Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Vögtin. Wir wollen dann einandermal
sprechen, geh jezt in Gottes Nahmen, und
sieh, ob du etwas bey ihr ausrichten könnest?
Wann du zulezt nur ein Wort mehr kannst aus
ihr herausloken, so ist es das; aber es wäre
uns doch auch so wohl wenn wir des Vetters
halber könnten ruhig schlaffen.

Vogt. Ja, -- aber wenn denn der Jun-
ker vernimmt, daß ich wieder den Rudj rede?

Vögtin. Du bleibst ein Kind, wenn du
hundert Jahr alt wirst, du solltest sie doch
auch besser kennen als ich, aber ich will mei-
nen Kopf zum Pfand sezen, wenn sie auch den
Rudj nimmt, und bey ihm im Bett liegt, sie
sagt ihm ihrer Lebtag kein Wort, daß dir
zum Nachtheil gereichen kann.

Vogt. Ich glaub das endlich auch.

Nun so geh einmal sagte ihm die Frau,
und er mußte, wenn er schon noch zweymal
sagte, es sey morn am Morgen auch noch früh
genug und dergleichen.

Zu seinem Glük traf er sie nicht bey Haus
an. Aber die Vögtin meynte, er sey nicht
einmal da gewesen; er mußte ihr eine Weile
links und rechts Rechenschaft geben, und er-
klären, wie, wo, wenn, eh sie ihm glaubte.

Und das war ihr noch nicht genug, sie ist
eine Zwingnärrin wenn sie sich etwas in den
Kopf sezt. Sie schikte noch diesen Abend zur

Voͤgtin. Wir wollen dann einandermal
ſprechen, geh jezt in Gottes Nahmen, und
ſieh, ob du etwas bey ihr ausrichten koͤnneſt?
Wann du zulezt nur ein Wort mehr kannſt aus
ihr herausloken, ſo iſt es das; aber es waͤre
uns doch auch ſo wohl wenn wir des Vetters
halber koͤnnten ruhig ſchlaffen.

Vogt. Ja, — aber wenn denn der Jun-
ker vernimmt, daß ich wieder den Rudj rede?

Voͤgtin. Du bleibſt ein Kind, wenn du
hundert Jahr alt wirſt, du ſollteſt ſie doch
auch beſſer kennen als ich, aber ich will mei-
nen Kopf zum Pfand ſezen, wenn ſie auch den
Rudj nimmt, und bey ihm im Bett liegt, ſie
ſagt ihm ihrer Lebtag kein Wort, daß dir
zum Nachtheil gereichen kann.

Vogt. Ich glaub das endlich auch.

Nun ſo geh einmal ſagte ihm die Frau,
und er mußte, wenn er ſchon noch zweymal
ſagte, es ſey morn am Morgen auch noch fruͤh
genug und dergleichen.

Zu ſeinem Gluͤk traf er ſie nicht bey Haus
an. Aber die Voͤgtin meynte, er ſey nicht
einmal da geweſen; er mußte ihr eine Weile
links und rechts Rechenſchaft geben, und er-
klaͤren, wie, wo, wenn, eh ſie ihm glaubte.

