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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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Den ersten Samstag war er ausser Athem
und konnte es fast nicht zu Worten bringen,
da er ihr die Hand aufthate, und den Tha-
ler, der von Schweiß ganz naß war, ihr
zeigte:

-- Gäll Frau! so hundert, dann wär
ich ein brafer Mann -- --

Wenn nur so zehen zu einander kommen,
so bin ich zufrieden, sagte die Frau; und er
-- du must auch einmal etwas recht gutes
hoffen; denn nahm er ihr den Bub ab, den
sie auf dem Schoos hatte, und ritt mit ihm
auf allen Vieren in der Stube herum.

Der Lienert ritt mit seinem nicht so auf
allen vieren; er war zu alt dafür; aber er
hat eben soviel Freud mit ihm. -- Er zeigte
ihm wann er am Abend heim kam allemal
etwas von seinem Handwerk; jezt machen sie
sint etlichen Wochen den Thurn zu Babel,
wie er in der Mutter ihrer Kinderbibel abge-
mahlt ist, aus einem Haufen Laim mit ein-
ander in der Stube -- es hat ihnen fast
gar nicht gerathen wollen, und sie mußten
manche halbe Nacht daran probieren, wie
breit unten die Treppen seyn müsse, wenn
sie so zwanzig mal um den Leimhaufen her-
umgehen und oben sich mit ihm ausspizen
müsse; und viel anders mehr. -- Er lehrte
ihn rechnen was es zu den Sachen braucht,

Den erſten Samſtag war er auſſer Athem
und konnte es faſt nicht zu Worten bringen,
da er ihr die Hand aufthate, und den Tha-
ler, der von Schweiß ganz naß war, ihr
zeigte:

— Gaͤll Frau! ſo hundert, dann waͤr
ich ein brafer Mann — —

Wenn nur ſo zehen zu einander kommen,
ſo bin ich zufrieden, ſagte die Frau; und er
— du muſt auch einmal etwas recht gutes
hoffen; denn nahm er ihr den Bub ab, den
ſie auf dem Schoos hatte, und ritt mit ihm
auf allen Vieren in der Stube herum.

Der Lienert ritt mit ſeinem nicht ſo auf
allen vieren; er war zu alt dafuͤr; aber er
hat eben ſoviel Freud mit ihm. — Er zeigte
ihm wann er am Abend heim kam allemal
etwas von ſeinem Handwerk; jezt machen ſie
ſint etlichen Wochen den Thurn zu Babel,
wie er in der Mutter ihrer Kinderbibel abge-
mahlt iſt, aus einem Haufen Laim mit ein-
ander in der Stube — es hat ihnen faſt
gar nicht gerathen wollen, und ſie mußten
manche halbe Nacht daran probieren, wie
breit unten die Treppen ſeyn muͤſſe, wenn
ſie ſo zwanzig mal um den Leimhaufen her-
umgehen und oben ſich mit ihm ausſpizen
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ihn rechnen was es zu den Sachen braucht,

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[38/0060] Den erſten Samſtag war er auſſer Athem und konnte es faſt nicht zu Worten bringen, da er ihr die Hand aufthate, und den Tha- ler, der von Schweiß ganz naß war, ihr zeigte: — Gaͤll Frau! ſo hundert, dann waͤr ich ein brafer Mann — — Wenn nur ſo zehen zu einander kommen, ſo bin ich zufrieden, ſagte die Frau; und er — du muſt auch einmal etwas recht gutes hoffen; denn nahm er ihr den Bub ab, den ſie auf dem Schoos hatte, und ritt mit ihm auf allen Vieren in der Stube herum. Der Lienert ritt mit ſeinem nicht ſo auf allen vieren; er war zu alt dafuͤr; aber er hat eben ſoviel Freud mit ihm. — Er zeigte ihm wann er am Abend heim kam allemal etwas von ſeinem Handwerk; jezt machen ſie ſint etlichen Wochen den Thurn zu Babel, wie er in der Mutter ihrer Kinderbibel abge- mahlt iſt, aus einem Haufen Laim mit ein- ander in der Stube — es hat ihnen faſt gar nicht gerathen wollen, und ſie mußten manche halbe Nacht daran probieren, wie breit unten die Treppen ſeyn muͤſſe, wenn ſie ſo zwanzig mal um den Leimhaufen her- umgehen und oben ſich mit ihm ausſpizen muͤſſe; und viel anders mehr. — Er lehrte ihn rechnen was es zu den Sachen braucht,

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/60>, abgerufen am 25.04.2024.