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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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der gestrige Tag, der vergangen ist, und wie
eine Nachtwacht.
5. Du lassest sie zerfliessen: Sie sind ein
Traum: Morgens sind sie wie das Gras, das
verdirbet.
6. Das am Morgen blühet, und dahin
gehet, zu Abend wird es abgehauen und ver-
dorret.
7. Dann wir werden durch deinen Zorn
verzehret, und wir werden durch deinen Grimm
erschrekt.
8. Du stellest unsere Missethaten für dich,
unsere Heimlichkeiten in das Licht deines An-
gesichts.
9. Darum schleichen alle unsere Tage da-
hin, durch deinen Zorn; wir bringen unsere
Jahre zu wie ein Geschwäz.
10. Die Tage unserer Jahre sind siebenzig
Jahre, und wenn sie hoch kommen so sind es
achzig Jahre, und das herrlichste in denselben
ist Mühe und Arbeit, dann es wird schnell ab-
gemähet, und wir gehen dahin.
11. Wer kann die Macht deines Zorns er-
messen, und deinen Grimm, nachdem er zu
forchten ist?
12. Lehre uns, daß wir unsere Tage zählen,
und weislich zu Herzen fassen.
13. Ach Herr kehre dich doch wieder, wie
lang verzeühest du? Und sey gnädig deinen
Knechten.

der geſtrige Tag, der vergangen iſt, und wie
eine Nachtwacht.
5. Du laſſeſt ſie zerflieſſen: Sie ſind ein
Traum: Morgens ſind ſie wie das Gras, das
verdirbet.
6. Das am Morgen bluͤhet, und dahin
gehet, zu Abend wird es abgehauen und ver-
dorret.
7. Dann wir werden durch deinen Zorn
verzehret, und wir werden durch deinen Grimm
erſchrekt.
8. Du ſtelleſt unſere Miſſethaten fuͤr dich,
unſere Heimlichkeiten in das Licht deines An-
geſichts.
9. Darum ſchleichen alle unſere Tage da-
hin, durch deinen Zorn; wir bringen unſere
Jahre zu wie ein Geſchwaͤz.
10. Die Tage unſerer Jahre ſind ſiebenzig
Jahre, und wenn ſie hoch kommen ſo ſind es
achzig Jahre, und das herrlichſte in denſelben
iſt Muͤhe und Arbeit, dann es wird ſchnell ab-
gemaͤhet, und wir gehen dahin.
11. Wer kann die Macht deines Zorns er-
meſſen, und deinen Grimm, nachdem er zu
forchten iſt?
12. Lehre uns, daß wir unſere Tage zaͤhlen,
und weislich zu Herzen faſſen.
13. Ach Herr kehre dich doch wieder, wie
lang verzeuͤheſt du? Und ſey gnaͤdig deinen
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[282/0304] der geſtrige Tag, der vergangen iſt, und wie eine Nachtwacht. 5. Du laſſeſt ſie zerflieſſen: Sie ſind ein Traum: Morgens ſind ſie wie das Gras, das verdirbet. 6. Das am Morgen bluͤhet, und dahin gehet, zu Abend wird es abgehauen und ver- dorret. 7. Dann wir werden durch deinen Zorn verzehret, und wir werden durch deinen Grimm erſchrekt. 8. Du ſtelleſt unſere Miſſethaten fuͤr dich, unſere Heimlichkeiten in das Licht deines An- geſichts. 9. Darum ſchleichen alle unſere Tage da- hin, durch deinen Zorn; wir bringen unſere Jahre zu wie ein Geſchwaͤz. 10. Die Tage unſerer Jahre ſind ſiebenzig Jahre, und wenn ſie hoch kommen ſo ſind es achzig Jahre, und das herrlichſte in denſelben iſt Muͤhe und Arbeit, dann es wird ſchnell ab- gemaͤhet, und wir gehen dahin. 11. Wer kann die Macht deines Zorns er- meſſen, und deinen Grimm, nachdem er zu forchten iſt? 12. Lehre uns, daß wir unſere Tage zaͤhlen, und weislich zu Herzen faſſen. 13. Ach Herr kehre dich doch wieder, wie lang verzeuͤheſt du? Und ſey gnaͤdig deinen Knechten.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/304>, abgerufen am 24.04.2024.