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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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Denn muß er doch, antworteten die Bauern,
mit dem Sak geschlagen seyn, oder er führt
keine Rechnung.

Es dünkt euch jezt so, erwiederte der Ruflj;
aber wenn ihr rechnet, was die 90 Jucharten
neues Mattland ihm nur an Kornzehnden mehr
eintragen müssen, und denn was er mit dem
Eifer fürs Arbeiten und Sparen, den er in alle
Häuser hinein bringt, nur in zehn Jahren aus-
richten muß, so kommet ihr gewiß auch dar-
auf, daß ihm das Geld, so er jezt anwendet,
mit der Zeit einen grossen Zins tragen muß! --
Er sezte hinzu: es ist ja kaum mehr ein Bettel-
kind im Dorf, dem es nicht bald alle Nacht
von einem halben Bauernhof träumet.

Das summte den reichern Bauern wie ein
höhnendes Scheltwort ins Ohr, daß sie auf die
Lippen bissen und schwiegen. Aber die Armen,
die es merkten, trieben nun das Gespräch desto
länger, und ein krummer Humbel, der nur
keinen guten Schuh am Fuß hatte, sagte gegen
die Dikbäuch, die oben saßen, und nichts mit
ihm hatten, hinaufgrinzend so laut er konnte,
und durch die Nase: ja, wenn einmal meine
Kinder so fortspinnen, und mir alle Wochen so
viel Geld heimbringen als den lezten Samstag,
so gehet es keine zehen Jahre, ich kaufe einem
Bauern, welcher es ist, wenn er ein Hagelwet-
ter hat, oder sonst Geld braucht, seine beste
Matte für baar Geld ab.


Denn muß er doch, antworteten die Bauern,
mit dem Sak geſchlagen ſeyn, oder er fuͤhrt
keine Rechnung.

Es duͤnkt euch jezt ſo, erwiederte der Ruflj;
aber wenn ihr rechnet, was die 90 Jucharten
neues Mattland ihm nur an Kornzehnden mehr
eintragen muͤſſen, und denn was er mit dem
Eifer fuͤrs Arbeiten und Sparen, den er in alle
Haͤuſer hinein bringt, nur in zehn Jahren aus-
richten muß, ſo kommet ihr gewiß auch dar-
auf, daß ihm das Geld, ſo er jezt anwendet,
mit der Zeit einen groſſen Zins tragen muß! —
Er ſezte hinzu: es iſt ja kaum mehr ein Bettel-
kind im Dorf, dem es nicht bald alle Nacht
von einem halben Bauernhof traͤumet.

Das ſummte den reichern Bauern wie ein
hoͤhnendes Scheltwort ins Ohr, daß ſie auf die
Lippen biſſen und ſchwiegen. Aber die Armen,
die es merkten, trieben nun das Geſpraͤch deſto
laͤnger, und ein krummer Humbel, der nur
keinen guten Schuh am Fuß hatte, ſagte gegen
die Dikbaͤuch, die oben ſaßen, und nichts mit
ihm hatten, hinaufgrinzend ſo laut er konnte,
und durch die Naſe: ja, wenn einmal meine
Kinder ſo fortſpinnen, und mir alle Wochen ſo
viel Geld heimbringen als den lezten Samſtag,
ſo gehet es keine zehen Jahre, ich kaufe einem
Bauern, welcher es iſt, wenn er ein Hagelwet-
ter hat, oder ſonſt Geld braucht, ſeine beſte
Matte fuͤr baar Geld ab.


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[376/0398] Denn muß er doch, antworteten die Bauern, mit dem Sak geſchlagen ſeyn, oder er fuͤhrt keine Rechnung. Es duͤnkt euch jezt ſo, erwiederte der Ruflj; aber wenn ihr rechnet, was die 90 Jucharten neues Mattland ihm nur an Kornzehnden mehr eintragen muͤſſen, und denn was er mit dem Eifer fuͤrs Arbeiten und Sparen, den er in alle Haͤuſer hinein bringt, nur in zehn Jahren aus- richten muß, ſo kommet ihr gewiß auch dar- auf, daß ihm das Geld, ſo er jezt anwendet, mit der Zeit einen groſſen Zins tragen muß! — Er ſezte hinzu: es iſt ja kaum mehr ein Bettel- kind im Dorf, dem es nicht bald alle Nacht von einem halben Bauernhof traͤumet. Das ſummte den reichern Bauern wie ein hoͤhnendes Scheltwort ins Ohr, daß ſie auf die Lippen biſſen und ſchwiegen. Aber die Armen, die es merkten, trieben nun das Geſpraͤch deſto laͤnger, und ein krummer Humbel, der nur keinen guten Schuh am Fuß hatte, ſagte gegen die Dikbaͤuch, die oben ſaßen, und nichts mit ihm hatten, hinaufgrinzend ſo laut er konnte, und durch die Naſe: ja, wenn einmal meine Kinder ſo fortſpinnen, und mir alle Wochen ſo viel Geld heimbringen als den lezten Samſtag, ſo gehet es keine zehen Jahre, ich kaufe einem Bauern, welcher es iſt, wenn er ein Hagelwet- ter hat, oder ſonſt Geld braucht, ſeine beſte Matte fuͤr baar Geld ab.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/398>, abgerufen am 19.04.2024.