Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

stens abends zu Albano gieng, wenn die ganze
Girandole seiner Kräfte und Gefühle brannte
in dem Weingeist, den er vorher aus Flaschen
zugegossen.

Aber kennt ihr die Arzenei des Beispiels,
die Heilkraft der Bewunderung und der seelen¬
stärkenden Achtung? "Es ist schändlich von
"mir" (sagte Roquairol); "ist er nicht so gläu¬
"big und offen und bieder? -- Nein, die ganze
"Welt will ich belügen, nur seine Seele nicht! --"
Solche Naturen wollen die Verheerung der
Menschheit durch Treue, gegen Einen vergüten.
Die Menschheit ist ein Sternbild, in welchem
Ein Stern oft die Hälfte des Bildes malet.

Von dieser Stunde an stand sein Entschluß
der herzlichsten Beichte und Buße fest; und Al¬
ban, vor welchem das Leben noch nicht in ei¬
nen Brei der Verwesung zerlief, sondern sich
fest und scharf und organisch zergliederte und
der nicht wie Karl klagte, daß ihn nichts recht
erpacke und alles nur luftig umspühle, dieser
sollte dessen kranken Wünschen Jugend wieder¬
bringen und mit dem unwandelbaren Sinn des
reinen Jünglings und mit der Gefahr der Freund¬

ſtens abends zu Albano gieng, wenn die ganze
Girandole ſeiner Kräfte und Gefühle brannte
in dem Weingeiſt, den er vorher aus Flaſchen
zugegoſſen.

Aber kennt ihr die Arzenei des Beiſpiels,
die Heilkraft der Bewunderung und der ſeelen¬
ſtärkenden Achtung? „Es iſt ſchändlich von
„mir“ (ſagte Roquairol); „iſt er nicht ſo gläu¬
„big und offen und bieder? — Nein, die ganze
„Welt will ich belügen, nur ſeine Seele nicht! —“
Solche Naturen wollen die Verheerung der
Menſchheit durch Treue, gegen Einen vergüten.
Die Menſchheit iſt ein Sternbild, in welchem
Ein Stern oft die Hälfte des Bildes malet.

Von dieſer Stunde an ſtand ſein Entſchluß
der herzlichſten Beichte und Buße feſt; und Al¬
ban, vor welchem das Leben noch nicht in ei¬
nen Brei der Verweſung zerlief, ſondern ſich
feſt und ſcharf und organiſch zergliederte und
der nicht wie Karl klagte, daß ihn nichts recht
erpacke und alles nur luftig umſpühle, dieſer
ſollte deſſen kranken Wünſchen Jugend wieder¬
bringen und mit dem unwandelbaren Sinn des
reinen Jünglings und mit der Gefahr der Freund¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0023" n="15"/>
&#x017F;tens abends zu Albano gieng, wenn die ganze<lb/>
Girandole &#x017F;einer Kräfte und Gefühle brannte<lb/>
in dem Weingei&#x017F;t, den er vorher aus Fla&#x017F;chen<lb/>
zugego&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Aber kennt ihr die Arzenei des Bei&#x017F;piels,<lb/>
die Heilkraft der Bewunderung und der &#x017F;eelen¬<lb/>
&#x017F;tärkenden Achtung? &#x201E;Es i&#x017F;t &#x017F;chändlich von<lb/>
&#x201E;mir&#x201C; (&#x017F;agte Roquairol); &#x201E;i&#x017F;t er nicht &#x017F;o gläu¬<lb/>
&#x201E;big und offen und bieder? &#x2014; Nein, die ganze<lb/>
&#x201E;Welt will ich belügen, nur &#x017F;eine Seele nicht! &#x2014;&#x201C;<lb/>
Solche Naturen wollen die Verheerung der<lb/>
Men&#x017F;chheit durch Treue, gegen Einen vergüten.<lb/>
Die Men&#x017F;chheit i&#x017F;t ein Sternbild, in welchem<lb/>
Ein Stern oft die Hälfte des Bildes malet.</p><lb/>
          <p>Von die&#x017F;er Stunde an &#x017F;tand &#x017F;ein Ent&#x017F;chluß<lb/>
der herzlich&#x017F;ten Beichte und Buße fe&#x017F;t; und Al¬<lb/>
ban, vor welchem das Leben noch nicht in ei¬<lb/>
nen Brei der Verwe&#x017F;ung zerlief, &#x017F;ondern &#x017F;ich<lb/>
fe&#x017F;t und &#x017F;charf und organi&#x017F;ch zergliederte und<lb/>
der nicht wie Karl klagte, daß ihn nichts recht<lb/>
erpacke und alles nur luftig um&#x017F;pühle, die&#x017F;er<lb/>
&#x017F;ollte de&#x017F;&#x017F;en kranken Wün&#x017F;chen Jugend wieder¬<lb/>
bringen und mit dem unwandelbaren Sinn des<lb/>
reinen Jünglings und mit der Gefahr der Freund¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0023] ſtens abends zu Albano gieng, wenn die ganze Girandole ſeiner Kräfte und Gefühle brannte in dem Weingeiſt, den er vorher aus Flaſchen zugegoſſen. Aber kennt ihr die Arzenei des Beiſpiels, die Heilkraft der Bewunderung und der ſeelen¬ ſtärkenden Achtung? „Es iſt ſchändlich von „mir“ (ſagte Roquairol); „iſt er nicht ſo gläu¬ „big und offen und bieder? — Nein, die ganze „Welt will ich belügen, nur ſeine Seele nicht! —“ Solche Naturen wollen die Verheerung der Menſchheit durch Treue, gegen Einen vergüten. Die Menſchheit iſt ein Sternbild, in welchem Ein Stern oft die Hälfte des Bildes malet. Von dieſer Stunde an ſtand ſein Entſchluß der herzlichſten Beichte und Buße feſt; und Al¬ ban, vor welchem das Leben noch nicht in ei¬ nen Brei der Verweſung zerlief, ſondern ſich feſt und ſcharf und organiſch zergliederte und der nicht wie Karl klagte, daß ihn nichts recht erpacke und alles nur luftig umſpühle, dieſer ſollte deſſen kranken Wünſchen Jugend wieder¬ bringen und mit dem unwandelbaren Sinn des reinen Jünglings und mit der Gefahr der Freund¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/23
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/23>, abgerufen am 19.04.2024.