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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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Das Hartknopfen Geschmeiß im Dorf fand,
er sey kein rechter Christenmensch, und fieng
unter der Hand an, guten und einfältigen
Leuthen im Dorf das in Kopf zu spinnen. Ei-
ner der ersten, dem dieses Gemurmel behagte,
und der eifrigsten, die es auszubreiten suchten,
war der alte Schulmeister. Er konnte nicht
leiden, daß die Kinder den neuen Mann alle
so rühmten und liebten. Ihn hatten so lang
er Schulmeister war, alle gehasset und alle ge-
scholten, und er war dessen sint dreyßig Jah-
ren so gewohnt, daß er meynte, es müsse so
seyn, und behauptete, Kinder die noch ohne
rechte Erkanntnuß ihres Heils seyen, hassen
von Natur die Zucht, und folglich auch alle
Schulmeister. Aber jezt kam er mit dieser
Einbildung nicht mehr recht fort, und es dunk-
te ihn, die Leuthe werden ihm sagen, die Kin-
der lieben jezt ja den Schulmeister, weil er
gut sey.

Das machte ihn häßig, dann er ward sein
Lebtag immer häßig, wenn man ihm darauf
deutete, sein Schalknarrenwesen sey die Ursach,
daß ihn die Kinder nicht lieben.

Und doch wars die reine Wahrheit, und
konnte nicht anderst seyn; wenn sie das Ge-
ringste thaten, das ihm zuwider, so war sein
erstes Wort, -- ihr bringet mich um Leib
und Seel, und noch dazu ins Grab. -- Oder

Das Hartknopfen Geſchmeiß im Dorf fand,
er ſey kein rechter Chriſtenmenſch, und fieng
unter der Hand an, guten und einfaͤltigen
Leuthen im Dorf das in Kopf zu ſpinnen. Ei-
ner der erſten, dem dieſes Gemurmel behagte,
und der eifrigſten, die es auszubreiten ſuchten,
war der alte Schulmeiſter. Er konnte nicht
leiden, daß die Kinder den neuen Mann alle
ſo ruͤhmten und liebten. Ihn hatten ſo lang
er Schulmeiſter war, alle gehaſſet und alle ge-
ſcholten, und er war deſſen ſint dreyßig Jah-
ren ſo gewohnt, daß er meynte, es muͤſſe ſo
ſeyn, und behauptete, Kinder die noch ohne
rechte Erkanntnuß ihres Heils ſeyen, haſſen
von Natur die Zucht, und folglich auch alle
Schulmeiſter. Aber jezt kam er mit dieſer
Einbildung nicht mehr recht fort, und es dunk-
te ihn, die Leuthe werden ihm ſagen, die Kin-
der lieben jezt ja den Schulmeiſter, weil er
gut ſey.

Das machte ihn haͤßig, dann er ward ſein
Lebtag immer haͤßig, wenn man ihm darauf
deutete, ſein Schalknarrenweſen ſey die Urſach,
daß ihn die Kinder nicht lieben.

Und doch wars die reine Wahrheit, und
konnte nicht anderſt ſeyn; wenn ſie das Ge-
ringſte thaten, das ihm zuwider, ſo war ſein
erſtes Wort, — ihr bringet mich um Leib
und Seel, und noch dazu ins Grab. — Oder

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[314/0336] Das Hartknopfen Geſchmeiß im Dorf fand, er ſey kein rechter Chriſtenmenſch, und fieng unter der Hand an, guten und einfaͤltigen Leuthen im Dorf das in Kopf zu ſpinnen. Ei- ner der erſten, dem dieſes Gemurmel behagte, und der eifrigſten, die es auszubreiten ſuchten, war der alte Schulmeiſter. Er konnte nicht leiden, daß die Kinder den neuen Mann alle ſo ruͤhmten und liebten. Ihn hatten ſo lang er Schulmeiſter war, alle gehaſſet und alle ge- ſcholten, und er war deſſen ſint dreyßig Jah- ren ſo gewohnt, daß er meynte, es muͤſſe ſo ſeyn, und behauptete, Kinder die noch ohne rechte Erkanntnuß ihres Heils ſeyen, haſſen von Natur die Zucht, und folglich auch alle Schulmeiſter. Aber jezt kam er mit dieſer Einbildung nicht mehr recht fort, und es dunk- te ihn, die Leuthe werden ihm ſagen, die Kin- der lieben jezt ja den Schulmeiſter, weil er gut ſey. Das machte ihn haͤßig, dann er ward ſein Lebtag immer haͤßig, wenn man ihm darauf deutete, ſein Schalknarrenweſen ſey die Urſach, daß ihn die Kinder nicht lieben. Und doch wars die reine Wahrheit, und konnte nicht anderſt ſeyn; wenn ſie das Ge- ringſte thaten, das ihm zuwider, ſo war ſein erſtes Wort, — ihr bringet mich um Leib und Seel, und noch dazu ins Grab. — Oder

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/336>, abgerufen am 25.04.2024.