ter Dämmerungs- und Nachtschmetterling zwischen den Spielmarken und Schaugerichten und ihren Ebenbildern herum zu sausen. Ich würde auf dieses Gleichniß nicht gekommen seyn, wenn mich nicht sein gehörntes und in eine Kapsel konvergi¬ rendes Abendhaar auf die Raupen der Nachtschmet¬ terlinge geführet hätte, denen auch hinten ein Horn oder Zopf ansitzt -- den Tagraupen sitzt nichts an, so wie sein abbreviertes aufgestecktes Morgen¬ haar es verlangte, damit sie diesem glichen.
Da ich die Ministerin die Defaillante genannt, und da man ihr überhaupt die Einfalt zutrauen konnte, als ob sie dem Legationsrath treuer wäre als er ihr: so will ich alles sagen und für sie re¬ den. Die Eitelkeit, die ihn wie eine eingeschränk¬ te Monarchin beherschte, regierte wie eine unein¬ geschränkte über sie -- sie hatte und machte italie¬ nische Verse, Epigrammen und alle schöne Künste -- und es ist Stadtkundig, daß sie, weil sie auf¬ gehört hatte, zur schönen Natur zu gehören, sich unter die Werke der schönen Künste warf und sich aus einem Model durch Schminke in ein Ge¬ mälde verdelte, durch Pantomime in eine Ak¬ trice, durc[h] Ohnmachten in eine Statue.
ter Daͤmmerungs- und Nachtſchmetterling zwiſchen den Spielmarken und Schaugerichten und ihren Ebenbildern herum zu ſauſen. Ich wuͤrde auf dieſes Gleichniß nicht gekommen ſeyn, wenn mich nicht ſein gehoͤrntes und in eine Kapſel konvergi¬ rendes Abendhaar auf die Raupen der Nachtſchmet¬ terlinge gefuͤhret haͤtte, denen auch hinten ein Horn oder Zopf anſitzt — den Tagraupen ſitzt nichts an, ſo wie ſein abbreviertes aufgeſtecktes Morgen¬ haar es verlangte, damit ſie dieſem glichen.
Da ich die Miniſterin die Défaillante genannt, und da man ihr uͤberhaupt die Einfalt zutrauen konnte, als ob ſie dem Legationsrath treuer waͤre als er ihr: ſo will ich alles ſagen und fuͤr ſie re¬ den. Die Eitelkeit, die ihn wie eine eingeſchraͤnk¬ te Monarchin beherſchte, regierte wie eine unein¬ geſchraͤnkte uͤber ſie — ſie hatte und machte italie¬ niſche Verſe, Epigrammen und alle ſchoͤne Kuͤnſte — und es iſt Stadtkundig, daß ſie, weil ſie auf¬ gehoͤrt hatte, zur ſchoͤnen Natur zu gehoͤren, ſich unter die Werke der ſchoͤnen Kuͤnſte warf und ſich aus einem Model durch Schminke in ein Ge¬ maͤlde verdelte, durch Pantomime in eine Ak¬ trice, durc[h] Ohnmachten in eine Statue.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0049"n="39"/>
ter <hirendition="#g">Daͤmmerungs-</hi> und <hirendition="#g">Nachtſchmetterling</hi><lb/>
zwiſchen den Spielmarken und Schaugerichten und<lb/>
ihren Ebenbildern herum zu ſauſen. Ich wuͤrde auf<lb/>
dieſes Gleichniß nicht gekommen ſeyn, wenn mich<lb/>
nicht ſein gehoͤrntes und in eine Kapſel konvergi¬<lb/>
rendes Abendhaar auf die Raupen der Nachtſchmet¬<lb/>
terlinge gefuͤhret haͤtte, denen auch hinten ein<lb/>
Horn oder Zopf anſitzt — den Tagraupen ſitzt nichts<lb/>
an, ſo wie ſein abbreviertes aufgeſtecktes Morgen¬<lb/>
haar es verlangte, damit ſie dieſem glichen.</p><lb/><p>Da ich die Miniſterin die <hirendition="#aq">Défaillante</hi> genannt,<lb/>
und da man ihr uͤberhaupt die Einfalt zutrauen<lb/>
konnte, als ob ſie dem Legationsrath treuer waͤre<lb/>
als er ihr: ſo will ich alles ſagen und fuͤr ſie re¬<lb/>
den. Die Eitelkeit, die ihn wie eine eingeſchraͤnk¬<lb/>
te Monarchin beherſchte, regierte wie eine unein¬<lb/>
geſchraͤnkte uͤber ſie —ſie hatte und machte italie¬<lb/>
niſche Verſe, Epigrammen und alle ſchoͤne Kuͤnſte<lb/>— und es iſt Stadtkundig, daß ſie, weil ſie auf¬<lb/>
gehoͤrt hatte, zur ſchoͤnen <hirendition="#g">Natur</hi> zu gehoͤren,<lb/>ſich unter die Werke der ſchoͤnen <hirendition="#g">Kuͤnſte</hi> warf und<lb/>ſich aus einem Model durch Schminke in ein Ge¬<lb/><hirendition="#g">maͤlde</hi> verdelte, durch Pantomime in eine <hirendition="#g">Ak¬<lb/>
trice</hi>, durc<supplied>h</supplied> Ohnmachten in eine <hirendition="#g">Statue</hi>.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[39/0049]
ter Daͤmmerungs- und Nachtſchmetterling
zwiſchen den Spielmarken und Schaugerichten und
ihren Ebenbildern herum zu ſauſen. Ich wuͤrde auf
dieſes Gleichniß nicht gekommen ſeyn, wenn mich
nicht ſein gehoͤrntes und in eine Kapſel konvergi¬
rendes Abendhaar auf die Raupen der Nachtſchmet¬
terlinge gefuͤhret haͤtte, denen auch hinten ein
Horn oder Zopf anſitzt — den Tagraupen ſitzt nichts
an, ſo wie ſein abbreviertes aufgeſtecktes Morgen¬
haar es verlangte, damit ſie dieſem glichen.
Da ich die Miniſterin die Défaillante genannt,
und da man ihr uͤberhaupt die Einfalt zutrauen
konnte, als ob ſie dem Legationsrath treuer waͤre
als er ihr: ſo will ich alles ſagen und fuͤr ſie re¬
den. Die Eitelkeit, die ihn wie eine eingeſchraͤnk¬
te Monarchin beherſchte, regierte wie eine unein¬
geſchraͤnkte uͤber ſie — ſie hatte und machte italie¬
niſche Verſe, Epigrammen und alle ſchoͤne Kuͤnſte
— und es iſt Stadtkundig, daß ſie, weil ſie auf¬
gehoͤrt hatte, zur ſchoͤnen Natur zu gehoͤren,
ſich unter die Werke der ſchoͤnen Kuͤnſte warf und
ſich aus einem Model durch Schminke in ein Ge¬
maͤlde verdelte, durch Pantomime in eine Ak¬
trice, durch Ohnmachten in eine Statue.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/49>, abgerufen am 13.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.