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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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und kantische -- als eine schneiden; und hier
muß wie in mehr Fällen das stärkere Geschlecht
dem schwachen unter die Arme greifen.

Albano wünschte noch das Arbeits-Zimmer
seines Lehrers zu sehen; aber dieses schlug sie --
ob sie gleich durch ein stundenlanges Zusam¬
menessen nicht muthiger geworden -- doch ent¬
schieden ab, weil es ihr Herr verboten habe.
Er bat noch einmal; aber sie lächelte immer
schmerzlicher und blieb bei dem freundlichen
Nein.

Er verträumte nun den Rausch des Mor¬
gens im magischen Garten, auf dessen Wasser
und Steige der Mond- und Wiederschein der
Erinnerung spielte. Wie treten aus den 9 Mil¬
lionen Quadratmeilen der gemeinen Erde doch
einige poetische Länder heraus durch ein poeti¬
sches Herz! Auf dem Berg mit dem Altare,
wo er sie unten einmal verschwinden sehen,
wehte ihn, umflattert vom freiern Äther, das
Nachmittagsgeläute von Blumenbühl an; und
sein Kindheitsleben und die jetzigen Szenen dort
und Liane gaben ihm ein weiches Herz und er

und kantiſche — als eine ſchneiden; und hier
muß wie in mehr Fällen das ſtärkere Geſchlecht
dem ſchwachen unter die Arme greifen.

Albano wünſchte noch das Arbeits-Zimmer
ſeines Lehrers zu ſehen; aber dieſes ſchlug ſie —
ob ſie gleich durch ein ſtundenlanges Zuſam¬
meneſſen nicht muthiger geworden — doch ent¬
ſchieden ab, weil es ihr Herr verboten habe.
Er bat noch einmal; aber ſie lächelte immer
ſchmerzlicher und blieb bei dem freundlichen
Nein.

Er verträumte nun den Rauſch des Mor¬
gens im magiſchen Garten, auf deſſen Waſſer
und Steige der Mond- und Wiederſchein der
Erinnerung ſpielte. Wie treten aus den 9 Mil¬
lionen Quadratmeilen der gemeinen Erde doch
einige poetiſche Länder heraus durch ein poeti¬
ſches Herz! Auf dem Berg mit dem Altare,
wo er ſie unten einmal verſchwinden ſehen,
wehte ihn, umflattert vom freiern Äther, das
Nachmittagsgeläute von Blumenbühl an; und
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und Liane gaben ihm ein weiches Herz und er

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[164/0172] und kantiſche — als eine ſchneiden; und hier muß wie in mehr Fällen das ſtärkere Geſchlecht dem ſchwachen unter die Arme greifen. Albano wünſchte noch das Arbeits-Zimmer ſeines Lehrers zu ſehen; aber dieſes ſchlug ſie — ob ſie gleich durch ein ſtundenlanges Zuſam¬ meneſſen nicht muthiger geworden — doch ent¬ ſchieden ab, weil es ihr Herr verboten habe. Er bat noch einmal; aber ſie lächelte immer ſchmerzlicher und blieb bei dem freundlichen Nein. Er verträumte nun den Rauſch des Mor¬ gens im magiſchen Garten, auf deſſen Waſſer und Steige der Mond- und Wiederſchein der Erinnerung ſpielte. Wie treten aus den 9 Mil¬ lionen Quadratmeilen der gemeinen Erde doch einige poetiſche Länder heraus durch ein poeti¬ ſches Herz! Auf dem Berg mit dem Altare, wo er ſie unten einmal verſchwinden ſehen, wehte ihn, umflattert vom freiern Äther, das Nachmittagsgeläute von Blumenbühl an; und ſein Kindheitsleben und die jetzigen Szenen dort und Liane gaben ihm ein weiches Herz und er

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/172>, abgerufen am 28.03.2024.