Und das war ihr noch nicht genug, ſie iſt
eine Zwingnaͤrrin wenn ſie ſich etwas in den
Kopf ſezt. Sie ſchikte noch dieſen Abend zur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0224" n="202"/>
        <p><hi rendition="#fr">Vo&#x0364;gtin</hi>. Wir wollen dann einandermal<lb/>
&#x017F;prechen, geh jezt in Gottes Nahmen, und<lb/>
&#x017F;ieh, ob du etwas bey ihr ausrichten ko&#x0364;nne&#x017F;t?<lb/>
Wann du zulezt nur ein Wort mehr kann&#x017F;t aus<lb/>
ihr herausloken, &#x017F;o i&#x017F;t es das; aber es wa&#x0364;re<lb/>
uns doch auch &#x017F;o wohl wenn wir des Vetters<lb/>
halber ko&#x0364;nnten ruhig &#x017F;chlaffen.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Vogt</hi>. Ja, &#x2014; aber wenn denn der Jun-<lb/>
ker vernimmt, daß ich wieder den Rudj rede?</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Vo&#x0364;gtin</hi>. Du bleib&#x017F;t ein Kind, wenn du<lb/>
hundert Jahr alt wir&#x017F;t, du &#x017F;ollte&#x017F;t &#x017F;ie doch<lb/>
auch be&#x017F;&#x017F;er kennen als ich, aber ich will mei-<lb/>
nen Kopf zum Pfand &#x017F;ezen, wenn &#x017F;ie auch den<lb/>
Rudj nimmt, und bey ihm im Bett liegt, &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;agt ihm ihrer Lebtag kein Wort, daß dir<lb/>
zum Nachtheil gereichen kann.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Vogt</hi>. Ich glaub das endlich auch.</p><lb/>
        <p>Nun &#x017F;o geh einmal &#x017F;agte ihm die Frau,<lb/>
und er mußte, wenn er &#x017F;chon noch zweymal<lb/>
&#x017F;agte, es &#x017F;ey morn am Morgen auch noch fru&#x0364;h<lb/>
genug und dergleichen.</p><lb/>
        <p>Zu &#x017F;einem Glu&#x0364;k traf er &#x017F;ie nicht bey Haus<lb/>
an. Aber die Vo&#x0364;gtin meynte, er &#x017F;ey nicht<lb/>
einmal da gewe&#x017F;en; er mußte ihr eine Weile<lb/>
links und rechts Rechen&#x017F;chaft geben, und er-<lb/>
kla&#x0364;ren, wie, wo, wenn, eh &#x017F;ie ihm glaubte.</p><lb/>
        <p>Und das war ihr noch nicht genug, &#x017F;ie i&#x017F;t<lb/>
eine Zwingna&#x0364;rrin wenn &#x017F;ie &#x017F;ich etwas in den<lb/>
Kopf &#x017F;ezt. Sie &#x017F;chikte noch die&#x017F;en Abend zur<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0224] Voͤgtin. Wir wollen dann einandermal ſprechen, geh jezt in Gottes Nahmen, und ſieh, ob du etwas bey ihr ausrichten koͤnneſt? Wann du zulezt nur ein Wort mehr kannſt aus ihr herausloken, ſo iſt es das; aber es waͤre uns doch auch ſo wohl wenn wir des Vetters halber koͤnnten ruhig ſchlaffen. Vogt. Ja, — aber wenn denn der Jun- ker vernimmt, daß ich wieder den Rudj rede? Voͤgtin. Du bleibſt ein Kind, wenn du hundert Jahr alt wirſt, du ſollteſt ſie doch auch beſſer kennen als ich, aber ich will mei- nen Kopf zum Pfand ſezen, wenn ſie auch den Rudj nimmt, und bey ihm im Bett liegt, ſie ſagt ihm ihrer Lebtag kein Wort, daß dir zum Nachtheil gereichen kann. Vogt. Ich glaub das endlich auch. Nun ſo geh einmal ſagte ihm die Frau, und er mußte, wenn er ſchon noch zweymal ſagte, es ſey morn am Morgen auch noch fruͤh genug und dergleichen. Zu ſeinem Gluͤk traf er ſie nicht bey Haus an. Aber die Voͤgtin meynte, er ſey nicht einmal da geweſen; er mußte ihr eine Weile links und rechts Rechenſchaft geben, und er- klaͤren, wie, wo, wenn, eh ſie ihm glaubte. Und das war ihr noch nicht genug, ſie iſt eine Zwingnaͤrrin wenn ſie ſich etwas in den Kopf ſezt. Sie ſchikte noch dieſen Abend zur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/224
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/224>, abgerufen am 19.04.2024.