſſen an den H. Doktor Fenk ſchreiben, damit er ſeine Qualen ſtille. — — Ich ſoll noch berichten, daß der junge Herr v. Falkenberg krank in Oberſchae¬ rau bei ſeinen Eltern iſt und daß meine Freundin Beata auch kraͤnklich bei den ihrigen iſt . . . . Es iſt fuͤr uns alle ein finſtrer Winter: der Fruͤhling heile jedes Herz und gebe mir und den Leſern dieſes Buchs meinen lieben Bruder wieder!
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Sieben und vierzigſter oder Invokavit-Sektor.
Mein guter und gemarterter Bruder will haben,
daß ich dieſes Buch ausmache. Ach ſeine Schweſter
wuͤrd' es ja vor Schmerzen nicht vermoͤgen, wenns
ſo waͤre. Ich hoff' aber zum Himmel, daß mein
Bruder nicht ſo kraͤnklich iſt als er meint. — Nach
dem Eſſen denkt ers wohl. — Und ich muß ihn,
wenn wir beide Friede haben ſollen, darin beſtaͤr¬
ken und ihn fuͤr eben ſo krank ausgeben wie er ſel¬
ber. Geſtern mußt' ihm der Schulmeiſter an die
Bruſt klopfen, damit er hoͤrte, ob ſie hallete,
weil ein gewiſſer Avenbruͤgger in Wien geſchrie¬
ben hatte, dieſes Hallen zeige eine gute Lunge an.
Zum Ungluͤck hallete ſie wenig: und er giebt ſich
deswegen auf; ich will aber ohne ſein Wiſſen an
den H. Doktor Fenk ſchreiben, damit er ſeine
Qualen ſtille. — — Ich ſoll noch berichten, daß
der junge Herr v. Falkenberg krank in Oberſchae¬
rau bei ſeinen Eltern iſt und daß meine Freundin
Beata auch kraͤnklich bei den ihrigen iſt . . . . Es iſt
fuͤr uns alle ein finſtrer Winter: der Fruͤhling heile
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/270>, abgerufen am 29.11.2023.
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