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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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Eine Menge Männer und Weiber wußten
seit dieser Mittagskirche nicht was sie thaten:

Die Spekmolchin vergaß ihre Suppe zu
salzen, und ließ das halbe Essen die Kaz fressen
ohne daß sie es wehrte.

Wo fehlts dir aber, daß du wie ein Narr
thust? sagte ihr Mann der just dazu kam. --
Sie murrte zuerst nur, statt zu antworten. --
Eine Weile darauf besann sie sich, es sey besser,
sie sag's dem Ochsen, es müsse doch seyn.

Ja, sagte sie dann, ich hab das Tuch da
dem Vogt versezt.

Der Spekmolch sperrte das Maul und Au-
gen auf, und sagte was für ein Tuch?

Du weisest wohl das an der Wösch! sagte
die Frau. -- Das ganze Stük da, wo an
der Wösch weggekommen? und wo du alle
Dienst und alle Wöschern in die unterste Hölle
hinab verflucht hast, daß sie es sollten gestoh-
len haben; sagte der Mann, und wollte dann
anfangen jammern, es seye doch schlimm,
wenn man in seinem Haus seiner eignen Frau
nicht mehr trauen dörfe.

Aber das Weib stopfte ihm das Maul bald
zu; sie hielt ihm sein achtzehnjähriges uneh-
liches Kind vor, das ihn manch Hundert mal
mehr gekostet als das lumpen Stuk Tuch werth
sey?

Es trieb den armen Spekmolch von der

Eine Menge Maͤnner und Weiber wußten
ſeit dieſer Mittagskirche nicht was ſie thaten:

Die Spekmolchin vergaß ihre Suppe zu
ſalzen, und ließ das halbe Eſſen die Kaz freſſen
ohne daß ſie es wehrte.

Wo fehlts dir aber, daß du wie ein Narr
thuſt? ſagte ihr Mann der juſt dazu kam. —
Sie murrte zuerſt nur, ſtatt zu antworten. —
Eine Weile darauf beſann ſie ſich, es ſey beſſer,
ſie ſag’s dem Ochſen, es muͤſſe doch ſeyn.

Ja, ſagte ſie dann, ich hab das Tuch da
dem Vogt verſezt.

Der Spekmolch ſperrte das Maul und Au-
gen auf, und ſagte was fuͤr ein Tuch?

Du weiſeſt wohl das an der Woͤſch! ſagte
die Frau. — Das ganze Stuͤk da, wo an
der Woͤſch weggekommen? und wo du alle
Dienſt und alle Woͤſchern in die unterſte Hoͤlle
hinab verflucht haſt, daß ſie es ſollten geſtoh-
len haben; ſagte der Mann, und wollte dann
anfangen jammern, es ſeye doch ſchlimm,
wenn man in ſeinem Haus ſeiner eignen Frau
nicht mehr trauen doͤrfe.

Aber das Weib ſtopfte ihm das Maul bald
zu; ſie hielt ihm ſein achtzehnjaͤhriges uneh-
liches Kind vor, das ihn manch Hundert mal
mehr gekoſtet als das lumpen Stuk Tuch werth
ſey?

Es trieb den armen Spekmolch von der

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[20/0042] Eine Menge Maͤnner und Weiber wußten ſeit dieſer Mittagskirche nicht was ſie thaten: Die Spekmolchin vergaß ihre Suppe zu ſalzen, und ließ das halbe Eſſen die Kaz freſſen ohne daß ſie es wehrte. Wo fehlts dir aber, daß du wie ein Narr thuſt? ſagte ihr Mann der juſt dazu kam. — Sie murrte zuerſt nur, ſtatt zu antworten. — Eine Weile darauf beſann ſie ſich, es ſey beſſer, ſie ſag’s dem Ochſen, es muͤſſe doch ſeyn. Ja, ſagte ſie dann, ich hab das Tuch da dem Vogt verſezt. Der Spekmolch ſperrte das Maul und Au- gen auf, und ſagte was fuͤr ein Tuch? Du weiſeſt wohl das an der Woͤſch! ſagte die Frau. — Das ganze Stuͤk da, wo an der Woͤſch weggekommen? und wo du alle Dienſt und alle Woͤſchern in die unterſte Hoͤlle hinab verflucht haſt, daß ſie es ſollten geſtoh- len haben; ſagte der Mann, und wollte dann anfangen jammern, es ſeye doch ſchlimm, wenn man in ſeinem Haus ſeiner eignen Frau nicht mehr trauen doͤrfe. Aber das Weib ſtopfte ihm das Maul bald zu; ſie hielt ihm ſein achtzehnjaͤhriges uneh- liches Kind vor, das ihn manch Hundert mal mehr gekoſtet als das lumpen Stuk Tuch werth ſey? Es trieb den armen Spekmolch von der

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/42>, abgerufen am 28.03.2024.