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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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dem welschen Dache, vor dessen Brustgeländer
Silberpappeln von breiten Rebenblättern um¬
gürtet spielen, und das er in der Frühlings¬
nacht für eine Laube in Rosen angesehen, stand
ein kerniger herübergebückter Knabe, der eine
Dotterblumenkette niederließ und dem zu kur¬
zen grünen Ankerseile immer neue Ringe ein¬
steckte. "Pollux heiß' ich, (versetzt' er frisch
"auf Albans sanfte Frage,) aber meine Schwe¬
"ster heißet Helena*) aber das Brüderchen
"heißt Echion." -- "Und dein Vater?" -- "Er
"ist gar nicht da, er ist weit draußen in Rom;
"gehe nur hinein zur Mutter Chariton, ich
"komme gleich." -- An welchem schönern Tage
und Orte, mit welchem schönern Herzen konnt'
er in des geliebten Dians h. Familie kommen
als an diesem Morgen und mit dieser Brust?

Er gieng ins helle lachende Haus, das
voll Fenster und grüner Jalousieladen war. Als
er in die Frühlingsstube eintrat: so fand er
Chariton, ein junges, schmächtiges fast noch
jungfräulich-aussehendes Weib von 17 Jahren

*) Sie hatten als Zwillinge diese Namen.

dem welſchen Dache, vor deſſen Bruſtgeländer
Silberpappeln von breiten Rebenblättern um¬
gürtet ſpielen, und das er in der Frühlings¬
nacht für eine Laube in Roſen angeſehen, ſtand
ein kerniger herübergebückter Knabe, der eine
Dotterblumenkette niederließ und dem zu kur¬
zen grünen Ankerſeile immer neue Ringe ein¬
ſteckte. „Pollux heiß' ich, (verſetzt' er friſch
„auf Albans ſanfte Frage,) aber meine Schwe¬
„ſter heißet Helena*) aber das Brüderchen
„heißt Echion.“ — „Und dein Vater?” — „Er
„iſt gar nicht da, er iſt weit draußen in Rom;
„gehe nur hinein zur Mutter Chariton, ich
„komme gleich.“ — An welchem ſchönern Tage
und Orte, mit welchem ſchönern Herzen konnt'
er in des geliebten Dians h. Familie kommen
als an dieſem Morgen und mit dieſer Bruſt?

Er gieng ins helle lachende Haus, das
voll Fenſter und grüner Jalouſieladen war. Als
er in die Frühlingsſtube eintrat: ſo fand er
Chariton, ein junges, ſchmächtiges faſt noch
jungfräulich-ausſehendes Weib von 17 Jahren

*) Sie hatten als Zwillinge dieſe Namen.
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[409/0429] dem welſchen Dache, vor deſſen Bruſtgeländer Silberpappeln von breiten Rebenblättern um¬ gürtet ſpielen, und das er in der Frühlings¬ nacht für eine Laube in Roſen angeſehen, ſtand ein kerniger herübergebückter Knabe, der eine Dotterblumenkette niederließ und dem zu kur¬ zen grünen Ankerſeile immer neue Ringe ein¬ ſteckte. „Pollux heiß' ich, (verſetzt' er friſch „auf Albans ſanfte Frage,) aber meine Schwe¬ „ſter heißet Helena *) aber das Brüderchen „heißt Echion.“ — „Und dein Vater?” — „Er „iſt gar nicht da, er iſt weit draußen in Rom; „gehe nur hinein zur Mutter Chariton, ich „komme gleich.“ — An welchem ſchönern Tage und Orte, mit welchem ſchönern Herzen konnt' er in des geliebten Dians h. Familie kommen als an dieſem Morgen und mit dieſer Bruſt? Er gieng ins helle lachende Haus, das voll Fenſter und grüner Jalouſieladen war. Als er in die Frühlingsſtube eintrat: ſo fand er Chariton, ein junges, ſchmächtiges faſt noch jungfräulich-ausſehendes Weib von 17 Jahren *) Sie hatten als Zwillinge dieſe Namen.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/429>, abgerufen am 29.03.2024.