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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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Und Gertrud: Man muß das Böse ver-
gessen, und Gott danken, wann es vorüber:
aber dann ist es einem am wöhlsten, wenn
Niemand viel von einem redet.

Ich hab jezt gemeynt, es freue dich auch,
sagte der Bub.

Da lächlete sie. -- Es scheint es freue dich
doch, sagte wieder der Bub.

Nein; du freust mich, sagte die Mutter.

Den Lienert hingegen freute es wie seinen
Buben, daß der Pfarrer so viel Gutes von
ihr gesagt.

Sie aber gab hierüber zur Antwort: Lie-
ber! wenn's Rühmens gebraucht hätte, so
wär's in der alten Zeit gewesen, und da hat's
jedermann bleiben lassen; jezt mag ich dessen
nichts mehr. Wenn ich nur dir auf meinem
Heerd eine Suppe machen kan, wie du sie
gern issest, und du dann heim kommst ehe sie
ab dem Feuer ist, so meyn' ich, ich hab alles
was ich in der Welt wünschen soll.

Glaubet doch nicht ihr Leuthe! es möge
sich nicht erleiden so etwas zu erzählen; es hat
vielleicht lang kein Mann etwas gesagt, darinn
so viel liegt, als in diesen guten Weiber-Wor-
ten.

Die Alten hielten den Feuerheerd im Haus
für heilig und sagten: eine Frau, die bey ih-
rem Feuerheerd viel an ihren Mann und an

Und Gertrud: Man muß das Boͤſe ver-
geſſen, und Gott danken, wann es voruͤber:
aber dann iſt es einem am woͤhlſten, wenn
Niemand viel von einem redet.

Ich hab jezt gemeynt, es freue dich auch,
ſagte der Bub.

Da laͤchlete ſie. — Es ſcheint es freue dich
doch, ſagte wieder der Bub.

Nein; du freuſt mich, ſagte die Mutter.

Den Lienert hingegen freute es wie ſeinen
Buben, daß der Pfarrer ſo viel Gutes von
ihr geſagt.

Sie aber gab hieruͤber zur Antwort: Lie-
ber! wenn’s Ruͤhmens gebraucht haͤtte, ſo
waͤr’s in der alten Zeit geweſen, und da hat’s
jedermann bleiben laſſen; jezt mag ich deſſen
nichts mehr. Wenn ich nur dir auf meinem
Heerd eine Suppe machen kan, wie du ſie
gern iſſeſt, und du dann heim kommſt ehe ſie
ab dem Feuer iſt, ſo meyn’ ich, ich hab alles
was ich in der Welt wuͤnſchen ſoll.

Glaubet doch nicht ihr Leuthe! es moͤge
ſich nicht erleiden ſo etwas zu erzaͤhlen; es hat
vielleicht lang kein Mann etwas geſagt, darinn
ſo viel liegt, als in dieſen guten Weiber-Wor-
ten.

Die Alten hielten den Feuerheerd im Haus
fuͤr heilig und ſagten: eine Frau, die bey ih-
rem Feuerheerd viel an ihren Mann und an

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[29/0051] Und Gertrud: Man muß das Boͤſe ver- geſſen, und Gott danken, wann es voruͤber: aber dann iſt es einem am woͤhlſten, wenn Niemand viel von einem redet. Ich hab jezt gemeynt, es freue dich auch, ſagte der Bub. Da laͤchlete ſie. — Es ſcheint es freue dich doch, ſagte wieder der Bub. Nein; du freuſt mich, ſagte die Mutter. Den Lienert hingegen freute es wie ſeinen Buben, daß der Pfarrer ſo viel Gutes von ihr geſagt. Sie aber gab hieruͤber zur Antwort: Lie- ber! wenn’s Ruͤhmens gebraucht haͤtte, ſo waͤr’s in der alten Zeit geweſen, und da hat’s jedermann bleiben laſſen; jezt mag ich deſſen nichts mehr. Wenn ich nur dir auf meinem Heerd eine Suppe machen kan, wie du ſie gern iſſeſt, und du dann heim kommſt ehe ſie ab dem Feuer iſt, ſo meyn’ ich, ich hab alles was ich in der Welt wuͤnſchen ſoll. Glaubet doch nicht ihr Leuthe! es moͤge ſich nicht erleiden ſo etwas zu erzaͤhlen; es hat vielleicht lang kein Mann etwas geſagt, darinn ſo viel liegt, als in dieſen guten Weiber-Wor- ten. Die Alten hielten den Feuerheerd im Haus fuͤr heilig und ſagten: eine Frau, die bey ih- rem Feuerheerd viel an ihren Mann und an

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/51>, abgerufen am 24.04.2024.